Das Weltcup-Wochenende begann für die Schweiz am Freitag mit einer erfreulichen Sensation: Mit dem nie erwarteten Sieg des 21-jährigen Zürchers Niels Hintermann in der Kombination am Lauberhorn. Nach drei Erfolgen von Lara Gut war es der erste eines Schweizers bei den Männern in diesem Winter.
Gut, die gestern das Abfahrtspodest in Altenmarkt nur um einen Hunderstel verpasste, und Slalom-Ass Wendy Holdener (zwei Mal 2., vier Mal 3.) waren bislang die herausragenden Athletinnen von Swiss Ski. Gemeinsam holte das Duo beinahe einen Drittel aller Schweizer Weltcup-Punkte in diesem Winter.
Aber wieso kommt nicht mehr? Von einem Land, in dem der alpine Skisport vor gar nicht so langer Zeit der wichtigste Sport überhaupt war? Urs Lehmann, der Präsident von Swiss Ski, ortet eine gewisse Genügsamkeit, bisweilen fehlenden Biss bei jungen Athleten. Für ihn gibt es durchaus Gründe dafür, dass die Schweizer zu oft langsamer sind als ihre Konkurrenten. In einem Interview mit der NZZ spricht Lehmann Klartext:
Es möge ja sein, dass jeder einzelne Erklärungen habe, wieso und warum nicht mehr möglich war. Aber in der Summe sei das Ergebnis schlecht.
Lehmann erzählt von den Weltcup-Rennen im italienischen Santa Caterina, wo er im gleichen Hotel wie das österreichische Team gewohnt habe. Was er sah, machte ihm klar, dass man besser arbeiten könne als die Schweizer:
Der Schweizer Verband habe den Anspruch, im Bereich Professionalität mit den Besten wie Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen mitzuhalten, so Lehmann. Zwei Stunden lang habe er sich mit Hirschers Vater Ferdinand und Trainer Mike Pircher unterhalten:
Lehmann hält es für verkehrt, die Ansprüche der Schweiz zu senken – obwohl es das Team in den vergangenen fünf Jahren nur einmal auf Rang 2 der Nationenwertung schaffte und sonst weiter zurück lag. Es sei trotz dieser Bilanz nicht vermessen, Platz 1 zu fordern:
Rennen wie der Riesenslalom am Chuenisbärgli in Adelboden, als es der beste Schweizer nur auf Rang 23 schaffte, sorgen nicht für eine überbordende Ski-Euphorie im Land. Drei Wochen vor dem Start der WM in St.Moritz verrät Urs Lehmann in der NZZ immerhin, dass sich das einheimische Team auf einen Heimvorteil freuen dürfe:
Auch sonst wurde im Vorfeld der Weltmeisterschaften viel unternommen, um die Fahrer im Kopf auf die Aufgabe vorzubereiten. Lehmann, 1993 in Morioka überraschend Abfahrts-Weltmeister geworden, erinnert an die goldenen Tage von Crans-Montana, als die Schweiz fast jedes Rennen gewann:
Müller war Teil eines dominierenden Schweizer Abfahrtsteams um ihn, Pirmin Zurbriggen, Karl Alpiger, Franz Heinzer und Daniel Mahrer. Trainer war der legendäre Karl Frehsner, «eiserner Karl» genannt. Auch dank ihm, diesem Schleifer alter Schule, errang die Schweiz damals so viele Erfolge. Braucht es wieder mehr Härte? Die Athleten seien heute mündiger und besser informiert, wirft Lehmann ein:
Auf die Nachfrage, ob er damit weniger Kollegialität meine, antwortet Urs Lehmann klar:
Drei Medaillen gewann die Schweiz an der WM 2015 in Vail/Beaver Creek. Eine Bilanz, die man in St.Moritz natürlich zu toppen versucht. Lehmann hofft, dass das Programm dem Schweizer Team entgegen kommt, denn zu Beginn stehen die Speed-Disziplinen an. Mit einer frühen Medaille, so der Wunsch, käme eine Euphorie auf. (ram)