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Hochzeit geplatzt: Warum die Multis kein Geld mehr verdienen

The Kraft Heinz booth in the exhibit hall at the Berkshire Hathaway Annual Shareholders Meeting at the CenturyLink Center in Omaha, Nebraska, U.S. April 30, 2016. REUTERS/Ryan Henriksen
Kraft-Heinz-Produkte an einer Food-Ausstellung in Omaha (Bundesstaat Nebraska).

Elefantenhochzeit geplatzt: Warum die Multis kein Geld mehr verdienen

Nicht Liebe, sondern schwindende Gewinnmargen treiben Konzerne wie Kraft Heinz zu Megafusionen an.
20.02.2017, 16:1121.02.2017, 04:17
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Es hätte die Hochzeit des Jahrzehnts werden sollen: 143 Milliarden Dollar wollte Kraft Heinz für Unilever hinblättern. Hätte es geklappt, dann wären Dutzende der bekanntesten Food- und Kosmetikmarken unter einem Dach vereinigt worden. Auch wenn die Elefantenhochzeit nun geplatzt ist, wird das Werben weitergehen. Kraft Heinz soll bereits dem Flockenhersteller Kellogg Avancen machen.  

«In den letzten fünf Jahren sind die Profite der Multis um 25 Prozent gefallen.»
Economist

Nicht weil es den Managern langweilig wäre, schauen sie sich nach Fusionspartnern um. Sie haben ein massives Gewinnmargenproblem, gerade im Foodbereich und im Detailhandel. Wal-Mart, der grösste Retailer und lange auch das wertvollste Unternehmen der Welt, will nicht mehr recht auf Touren kommen. Ende 2016 hat Warren Buffett sein Aktienpaket im Wert von 900 Millionen Dollar abgestossen, weil er glaubt, dass Amazon langsam Wal-Mart das Wasser abgraben wird.  

Ein neuer muss bei Nestlé für frischen Wind sorgen

Pepsi und Coca Cola, McDonald’s und Kentucky Fried Chicken klagen über den Verlust von Marktanteilen und rückläufige Gewinne. Auch Nestlé hat mit Ulf Mark Schneider erstmals einen Aussenseiter zum CEO erhoben, weil man sich von ihm neue Impulsen und höhere Gewinne verspricht. Die Multis, jahrzehntelang das Symbol wirtschaftlicher Potenz, verlieren an Glanz.

A customer walks out of a KFC store in downtown Shanghai July 31, 2014. A food safety scare in China is testing local consumers' loyalty to foreign fast-food brands, including McDonald's Cor ...
Hat das China-Geschäft verkauft: Kentucky Fried Chicken.Bild: X90035

In den Neunzigerjahren fanden die Multis eine ideale Welt vor. Der Kalte Krieg war vorbei, China begann sich aktiv am Welthandel zu beteiligen und der neoliberale Zeitgeist liess Zollschranken und Steuersätze purzeln. Die Spitzenmanager der Multis wurden so zu den neuen Masters of the Universe. Man traf sich jährlich am Wef in Davos und hörte sich kluge Vorträge über das Ende des Nationalstaates an.  

In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft entstand eine weltweite Supply Chain mit einer neuen Form der Arbeitsteilung: Die Entwicklungsländer liefern Rohstoffe, die Schwellenländer Arbeitskräfte und die Industrieländer Knowhow und Kapital. Der «Economist» hat dieses Geschäftsmodell kürzlich wie folgt beschrieben: «Es handelt sich um globale Firmen, die von globalen Managern geleitet werden und globalen Aktionären gehören, und die globale Produkte an globale Kunden verkaufen.»  

«Die Vernarrtheit in globale Konzerne wird als ein Kapitel in der Wirtschaftsgeschichte betrachtet werden, nicht als ihr Ende.»
Economist

Dieses Geschäftsmodell scheint seinen Zenit überschritten zu haben. Die Gewinnmargen der Multis schrumpfen. «In den letzten fünf Jahren sind die Profite der Multis um 25 Prozent gefallen», stellt der «Economist» fest. «Die Eigenkapitalrendite ist auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten gesunken.»

Die ehemaligen Zulieferer werden zu Konkurrenten

Verschiedene Gründe haben zu dieser Entwicklung geführt. Zum einen sind die Löhne in Ländern wie China massiv angestiegen. Zudem haben die ehemaligen Lehrlinge emanzipiert. Die Chinesen sind nicht mehr länger bereit, die Drecksarbeit für einen Schundlohn zu leisten, sie stossen immer weiter in den Hi-Tech-Bereich vor. Unternehmen wie Huawei oder Lenovo werden zu ernsthaften Konkurrenten auf dem Weltmarkt.  

