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Warum Chinas Parteibosse auf «House of Cards» abfahren

Warum Chinas Parteibosse auf «House of Cards» abfahren

Bild: AP Netflix
Machtspiele
Die US-Kultserie mit Kevin Spacey hat Fans bei den Kadern der Kommunistischen Partei Chinas – aber auch im Weissen Haus.
14.03.2014, 07:4923.06.2014, 14:51
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Wang Qishan war einst stellvertretender Finanzminister. Heute ist er zuständig für die Disziplin im ständigen Ausschuss der kommunistischen Partei Chinas, dem innersten Machtzirkel der politischen Elite.

Kürzlich hat die «Financial Times» berichtet, Wang sei ein grosser Fan der US-Politserie «House of Cards». Er soll derart fasziniert von dieser Serie sein, dass er seine Angestellten aufgefordert habe herauszufinden, wann endlich die Fortsetzung erscheinen werde. 

Inzwischen wird Wang die zweite Staffel von «House of Cards» bereits verschlungen haben. Sie wurde vom Streaming-Anbieter Netflix vor Wochen publiziert und zeigt die Politik von ihrer hässlichsten Seite.

Die Hauptfigur Frank Underwood, mittlerweile zum US-Vizepräsidenten aufgestiegen, seine eiskalte und attraktive Frau Claire sowie sein loyaler Stabschef Doug Stamper, sind mehr als gelehrige Schüler von Niccolò Macchiavelli. Intrigen und Korruption sind alltäglich, in speziellen Fällen wird auch vor Mord nicht zurückgeschreckt. 

Die Machtspiele wirken äusserst plausibel

Die Faszination der Serie erklärt sich nicht allein aus der brillianten schauspielerischen Leistung von Spacey & Co. Die Machtspiele wirken äusserst plausibel. Davon fühlt sich offenbar auch die Elite im Reich der Mitte angesprochen. Wie die Affäre um Bo Xilai gezeigt hat, sind Intrigen und selbst Morde im engeren Machtkreis der Kommunistischen Partei Chinas nicht unbekannt. 

Der ehemalige Parteichef der Stadt Chongqing und seine Frau sind deswegen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Beide waren so genannte Prinzlinge, Kinder von Mitgliedern des engen Zirkels um den Grossen Vorsitzenden Mao. 

Chinas Probleme einer Supermacht

Bo Xilai war kein Einzelfall. Mit dem Aufstieg zur Supermacht bekommt China zunehmend auch die Probleme einer solchen. Nach 30 Jahren ungebremstem Wirtschaftswunder zeigen sich vermehrt die Schattenseiten des Riesenreichs. Der Wirtschaftsmotor ist ins Stottern geraten, die Aktivitäten in der Industrie befanden sich im vergangenen Februar auf dem tiefsten Punkt seit sieben Monaten. 

Chinas Währung, der Renminbi, verlor erstmals seit langem wieder an Wert. Am nationalen Volkskongress letzte Woche gab Chinas Premierminister Li Keqiang ein neues Wachstumsziel von 7,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts bekannt. Für chinesische Verhältnisse ist dies bescheiden. 

Entsteht in China die Mutter aller Immobilienblasen?

Die enttäuschenden Wirtschaftszahlen und der schwache Renminbi haben neue Befürchtungen geweckt: Fällt China in die «Falle der mittleren Einkommen»?

Darunter versteht man folgendes Phänomen: Wenn ein Schwellenland sich mit billigen Exporten einen gewissen Wohlstand erarbeitet hat, muss es seine Wirtschaft umstellen und mehr auf die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung ausrichten. Diese Neuausrichtung auf den Binnenmarkt ist eine heikle Angelegenheit, an der viele ehemaligen Hoffnungsträger gescheitert sind. Mexiko ist ein bekanntes Opfer der «Falle der mittleren Einkommen». 

Auch China scheint sich mit der Umstellung schwer zu tun. Die Grosse Rezession der Weltwirtschaft nach 2008 konnte nur dank einem massiven Konjunkturprogramm vermieden werden. Strassen, neue Eisenbahnlinien und Flughäfen wurden im grossen Stil aus dem Boden gestampft. Vor allem erlebte China einen gewaltigen Hochbauboom. Es mehren sich die Stimmen, die von der Mutter aller Immobilienblasen warnen. 

Der Himmel ist hoch – und die Partei weit weg

Chinas Wirtschaftswunder hat gewaltige Umweltprobleme verursacht. Die Parteiführung in Peking verspricht zwar immer wieder Ökologie und nachhaltige Entwicklung. Sie kann sich in den Provinzen offenbar nicht damit durchsetzen. Auch im modernen China gilt die alte Losung: «Der Himmel ist hoch und der Kaiser weit weg».

Kürzlich wurde bekannt, dass die meisten chinesischen Städte die gesetzten Umweltziele weit verfehlt haben. Die Folgen sind drastisch. Bei der «Aircalypse» der letzten Woche sind etwa in Peking die gesetzlich vorgeschriebenen Feinstaubwerte bis zu 50 Mal überschritten worden. Die Wut der Menschen gegen diese Zustände steigt rapide. 

Kulturkampf im Innern fordert Tote

Politisch wird China von den Sorgen einer Supermacht eingeholt. Im Innern hat der «Clash of Civilizations», der Kulturkampf mit dem Islam, kürzlich in Kunming 33 Todesopfer gefordert. Angehörige einer ethnischen Minderheit, den Uiguren, haben wahllos Menschen mit Messern und Beilen niedergemetzelt. 

Die Sunni-Muslime wollten damit auf ihre Situation in der Provinz Xinjiang aufmerksam machen, wo sie sich von den Han-Chinesen unterdrückt fühlen. Aussenpolitisch gerät China zunehmend auf Kollisionskurs mit dem Erzfeind Japan und damit indirekt auch mit den USA. 

Der Präsident mag den Mafia-Klassiker

Chinas Parteibosse haben also allen Grund, sich nach Vorbildern in Hollywood umzuschauen. Sie tun es auch. Präsident Xi Jinping soll ein grosser Fan des Mafia-Klassikers «Godfather» sein. Trendbewusst setzten die jüngeren Parteimanager auf die angesagten Kultserien. Dabei befinden sie sich in bester Gesellschaft. Auch US-Präsident Barack Obama hat sich als «House of Cards»-Fan geoutet.  

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