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Warum der vorläufige Atom-Deal mit Iran für Obama ein grosses Risiko darstellt

Barack Obama spricht von einer «historischen Einigung».
Barack Obama spricht von einer «historischen Einigung».Bild: J. David Ake/AP/KEYSTONE

Warum der vorläufige Atom-Deal mit Iran für Obama ein grosses Risiko darstellt

Auf Biegen und Brechen wollte Obama diesen Deal: Die historische Einigung im Atom-Streit mit Irans ist erreicht, ein Abkommen steht noch aus. Doch der US-Präsident hat die Kritiker im eigenen Land noch nicht überzeugt. 
03.04.2015, 07:4703.04.2015, 07:49
Sebastian Fischer, Washington / spiegel online
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Barack Obama hat den ganzen Tag auf Nachricht aus der Schweiz gewartet. Stunde um Stunde hat der US-Präsident am Donnerstag seine Abreise zu einem Pflichttermin nach Kentucky verschoben, hat in Washington ausgeharrt, um sich im Erfolgsfall von dort aus direkt ans Volk wenden zu können.

Der Erfolgsfall tritt um die Mittagszeit ein. Iran und die Weltgemeinschaft – vertreten durch die fünf Uno-Vetomächte plus Deutschland – einigen sich auf ein politisches Rahmenabkommen. Der Streit ums iranische Atomprogramm soll mit einem finalen Abkommen dann Ende Juni beigelegt werden (Lesen Sie hier die Details).

Acht Tage hat Obama seinen Aussenminister John Kerry in Lausanne verhandeln lassen, ohne Unterbrechung, die selbstgesetzte Frist am letzten Dienstag hat er einfach übergangen. Es war ein äusserst riskantes Spiel. Zwischenzeitlich sah es so aus, als wollten Obama und Kerry auf Biegen und Brechen einen Deal.

Jetzt, da das Rahmenabkommen steht, übernimmt Obama die Regie von Kerry. Denn jetzt geht es um die Verkaufe: Das Verhandlungsergebnis muss äusserst kritischen Alliierten wie Israel und Saudi-Arabien, vor allem aber dem heimischen Parlament nahegebracht werden.

O-Ton Obama: «Das ist ein guter Deal. Er verbaut Iran jeden Weg zur Atombombe. Er umfasst das robusteste und entschiedenste Überwachungsregime, das jemals in der Geschichte bei einem Nuklearprogramm verhandelt wurde.»

Gelingt es Obama aber nicht, den US-Kongress in den kommenden Wochen und Monaten zu überzeugen oder zumindest die demokratischen Parteifreunde hinter sich zu scharen, dann könnte sein Deal sabotiert werden. Mitte April kehrt der Kongress aus der Osterpause zurück, dann drohen zwei Gesetzesvorschläge:

  • Das eine Gesetz würde dem Kongress das Recht geben, letztlich über jede Art von Iran-Abkommen zu entscheiden;
  • ein anderes hätte neue Sanktionen gegen Iran zur Folge.

Für Obamas Deal wäre das wohl tödlich. Der Präsident sagt es so: «Wenn der Kongress dieses Abkommen killt, dann wird Amerika die Schuld fürs Scheitern zugeschoben werden.»

Die harte Wortwahl zeigt, dass es Obama um viel, um sehr viel geht. Der Präsident will mit seiner Iran-Diplomatie den Beweis führen, dass auch eine Supermacht wie Amerika mit international Partnern und einer auf Verhandlungen basierenden Aussenpolitik weiter kommt als mit unilateralen Brachialaktionen à la George W. Bush. Wenn Obama damit durchkommt, dann hätte er Leitplanken für die künftige US-Politik gesetzt; er hätte nach sechs Jahren im Amt endlich einmal eines seiner hehren Versprechen erfüllt.

Deshalb hat dieses Abkommen, sollte es im Juni zustande kommen, historisches Potential für alle Beteiligten: für Iran nicht weniger als für die USA.

Obama-Vorgänger Woodrow Wilson war nach dem Ersten Weltkrieg nach Paris gereist, um den Frieden zu verhandeln und die Europäer für seine Idee eines Völkerbundes zu gewinnen. Am Ende war es das US-Parlament, das Wilson einen Strich durch die Rechnung machte und eine US-Mitgliedschaft in dieser internationalen Organisation verhinderte – zum Schaden der Welt.

Immer wieder wurde in den letzten Tagen das Beispiel 1919 erwähnt, bis hin zu einem Historiker, der mutmasste, seit Wilson habe keine US-Delegation mehr so lange ausserhalb Amerikas verhandelt wie Team Kerry.

Aussenminister Irans und der USA, Sarif und Kerry: Schwierige Verkaufe.
Aussenminister Irans und der USA, Sarif und Kerry: Schwierige Verkaufe.Bild: POOL/REUTERS

Wie schwierig das mit der Verkaufe aber ist, das zeigt sich schon in den ersten Stunden nach der Einigung. Zuerst treten in Lausanne die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Aussenminister Dschawad Sarif vor die Presse, verlesen eine gemeinsame Erklärung. Die kommt aber reichlich schwurbelig daher. Es wird etwa überhaupt nicht klar, wann Sanktionen gegen Iran gelockert werden sollen oder ob Iran angereichertes Uran im Land behalten darf.

Diese Lücke füllt dann im Anschluss jede Partei auf ihre Weise. Sarif erklärt die Verhandlungen zum vollen Erfolg für sein Land: Kein einziger Nuklearstandort werde geschlossen, alle wegen des Atomprogramms erlassenen Sanktionen würden beendet. Sarif bleibt, wohl bewusst, sehr vage. Denn auch er muss die Eckpunkte daheim in Teheran den Hardlinern verkaufen.

Jetzt auf

Detaillierter wird es erst, als jeweils Obama und Kerry vor die Presse treten sowie Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier ein Statement veröffentlicht. Demnach …

  • wird Iran kein waffenfähiges Plutonium erlangen können, da der eigentlich dafür nötige Schwerwasserreaktor in Arak umgebaut werden soll;
  • …wird der Iran auch nicht das für eine Bombe nötige hoch angereichertes Uran produzieren können, da in den ersten zehn Jahres des Deals mehr als zwei Drittel der bestehenden Anreicherungskapazitäten stillgelegt werden und über 95 Prozent des bereits angereicherten Urans verdünnt oder ausser Landes gebracht werden sollen;
  • …soll die Atomenergiebehörde IAEO weitreichenden Zugriff haben: «Wenn Iran betrügt, dann wird es die Welt erfahren», sagt Obama;
  • …werden die Sanktionen nicht aufgehoben, sondern in mehreren Phasen ausgesetzt, damit sie im Falle einer Regelverletzung umgehend wieder aktiviert werden können.

Am Ende sagt Obama, es handele sich um eine historische Chance: «Wir sollten sie nutzen.» Der Erfolg vom Donnerstag war nur ein Zwischenschritt, die eigentliche Bewährungsprobe kommt noch.

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