A container ship arrives at a loading terminal during a media tour at the annual news conference of the Hamburg harbour in Hamburg, Germany February 15, 2017. REUTERS/Fabian Bimmer
Das Containerschiff ist zum Sinnbild der globalen Supply Chain geworden.Bild: FABIAN BIMMER/REUTERS

Die Klimaerwärmung wird endlich Ernst genommen und damit auch das Bewusstsein, dass es ökologisch fragwürdig ist, Güter zehntausende von Kilometern zu transportieren, bevor sie zum Endverbraucher gelangen. Neue Technologien wie 3D-Printer machen es zudem möglich, lokal wettbewerbsfähig zu produzieren.  

Comeback des Nationalstaates

Der grösste Widerstand ist politischer Natur. Der Nationalstaat denkt nicht daran, unterzugehen. Im Gegenteil: Wir erleben ein massives Comeback des Nationalismus. Die Folge ist ein wachsender Protektionismus, der die globale Supply Chain grundsätzlich in Frage stellt. Das gilt nicht nur für US-Unternehmen, die von Donald Trump mit Twitter-Botschaften angehalten werden, keine Arbeitsplätze ins Ausland mehr zu verlegen. Auch in Europa entdecken Konzerne wie Siemens wieder den Reiz des einheimischen Schaffens.  

ARCHIVBILD ZUR BEKANNTGABE DES 4. QUARTALSERGEBNISSES VON MC DONALDS, AM MONTAG, 23. JANUAR 2017 - Le fast-food MCDonalds, a l'interieur du restoroute "La Rose de la Broye" sur l'a ...
Mega-out: McDonald's.Bild: KEYSTONE

Kommt dazu, dass auch der Widerstand gegen Steuerhinterziehung massiv gewachsen ist. Auch wenn es im ersten Anlauf nicht geklappt hat wird die Schweiz ihre  Holdingprivilegien für ausländische Unternehmen aufgeben müssen. In den USA ist der Trick, sich aus Steuergründen mit einem ausländischen Unternehmen zu vermählen, unterbunden worden, und die EU hat Apple zu 13 Milliarden Dollar Nachsteuern verknurrt.  

Die Multis haben den Zenit überschritten

Schliesslich entsprechen die Multis auch nicht mehr dem Zeitgeist, gerade im Nahrungsbereich. Die Vorstellung, dass man rund um den Globus das gleiche Convenience und Fastfood isst, ist heute absurd geworden. Der Trend geht hin zu frischen und regionalen Lebensmitteln.  

Die Multis werden nicht untergehen. Einige von ihnen werden nach wie vor weit überdurchschnittliche Gewinnraten erzielen. Derzeit sind dies vor allem die IT-Giganten wie Apple, Google & Co. Doch die Blütezeit der Multis ist wahrscheinlich vorbei. «Die Vernarrtheit in globale Konzerne wird als ein Kapitel in der Wirtschaftsgeschichte betrachtet werden, nicht als ihr Ende», sinniert der «Economist» bereits.

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sloping
20.02.2017 16:50registriert Oktober 2014
Megafusionen haben sich historisch betrachtet höchst selten als erfolgreich erwiesen. Das Märchen der (kurzfristigen) Kosteneinsparungen durch Synergie- und Skaleneffekte wird an den elitären Business Schools noch fleissig weiter gepredigt. Die Realität sieht anders aus: In den meisten Fällen werden nach einigen Jahren massive Abschreibungen für die getätigten Fusionen notwendig. Megafusionen sehe ich als letzten verzweifelten Hilfeschrei des Topmanagements, um die vorgegebenen Renditen und somit ihre Boni mindestens kurzfristig zu erreichen. Langfristig zahlt sich dies meistens nicht aus.
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inquisitio
20.02.2017 16:37registriert November 2016
Gut geschrieben, gut erkannt. Was für ein Happy End für die Menschhheit.
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Posersalami
20.02.2017 18:11registriert September 2016
"Doch die Blütezeit der Multis ist wahrscheinlich vorbei. "
Ich glaube kaum, dass man alle Multis in einen Topf werfen kann. Wallmart, Amazon, Shell, Simens, Nestle oder VW kann man doch nicht wirklich vergleichen. Es wird Multis geben die sich dem Konkurrenzdruck beugen müssen und kleiner werden, andere werden grösser und ich bin mir sicher, dass bald neue Multis entstehen werden. Wieder andere werden in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wie zB. Nokia.

Ich sehe übrigens zudem nicht, was so schlimm sein soll wenn wieder mehr regional produziert wird. Die Umwelt wird es uns danken.
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