1997 tritt Klein-Sebastian erstmals im TV auf. Als Kartfahrer stehen beim 10-Jährigen da schon einige Pokale in der Vitrine und das grosse ZDF kommt mit der Sendung «Turbo Kids» zu Besuch. Eine der Trophäen ist von Michael Schumacher unterschrieben. Ein Vorbild? «Ja, er ist mein grosses Vorbild. Aber ich bin kein Schumacher. Ich bin der Vettel.»
Einige Jahre später gilt «der Vettel» in Deutschland als grosse Nachfolge-Hoffnung des siebenfachen Weltmeisters Michael Schumacher. Wenn einer eines Tages in «Schumis» Fussstapfen treten kann, dann er. 2007 steigt Vettel bereits in die Formel 1 ein, er wird Test- und Ersatzfahrer bei Sauber.
Anfangs Saison darf der 20-Jährige bei den Freitagstestfahrten ans Steuer, doch weil sich die Stammfahrer Robert Kubica und Nick Heidfeld über diese Praxis beschweren, ist diese schöne Möglichkeit ab dem dritten Rennen vorbei.
Vettels Zeit kommt trotzdem bald. Weil sich Robert Kubica verletzt, darf der Heppenheimer am 17. Juni 2007 erstmals an einem Rennen teilnehmen. Mit 19 Jahren und 350 Tagen kurvt er als bis dahin jüngster Fahrer aller Zeiten gleich in die WM-Punkteränge (den Rekord hält mittlerweile Max Verstappen, der mit 17 Jahren erstmals ein Rennen fuhr).
In den nächsten Rennen kommt Vettel nicht mehr zum Einsatz, woraufhin das Nachwuchstalent zu Toro Rosso wechselt und in den letzten sieben Rennen zwar dreimal nicht ins Ziel kommt, aber in Shanghai mit Rang 4 ein Ausrufezeichen setzt.
In der Saison 2008 ist Vettel erstmals Stammfahrer. Nachdem der Deutsche die Zielflagge in den ersten vier Grand-Prix nicht sieht, setzt er danach in Monaco mit Rang 5 ein weiteres Zeichen und überzeugt mit seiner Konstanz. Als das 14. Rennen der Saison in Monza ansteht, konnte Vettel mit den Rängen 6 und 5 zeigen, dass im unterlegenen Toro Rosso eine Platzierung im vorderen Mittelfeld möglich ist. Von einem Sieg wagte aber niemand zu träumen.
Das ändert sich auch nach dem Qualifying von Monza nicht – obwohl sich Vettel mit 21 Jahren und 73 Tagen als jüngster Pole-Mann der Geschichte (den Rekord hält er noch immer) feiern lassen kann. Denn die Bedingungen waren wegen des Regens eigentlich irregulär. Vettel stört dies logischerweise kaum: «Es war immer mein Traum, in der Formel 1 zu fahren. Danach war es mein Traum, die erste Pole Position zu holen und jetzt ist es mein Traum, den ersten Sieg zu holen.»
Regen dominiert zumindest vorerst auch den Renntag. Wegen Nieselregen erfolgt der Start hinter dem Safety Car. Vettel wählt trotzdem ein Setup für eher trockene Verhältnisse: «Wir hatten die Eier, es zu machen. Wir sind von einer etwas trockeneren Strecke ausgegangen und haben den Abtrieb entsprechend angepasst», gibt er später an der Pressekonferenz zu Protokoll.
Denn obwohl es praktisch während dem ganzen Rennen immer wieder heisst, dass die nächsten Regenschauer im Anzug seien, bleibt es mehrheitlich trocken. Lewis Hamilton beispielsweise verspekuliert sich total und vergibt den möglichen Sieg an den Boxen.
Vettel hingegen legt einen Start-Ziel-Sieg auf den Asphalt. Zwölf Sekunden nimmt er am Ende dem zweitplatzierten Heikki Kovalainen ab, Dritter wird Kubica. «Das ist der beste Tag in meinem Leben. Unvorstellbar, grossartig», jubelt Vettel. Während das Qualifying noch ein glückliches Resultat war, sind sich nach dem Rennen alle einig: Beste Strategie, keine Fehler – Vettel ist der verdiente Sieger.
Toro-Rosso-Teamchef Gerhard Berger sieht historische Dimensionen hinter dem Rekordsieg: «Nach 20 Jahren wieder ein Sieg in Monza. Fantastisch.» Er prophezeit dem Jüngling «mehrere WM-Titel». Michael Schumacher lobt seinen prädestinierten Nachfolger ebenfalls in den höchsten Tönen: «Es war ziemlich viel Chaos, aber einen hat das ganze irgendwie überhaupt nicht gestört. Der hat da vorne seine Runden gedreht, und das hat er absolut bravourös gemacht. Es war schön anzuschauen.»
Die Karriere von Vettel ist richtig lanciert. In der WM-Wertung schliesst er auf Rang 8 ab. 2009 steigt das Talent zu Red Bull auf und wird Vizeweltmeister hinter Jenson Button. Ab 2010 reiht der Wahlschweizer mit Wohnsitz in Ellighausen am Bodensee vier WM-Titel hintereinander. Auch wenn er danach weder im Ferrari (2015 bis 2020) noch im Aston Martin, in dem seine Karriere in dieser Saison zu Ende gehen wird, einen weiteren Sieg folgen liess, wird sein Name nicht so schnell vergessen werden. Er hat's ja selbst schon früh gesagt: «Ich bin kein Schumacher. Ich bin der Vettel.»