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Glasgow verwechselt die Flaggen und brüskiert Nordkoreas Fussball-Nati

Die Spielerinnen Kolumbiens und Nordkoreas – kurz vor der verhängnisvollen Stadionanzeige. 
Die Spielerinnen Kolumbiens und Nordkoreas – kurz vor der verhängnisvollen Stadionanzeige. 
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Glasgow verwechselt die Landesflaggen und brüskiert Nordkoreas Fussball-Nati

25. Juli 2012: Die Frauen-Fussballnationalmannschaft Nordkoreas boykottiert vorübergehend ihr Olympia-Auftaktspiel, weil auf der Anzeigetafel die falsche Flagge eingeblendet wurde.
25.07.2017, 00:0525.07.2017, 09:25
jonatan schäfer
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Noch vor der grossen Eröffnungsfeier kommt es an den Olympischen Sommerspielen 2012 zum ersten Eklat. Die «Times» bezeichnet es als «Schande», Premierminister David Cameron spricht von einem «echten Fehler». Doch was ist passiert? 

Nordkoreas Frauen-Fussballnationalmannschaft trifft zum Auftakt des Olympischen Turniers in Glasgow auf Kolumbien. Bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellungen wird jedoch anstelle der nordkoreanischen Flagge ausgerechnet diejenige des verfeindeten Nachbarstaates Südkorea auf der grossen Anzeigetafel eingeblendet.

Neben den nordkoreanischen Spielerinnen wird die Flagge Südkoreas angezeigt.
Neben den nordkoreanischen Spielerinnen wird die Flagge Südkoreas angezeigt.

Eine Lappalie, möchte man sagen. Ein Vorfall, den die meisten Athletinnen der meisten Länder mit mit einem müden Lächeln abtun würden. Nicht so die Nordkoreanerinnen. Die Mannschaft verlässt geschlossen das Spielfeld und zieht sich in die Kabine zurück. Erst nach langer Verhandlung und einer Entschuldigung seitens der Organisatoren erklären sich die Nordkoreanerinnen bereit, das Spiel dennoch zu bestreiten. 

Die Nordkoreanerinnen ziehen sich in die Kabine zurück.
Die Nordkoreanerinnen ziehen sich in die Kabine zurück.

Mit über einer Stunde Verspätung wird die Partie doch noch ausgetragen – Nordkorea gewinnt mit 2:0. Es bleibt der einzige Erfolg an in London: Nach Niederlagen gegen Frankreich (0:5) und die USA (0:1) scheiden die Nordkoreanerinnen wie schon im Jahr 2008 bereits in der Vorrunde aus.

Der Nachhall des unrühmlichen Vorfalls ist jedoch gross. Während Jacques Rogge, Präsident des IOC, und Premierminister David Cameron nach dem «unglücklichen Vorfall» und «ernsthaften, aber menschlichen Fehler ohne politische Note» besänftigende Töne anschlagen, sehen die Nordkoreaner hinter der Flaggenverwechslung eine politisch motivierte Aktion. Denn die Nachbarländer Nord- und Südkorea befinden sich 64 Jahre nach dem Ende des militärischen Konfliktes, der zur Teilung der koreanischen Halbinsel führte, offiziell noch immer im Kriegszustand. 

Wir waren wütend, weil unsere Spielerinnen präsentiert wurden als seien sie Südkoreanerinnen. Das ist eine Sache, die uns sehr nahe geht. Der Sieg kann das nicht vergessen machen.
Nordkoreas Trainer Sin Ui Gun

Die altehrwürdige «Times» schreibt von einer «Schande» und sieht im Flaggenvorfall einen Missbrauch der Olympischen Spiele für «Beleidigungen, Nationalstolz und Realpolitik.» Mit deutlich mehr Humor reagiert die «Daily Telegraph». Unter dem Titel «Lasst die Spiele beginnen... es sei denn, man hisst die falsche Flagge für Nordkorea» wird mit einem Augenzwinkern der schottische Staatssekretär Michael Moore zitiert, der im Vorfeld des Turniers meinte: «Der olympische Austragungsort Glasgow ist unsere Chance, der Welt zu zeigen, wozu wir als Nation fähig sind.»

Die Flaggen des (Nicht-)Anstosses: Südkorea ...
Die Flaggen des (Nicht-)Anstosses: Südkorea ...
... und Nordkorea.
... und Nordkorea.

Bald jedoch werden die negativen Schlagzeilen durch Erfolgsmeldungen ersetzt: Die nordkoreanische Delegation gewinnt vier Goldmedaillen und verdoppelt somit im Vergleich zu den Olympischen Spielen 2008 die Ausbeute. Im Medaillenspiegel klassiert sich das kleine Nordkorea auf dem beachtenswerten 21. Rang. 

Auch an den Olympischen Spielen 2016 in Rio gerät das Verhältnis der beiden Staaten wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Südkoreanerin Lee Eun-ju und die Nordkoreanerin Hong Un-jong posieren gemeinsam vor der Kamera und zeigen damit auf, dass der Sport politische Rivalitäten überschreiten kann.

Dieser Meinung ist auch Südkoreas kürzlich gewählter Präsident Moon Jae-in. Anlässlich der Olympischen Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang hat Jae-in den nördlichen Nachbarn dazu eingeladen, mit einer nordkoreanischen Delegation teilzunehmen. Denn er glaube – so Jae-in – an die Kraft des Sports, Frieden zu bringen.

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