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Euro 08: Schweiz – Türkei war 2008 die «Wasserschlacht von Basel»

Switzerland's Hakan Yakin, left, and his teammate Tranquillo Barnetta, back, fight against Turkey's Hakan Balta, down, during the second match of Group A between Switzerland and the Republic ...
Viel Einsatz, noch mehr Wasser: Hakan Yakin (oben) im Zweikampf mit dem Türken Hakan Balta. Im Hintergrund Tranquillo Barnetta.Bild: KEYSTONE
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Die Schweizer EM-Träume gehen 2008 in der «Wasserschlacht von Basel» baden

11. Juni 2008: An der Heim-EM erwarten die Schweizer viel – sehr viel sogar. Den Viertelfinal-Einzug soll es im Minimum geben. Doch stattdessen ist nach zwei Gruppenspielen bereits alles vorbei, nach einem denkwürdigen Spiel gegen die Türkei.
11.06.2023, 00:0109.06.2023, 11:21
Donat Roduner
Donat Roduner
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Die Ausgangslage für die Schweizer Nationalmannschaft könnte definitiv besser sein. Nach der ärgerlichen und enttäuschenden 0:1-Niederlage im Eröffnungsspiel gegen Tschechien heisst der Gegner im zweiten Gruppenspiel Türkei.

Weil die Türken ihr erstes Spiel gegen die Portugiesen verloren haben (0:2) und letztere im Nachmittagsspiel die Tschechen besiegten (3:1), ist für das Team von Trainer Köbi Kuhn klar: Verlieren verboten!

epa01377526 The Swiss soccer players pose with children ahead of the EURO 2008 preliminary round group A match between Switzerland and Turkey at the St. Jakob Park stadium, Basel , Switzerland 11 June ...
Vor dem Spiel ist die Anspannung bei den Schweizern gross. Und man beachte: Bei der Hymne war noch alles trocken.Bild: EPA

Zum sportlichen Aspekt – der aus türkischer Sicht zudem eine Revanche für die WM-Barrage 2005 sein soll – gesellt sich an diesem Abend aber noch ein anderer gewichtiger Faktor. Pünktlich zum Spielbeginn öffnet Petrus über dem St.Jakob-Park sämtliche seiner Schleusen. Auch wenn sich auf dem Spielfeld bald Pfützen bilden, pfeift der slowakische Schiedsrichter Lubos Michel das Spiel pünktlich um 20.45 Uhr an.

Injured Swiss soccer players Alexander Frei, left, and Marco Streller, right, follow the warm-up from the sideline prior to the second match of Group A between Switzerland and Turkey during the Euro 2 ...
Können verletzt nicht mittun: Alex Frei (links, Knie) und Marco Streller (Leiste).Bild: KEYSTONE

Lange Bälle der Schweizer sind das richtige Mittel

Da sowohl die Schweizer wie auch die Türken gewinnen wollen, ja müssen, entsteht trotz des vielen Wassers ein sehr animiertes Duell. Die beiden Teams schenken sich nichts, wobei sich die Einheimischen besser an die Umstände anpassen und vermehrt mit langen Bällen operieren, während sich die von der türkischen Trainer-Ikone Fatih Terim kommandierten Spieler vor allem auf ihre Technik verlassen, obwohl immer weniger an Technik zu denken ist.

Brisanterweise lasten die Schweizer EM-Hoffnungen ausgerechnet auf zwei «Türken». Hakan Yakin und Eren Derdiyok ersetzen in der Offensive die beiden verletzten Alex Frei und Marco Streller – alle vier sind übrigens Basler. Yakin und Derdiyok harmonieren gut.

In der 32. Minute wird Derdiyok mit einem weiten Ball lanciert, er lässt den türkischen Goalie Volkan Demirel aussteigen und passt parallel zur Grundlinie vors Tor. Obwohl der Ball in einer Pfütze stecken bleibt, ist Yakin zur Stelle. Er drückt den Ball über die Linie und erzielt das wichtige erste Schweizer Tor an der EM 2008.

