Wirtschaft
Christoph Blocher

Warum der Avenir-Suisse-Vorschlag an Blocher scheitern wird

Bild: KEYSTONE
MASSENZUWANDERUNG

Warum der Avenir-Suisse-Vorschlag an Blocher scheitern wird

Die wirtschaftsnahe Denkfabrik setzt auf wirtschaftliche Vernunft und bilaterale Verträge. Die Hardliner der SVP wollen Konfrontation mit Brüssel und das Ende der Personenfreizügigkeit.
28.02.2014, 14:3623.06.2014, 14:54
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Wir Schweizer seien schizophren, glaubt Patrik Schellenbauer, Projektleiter beim wirtschaftsnahen Think-Tank Avenir Suisse. «Auf der einen Seite geben wir uns alle Mühe, das wirtschaftlich wettbewerbsfähigste und attraktivste Land der Welt zu sein. Auf der anderen beklagen wir uns darüber, dass deswegen alle zu uns wollen.» Diese Schizophrenie – so die Analyse der Denkfabrik – ist der Grund für das überraschende Ja vom 9. Februar. Nicht Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit haben der SVP zum Erfolg verholfen, sondern der Überdruss an zu viel und raschem Wachstum. 

Die Umsetzung der Forderungen der Masseneinwanderungsinitiative liegt daher gemäss den Vorstellungen von Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz nicht in harten Neuverhandlungen mit Brüssel, sondern bei wachstumshemmenden Reformen im Innern. Die Strategie der Vorschläge des Think-Tanks lautet wie folgt: Die bilateralen Verträge könnten nicht geopfert werden, und es sei illusorisch, von der EU Konzessionen in der Frage der Personenfreizügigkeit zu erwarten. Wenn wir die Massenzuwanderung bremsen wollen, müssen wir den Wirtschaftsstandort Schweiz weniger attraktiv machen. «Das Resultat vom 9. Februar lässt uns keine andere Wahl», so Schwarz. 

Gerhard Schwarz: Wirtschaftsstandort Schweiz weniger attraktiv machen.Bild: KEYSTONE/NZZ/Adrian Baer

Avenir Suisse schluckt eine ganze Krötenfamilie

Mit dieser Selbstbeschränkung will Avenir Suisse erreichen, dass sich bei der Zuwanderung zwischen 2016 und 2025 der jährliche Migrationssaldo zwischen 40'000 und 70'000 zusätzlichen Personen einpendelt. Damit wäre die Hauptforderung der Initianten erfüllt. Erst wenn diese Reformen nicht greifen und weiterhin mehr Zuwanderer kommen, soll zum harten und mit der Personenfreizügigkeit unverträglichen Mittel der Kontingentierung gegriffen werden. «Damit gewinnen wir Zeit», erklärt Schwarz. Verbunden mit diesem Zeitgewinn ist die Hoffnung, dass sich das Problem wie nach der Ölkrise in den 1970er Jahren quasi von selbst erledigt. 

Was die Reformen im Innern betrifft, schluckt Avenir Suisse nicht nur eine Kröte, sondern eine ganze Krötenfamilie. Von der Wirtschaft verlangt sie, dass Frauen und ältere Arbeitnehmer vermehrt integriert werden. Die Kosten für Umschulung und Weiterbildung sollen von der Wirtschaft selbst getragen werden und zwar mit einer freiwilligen Abgabe für die Personalakquisition im Ausland. 

Geradezu revolutionär muten die politischen Forderungen von Avenir Suisse an. Auf Standortförderung soll – ausser in sehr strukturschwachen Gebieten – vollständig verzichtet werden. Vor allem sollen künftig gezielte Steuervergünstigungen für zuziehende Firmen tabu sein. Bei Neueinzonungen von Bauland empfiehlt Avenir Suisse Zurückhaltung, der öffentlichen Verwaltung eine Stellenbremse. Schliesslich setzt sich die Denkfabrik noch für eine Reduktion des Kontingents und die Einschränkung des Familiennachzugs für Drittstaaten ein. Grenzgänger hingegen stellen, weil sie weder Wohnungen noch Infrastruktur brauchen, kein Problem dar. 

Innenpolitisch chancenlos

Der Vorschlag von Avenir Suisse ist ökonomisch gesehen sehr vernünftig. Er würde die Zuwanderung in einem für die Wirtschaft verträglichen Masse bremsen. Gleichzeitig würde damit – zumindest bis auf weiteres – das aussenpolitische Problem mit der EU gelöst. Die bilateralen Verträge wären gerettet, denn das Prinzip der Personenfreizügigkeit wird nicht angetastet. 

Gerade deswegen dürfte der Vorschlag innenpolitisch chancenlos sein. EU-Bashing ist für Blocher & Co. zu einer potenten Waffe geworden, sie wollen sie auf keinen Fall aus der Hand geben. Die SVP-Hardliner werden auf harte Verhandlungen und Zusagen in Richtung Kontingente aus Brüssel beharren. Sonst wird das gleiche Spiel ablaufen wie im Asylbereich: Die nächste Initiative ist bloss eine Frage der Zeit. 

Der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson war Texaner und pflegte eine derbe Sprache. Er pflegte zu sagen, es sei ihm lieber, wenn seine Feinde «inside the tent pisssing out» seien als «outside the tent pissing in». Seit seiner Abwahl aus dem Bundesrat ist Blocher definitiv ausserhalb des politischen Zelts der Schweiz  – und pisst genüsslich hinein. Er wird sich kaum für die Vorschläge von Avenir Suisse erwärmen können. 

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