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Pius Schwizer über das Millionengeschäft Pferd

Pius Schwizer: «Obwohl viel Geld da ist, verdient schlussendlich nur eine ganz kleine Spitze wirklich gut.»
Pius Schwizer: «Obwohl viel Geld da ist, verdient schlussendlich nur eine ganz kleine Spitze wirklich gut.»
bild: jean-marc felix
Interview

CSI-Sieger Pius Schwizer über Handel und harte Bandagen: «Mir wurde das Pferd praktisch unter dem Arsch weggenommen»

Seit einigen Jahren pumpen Investoren aus dem arabischen Raum immense Geldsummen in den internationalen Pferdehandel. Weltklasse-Reiter und Pferdehändler Pius Schwizer erklärt, was hinter den Millionendeals steckt, warum er diesem Trend auch kritisch gegenüber steht und was er von geklonten Pferden hält.
31.01.2016, 10:3301.03.2016, 17:14
Noëmi Laux
Noëmi Laux
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10 Millionen da, noch ein paar Millionen mehr dort. Wenn es der Pferdesport in die grossen Schlagzeilen schafft, dann geht es meist um viel Geld. Der Reitsport wird in den Medien oft als der Sport beschrieben, der von den Reichen angeführt und bestimmt wird.

Pius Schwizer siegt in Zürich
Pius Schwizer gewinnt im Sattel von Future das Weltcupspringen beim Mercedes-Benz CSI in Zürich. Der Solothurner setzt sich im Stechen mit neun Paaren nach einem Blankoritt in 41,97 Sekunden vor dem Iren Denis Lynch und der Amazone Edwina Tops-Alexander mit Caretina de Joter durch. Mit Martin Fuchs auf Clooney schafft ein zweiter Schweizer den Einzug in die Barrage. Für den Zürcher resultiert Rang 6.

Aber: Wie hat das Geld den Sport wirklich verändert und welchen Einfluss haben reiche Investoren aus Katar und Saudi Arabien auf den internationalen Pferdehandel? Wir haben uns kurz vor dem CSI Zürich mit dem Weltklasse-Reiter und internationalen Pferdehändler Pius Schwizer getroffen.

Pius Schwizer spricht offen über den Einfluss katarischer Reiter und deren Verhalten auf internationalen Turnierplätzen.
Pius Schwizer spricht offen über den Einfluss katarischer Reiter und deren Verhalten auf internationalen Turnierplätzen.
bild: jean-marc felix

Pius Schwizer, in den Medien wird der Pferdesport immer wieder mit Millionensummen in Verbindung gebracht. Stimmen diese teilweise horrenden Zahlen?
Pius Schwizer: Tendenziell sind die Preise schon gestiegen, ja. Allgemein ist mehr Geld im Umlauf: Turniere sind mit höheren Gewinnsummen dotiert, die Parcours sind technisch anspruchsvoller geworden und die Pferde besser. Gerade was die Verkaufspreise einiger Pferde angeht, wird aber auch viel geredet und übertrieben. Aus 600'000 oder 700'000 wird schnell mal eine Million gemacht, weil das eine schönere Schlagzeile gibt. Solche Millionendeals wie jener des Weltspitzenpferdes Palloubet d'Halong oder des Dressurhengstes Totilas sind Ausnahmen.

«Viele haben nicht begriffen, dass Reiten ein Knochenjob ist.»
Pius Schwizer

Wenn die Pferde doch eigentlich gar nicht so viel wert sind, warum gibt es dann Leute, die so viel dafür bezahlen?
Viele dieser Millionendeals laufen über Katarer oder Saudi-Araber. Da spielt Geld keine Rolle. Wenn sie ein bestimmtes Pferd unbedingt wollen, dann bieten sie einfach eine so utopisch hohe Summe, dass der Besitzer gar nicht mehr anders kann, als einzuschlagen. Wir «Normalsterblichen» können bei diesen Preisen nicht mehr mithalten.

Da sitzen Sie immer am kürzeren Hebel, oder?
Natürlich profitieren wir auch von reichen Scheichs und Investoren. Ihr Geld fliesst teilweise auch in unsere Taschen. Trotzdem stehe ich dem Einfluss Katars auch kritisch gegenüber ... 

Mission Gold: Millionengeschäfte auf dem Rücken der Pferde
Hier gibt es eine spannende Dok vor den Olympischen Spielen 2012 in London. Die ZDF-Autoren Felix Hero und Ralf Paniczek machten sich kurz vor London 2012 auf, um das knallharte Geschäft zu erkunden. Millionen spielen rein – den höchsten Preis zahlen dabei meist die Tiere.

Inwiefern kritisch?
Objektiv betrachtet sind die wenigsten Pferde mehrere Millionen wert. Die Araber oder Katarer setzen völlig neue, utopische Massstäbe. Das sind falsche Zeichen, die gesetzt werden. Andere Händler orientieren sich an diesen Preisen und meinen, ihre Pferde im gleichen Segment anbieten zu können. Das ist pervers – die Relationen gehen verloren. Ausserdem gibt das Geld den Arabern viel Macht. Weltklasse-Paare wie Janika Sprunger mit Palloubet oder Meredith Beerbaum und Bella Donna wurden auseinandergerissen – die Pferde nach Katar oder Saudi-Arabien verkauft. Solche Trennungen bedeuten sowohl für den betroffenen Reiter, wie auch für die jeweilige Equipe grosse Verluste.

Warum investieren Katarer in den Reitsport? Geht es um den Sport oder sehen sie in den Pferden eine Geldanlage?
Es geht ihnen schon in erster Linie um den Sport, nicht darum, ihr Geld anzulegen. Dafür ist das Risiko erstens zu gross und die Summen dann zweitens doch zu klein. Finanziell interessant sind die hohen Gewinnsummen, mit denen einige internationale Weltcup-Springen dotiert sind, aber durchaus. 

