Die Financial Times hat kürzlich eine weltweite Bestandesaufnahme in Sachen nachhaltiger Energie veröffentlicht. Das Resultat ist genauso überraschend wie erfreulich:
Diese Frage ist berechtigt und lässt sich mit soliden Fakten unterfüttern: Letztes Jahr hat die Kapazität der erneuerbaren Energie weltweit erneut um neun Prozent zugenommen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat sich das Wachstum vervierfacht. Mehr als die Hälfte der neu zugebauten Energie entfällt heute auf nachhaltige Energie.
Auch die Verkäufe von Elektroautos übertreffen alle Erwartungen. 2016 haben sie erneut um 42 Prozent zugenommen. In Manhattan gibt es bereits mehr Aufladestationen für Elektroautos als konventionelle Tankstellen.
Die Entwicklung hat auch die traditionellen Ölmultis aufgeschreckt. Von Saudi Aramco über BP bis zu Shell überlegen sich alle, wie sie am Geschäft mit der erneuerbaren Energie teilhaben können. Isabelle Kocher, CEO des französischen Energiekonzerns Engie, spricht gar von einer «neuen industriellen Revolution», die einen «umfassenden Wandel unseres Lebensstils» zur Folge haben wird.
Ehre, wem Ehre gebührt. Die «Financial Times» sagt denn auch klar und deutlich: Danke, Deutschland.
Von dieser Pionierarbeit profitiert heute die ganze Welt. In Chile lösen Solar- und Windkraftwerke traditionelle Kohlekraftwerke ab. Australien hat eine geplante 200-Millionen-Dollar-Investition in eine Flüssiggasanlage abgeblasen, weil sie sich nicht mehr rechnet.
In den USA beschäftigt die Solarindustrie inzwischen doppelt so viele Angestellte wie die Kohlenindustrie. Brian Marrs, Chefstratege bei NRG, dem zweitgrössten Energieproduzenten, erklärt denn auch: «Was wir jetzt in den USA erleben, ist das Resultat einer Postkarte aus Deutschland, die es endlich auch über den Atlantik geschafft hat.»
Deutschland hat die grüne Energierevolution angestossen. Weitergeführt wird sie von China und Indien. Angesichts der dramatischen Luftverschmutzung in ihren Städten setzen beide konsequent auf Solar- und Windenergie. Davon profitieren wir auch im Westen. Die Kosten für Solarpanels sind inzwischen so weit gesunken, dass sich die leidige Subventionsfrage bald erledigen wird. Simon Virley von KPMG glaubt: «Eine subventionsfreie Zukunft ist dank neuen Technologien in greifbare Nähe gerückt.»
Nicht nur in Solar- und Windanlagen wird massiv investiert, sondern auch in gigantische Batteriefabriken. Tesla hat zusammen mit Panasonic in der Wüste von Nevada eine Gigafabrik aus dem Boden gestampft, die bei vollem Ausbau mehr Batterien produzieren wird als dies weltweit 2013 der Fall war.
Es ist nur eine von mindestens 14 Giga-Batteriefabriken, die derzeit gebaut oder geplant werden. Sie werden das traditionelle Stromnetz verändern. «In Zukunft werden alle Häuser ihre eigene Energie produzieren und das Stromnetz wird nur noch von der Wirtschaft gebraucht werden», sagt Hiroichi Yoshida vom japanischen Energiekonzern Eliiy Power.
Alles im grünen Bereich also? Nicht ganz. «Das fossile Imperium schlägt zurück», sagt die deutsche Energieökonomin Claudia Kemfert in ihrem gleichnamigen Buch. Sie gehört zu den führenden Energiefachleuten, arbeitet beim Deutschen Institut für Wirtschaftswissenschaften und ist nicht Mitglied der Grünen, sondern der CDU.
In einem Interview mit der «Deutschen Welle» warnt Kemfert vor einem Backlash gegen die Energiewende. Mit einer von der fossilen Industrie gesponserten PR-Kampagne soll die nachhaltige Energie mit Fake News verunglimpft werden.
«Es wird solange das Lied vom teuren Ökostrom gesungen, bis man den Ohrwurm nicht mehr aus dem Kopf kriegt», so Kemfert. «Dabei wird bewusst mit zweierlei Mass informiert: Man spricht ständig über Subventionen von erneuerbaren Energien, aber über die weitaus höheren Subventionen für fossile Energien spricht man nicht.»
Obwohl inzwischen auch die betriebswirtschaftliche Betrachtung für die erneuerbaren Energien spricht, ist der Kampf noch keineswegs entschieden. Im Gegenteil. «Wir werden diesen Kampf der fossilen Industrien gegen die Energiewende in den nächsten Jahren weiter erleben, und er wird noch aggressiver werden», so Kemfert.
Im Vorfeld der Abstimmung über das neue Energiegesetz haben wir in der Schweiz einen Vorgeschmack davon bekommen. Mit Fake News wie 3200 Franken Mehrkosten und Panikmache wie angeblich kalte Duschen haben die Gegner dieser Vorlage eine üble Schmutzkampagne durchgeführt.
Wir weit sich nachhaltige Energie bereits durchgesetzt hat, zeigt folgendes Beispiel: Das Kentucky Coal Mining Museum in Benham hat auf Solarstrom umgesattelt. Direktor Brandon Robinson begründet dies wie folgt: «Wir werden so jährlich zwischen 8000 und 10'000 Dollar sparen.»