Swiss Eren Derdiyok (R) passes the ball past Turkish goalie Volkan Demirel (on ground) during the EURO 2008 preliminary round group A match between Switzerland and Turkey at the St. Jakob Park stadium ...
Eren Derdiyok umspielt Volkan Demirel und passt zur Mitte auf ...Bild: EPA
Switzerland's Hakan Yakin, right, scores the opening goal, watched by Turkey's Servet Cetin, left, during the second match of Group A between Switzerland and the Republic of Turkey during th ...
... Hakan Yakin, der zum 1:0 verwertet.Bild: KEYSTONE

Krisensitzung in der Pause

Aus Respekt vor seinen türkischen Wurzeln verzichtet Hakan Yakin auf den Jubel, wird von seinen überschwänglichen Kollegen allerdings trotzdem fast erdrückt. Nach dem Tor sind die Schweizer dem 2:0 nahe: Noch vor der Pause findet Derdiyok mit einer schönen Flanke wieder seinen Sturmpartner, doch Yakin verpasst die Grosschance drei Meter vor dem Tor.

Swiss Tranquillo Barnetta, Hakan Yakin and Valon Behrami (from L) celebrate after Yakin's 1-0, during the EURO 2008 preliminary round group A match between Switzerland and Turkey at the St. Jakob ...
Yakins Nicht-Jubel wird von Valon Behrami (rechts) kompensiert.Bild: EPA

Auch wenn der Unterhaltungswert gross ist: Es ist in der ersten Halbzeit ein Spiel am Rande der Regularität. In der Pause wird eine Blitzkonferenz unter den Verantwortlichen einberufen, die vor allem wegen des nun nachlassenden Regens auf Fortführung der Partie entscheiden. Diese Entscheidung ist berechtigt, weil die Drainage im St.Jakob-Park gut funktioniert und weil der Match andernfalls am Folgetag gänzlich hätte nachgeholt werden müssen, was angesichts des gestaffelten Programms zu Komplikationen geführt hätte.

Turans Siegestor in der Nachspielzeit

Die Türken werden im zweiten Umgang bei den besseren Bedingungen tatsächlich stärker und erzielen in der 57. Minute durch Semih Sentürk das 1:1, welches bis in die Nachspielzeit Bestand hat. Auch weil Yakin in der 84. Minute einen verheissungsvollen Konter der Schweizer mit einem zu harmlosen Schuss abschliesst.

Die Wasserschlacht von Basel

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Die Wasserschlacht von Basel (2008) in Bildern
Am 11. Juni 2008 ist im St.Jakob-Park alles angerichtet für ein Fussballfest in Rot.
quelle: epa / paulo cunha
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Im Stadion hat man sich mit dem Unentschieden, das die Situation der Schweizer nicht wesentlich verbessert, abgefunden. Doch in der 93. Minute kommt ein gewisser Arda Turan im Mittelfeld an den Ball. Das 21-jährige Talent von Galatasaray umspielt Stephan Lichtsteiner und zieht aus 20 Metern ab. Der Schuss – Patrick Müller fälscht ihn noch ab, Goalie Diego Benaglio hat keine Chance – trifft die Schweizer mitten ins Herz. 1:2, auf einen Schlag ist alles aus.

Versöhnliches EM-Ende

«Für uns wäre es besser gewesen, wenn es weitergeregnet hätte», sagt ein enttäuschter Ludovic Magnin nach dem Spiel. Trainer Köbi Kuhn sieht es nach der Wasserschlacht weniger eng: «Das Leben geht weiter.» Tut es tatsächlich: Dank dem 2:0-Sieg (Doppeltorschütze Yakin) gegen Gruppensieger Portugal endet das Turnier für die Schweizer immerhin versöhnlich.

Die Türken überstehen nach dem glücklichen Sieg gegen die Eidgenossen nicht nur die Gruppenphase, sie schaffen es sogar in den Halbfinal. Dort unterliegen sie – Ironie des Schicksals – im «Joggeli» (ohne Wolkenbruch) in ähnlich dramatischer Weise Deutschland mit 2:3.

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