Die Szene ist so absurd, dass man sie kaum glauben mag. Stuttgart holt in Mainz bloss ein 1:1 und weil Jens Lehmann kurz vor dem Abpfiff nach einer Tätlichkeit vom Platz fliegt, ist der VfB-Keeper richtig, richtig schlecht gelaunt.
Da Lehmann schon oft als Bad Boy aufgefallen ist, stellt ihn ein Fan zur Rede. Auf dem Weg zum Mannschafts-Bus fragt dieser: «Geht's einmal normal, Herr Lehmann?»
Wortlos greift sich der Torhüter daraufhin die Brille des verdutzten Fans und macht sich vom Acker. Erst nach mehrfacher Bitte, ihm die Brille zurückzugeben, reicht Lehmann sie weiter.
Danach steigt der 40-Jährige zunächst in den Mannschaftsbus, ehe er diesen wieder verlässt und sich von einem Taxi an den Flughafen bringen zu lassen. Umgehend fliegt Lehmann nach München, in dessen Nähe er zuhause ist. Mit dem Lufthansa-Flug LH 982, wie die «Bild» weiss.
Die 250 Kilometer vom Starnberger See nach Stuttgart legt er fürs Training auch schon mal mit dem Helikopter zurück, was wenig zu einer Besserung seines angekratzten Images beiträgt.
Stuttgarts Trainer ist zu dieser Zeit Christian Gross. Der Zürcher will nicht gross auf Lehmanns Platzverweis eingehen, sagt lediglich, dass die Szene – eine Tätlichkeit gegen Aristide Bancé – unnötig gewesen sei. Und: «Ich kenne den Fussballer Lehmann recht gut, aber den Menschen Lehmann recht wenig.»
Nach der Roten Karte und dem Eklat mit der Brille wird die Frage aufgeworfen, ob es Jens Lehmanns letzter Einsatz für den VfB war. Trainer Gross beantwortet sie, indem er dem deutschen Helden der WM 2006 nach der Rotsperre wieder sein Vertrauen schenkt.
Stuttgart beendet die Saison auf Rang 6, besser sind die Schwaben seither nie mehr gewesen. Und angesichts des zwischenzeitlichen Daseins in der 2. Bundesliga ist längst weit, weit weg, was noch im Februar 2010 Tatsache ist: Der VfB mit Lehmann im Tor und Gross an der Linie holt im Achtelfinal der Champions League ein Heimremis gegen Barcelona, ehe er im Rückspiel sang- und klanglos 0:4 untergeht.
Aufgrund meines Alters konnte ich damals Lehmann nie richtig einschätzen, da eindeutig TEAM Titan Kahn.
Das mit dem Zettel bleibt aber auf Ewig Fussball Geschichte.