«Das, was mir passiert ist, also dem Reiter völlig überraschend wörtlich gesagt das Pferd unter dem Arsch wegzunehmen, ist einfach nur niveaulos.»
Völlig unerwartet wechselte Schwizers Top-Pferd Toulago auf Wunsch der Besitzerin den Reiter

Wie erleben Sie katarische Reiter?
Es gibt einige wirklich gute und fleissige Katarer, die an den grossen Turnieren schon um 7 Uhr morgens in den Ställen anzutreffen sind und mit anpacken. Ein Grossteil hat aber schon die Einstellung, lieber andere für sich arbeiten zu lassen. Und das funktioniert ab einem gewissen Niveau nicht mehr. Um einen 1,60-Meter-Parcours zu springen, braucht es viel Vertrauen zwischen Tier und Reiter und das kann nicht aufgebaut werden, wenn unter der Woche irgendein Bereiter das Pferd bewegt. Einige haben noch nicht begriffen, dass Reitsport ein Knochenjob ist und eine Menge Arbeit hinter dem Erfolg steckt.

Im letzten Jahr mussten Sie gleich den Verlust mehrerer Ihrer Top-Pferde in Kauf nehmen. Völlig unerwartet wechselte unter anderem Ihr Spitzenpferd Toulago auf Wunsch der Besitzerin in den Stall von Roger-Yves Bost.
Ja, im letzten Jahr musste ich ein paar Rückschläge einstecken. Ich habe aber zum Glück die Fähigkeit, mich sehr schnell auf neue Pferde einstellen zu können. Den Verlust spüre ich kaum noch. Trotzdem: Das, was mir passiert ist, also dem Reiter völlig überraschend wörtlich gesagt das Pferd unter dem Arsch wegzunehmen, ist einfach nur niveaulos.

Pius Schwizer mit seinem einstmaligen Spitzenpferd Toulago.
Pius Schwizer mit seinem einstmaligen Spitzenpferd Toulago.
Bild: Michel Euler/AP/KEYSTONE

Wie stehen Sie generell zur Zusammenarbeit mit Sponsoren?
Ohne Sponsoren ginge es heute gar nicht mehr. Viele der Pferde, die bei mir im Stall stehen, könnte ich mir gar nicht leisten. Immer einfach ist die Zusammenarbeit mit Sponsoren aber nicht ... 

«Trete ich dann in ein paar Jahren vielleicht gegen einen geklonten Gaul mit einem geklonten Pius Schwizer im Sattel an? Das ist doch pervers.»
Pius Schwizer hält nichts von geklonten Pferden

Warum nicht?
Es gibt Sponsoren, die ein fettes Bankkonto aber keine Ahnung vom Reitsport haben. Viel zu schnell beginnen sie am Reiter oder Pferd zu zweifeln oder wollen mir reinreden, wie ich das Pferd zu reiten habe. Sie erwarten immer Höchstleitungen und das ist einfach nicht jedes Mal möglich – manche vergessen, dass Mensch und Pferd keine Maschinen sind ... Erfolg kann man nicht erzwingen. Es braucht Zeit, bis Pferd und Reiter ein vertrautes Team sind.

Sein neuer Hoffnungsträger: Pius Schwizer mit PSG Future.
Sein neuer Hoffnungsträger: Pius Schwizer mit PSG Future.
bild: jean-marc felix

Dann hat das Geld den ganzen Sport also schon ziemlich verändert und beeinflusst?
Klar hat es das. Aber das ist ja nicht nur im Reitsport so. Im Fussball zum Beispiel läuft es doch genau gleich ab: Obwohl viel Geld da ist, verdient nur eine ganz kleine Spitze wirklich gut Geld. Generell ist der Reitsport aber schon mehr und mehr zu einem «schickimicki» Prestige-Sport geworden, was den Sport aber auch gestärkt hat, weil er jetzt für die Medien und einflussreiche Sponsoren interessant ist.

Wo sehen Sie den Sport in zehn Jahren? Können dann nur noch Milliardäre und Scheichs im grossen Sport mitwirken?
Der Sport ist und bleibt ein Sport für die reichere Schicht. Tendenziell wird das sogar eher noch zunehmen, weil die Pferde im Schnitt teurer werden. Die Reichen werden reicher und die Armen zahlreicher. So läuft das halt auch im Reitsport. Für Züchter wird es immer schwieriger mit mittelmässigen Pferden Geld verdienen zu können, die Mittelklasse wird längerfristig vermutlich ganz zusammenbrechen. Wer mit Pferden Geld verdienen will, muss im Hochpreissegment ansetzen.

Ins Hochpreissegment gehören wohl auch geklonte Pferde. Das soll im Reitsport zurzeit total im Kommen sein. Haben Sie Erfahrung damit?
Nein, ich halte nichts davon. Erstens ist das schweineteuer und zweitens habe ich bisher noch von keinem geklonten Pferd gehört, das es an die Weltspitze geschafft hat. Das funktioniert einfach nicht. Wo sollte das denn hinführen? Trete ich dann in ein paar Jahren vielleicht gegen einen geklonten Gaul mit einem geklonten Pius Schwizer im Sattel an? Das ist doch pervers.

Wie ein Tag eines Profi-Reiters aussieht, siehst du hier:

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Zu Besuch im Hochsicherheitstrakt
Dieses Wochenende zieht der CSI in Zürich wieder Tausende Pferdebegeisterte ins Hallenstadion. Gleich wie vor drei Wochen am CSI in Basel sind auch in Zürich die Sicherheitsvorkehrungen enorm.
quelle: epa/keystone / georgios kefalas
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