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Warum wir den Deutschen für die Energiewende dankbar sein müssen

A wind turbine from the JUVENT power plant and solar panels from the solar station of the Mont-Soleil are pictured on the Mont-Soleil in Saint-Imier, Switzerland on Wednesday May 10, 2017. The Swiss p ...
Eine Solaranlage im Waadtländer Jura.Bild: KEYSTONE

Warum wir den Deutschen für die Energiewende dankbar sein müssen

Deutschland hat Solar- und Windstrom massentauglich gemacht. Davon profitiert jetzt die ganze Welt – auch wir Schweizer.
20.05.2017, 10:0821.05.2017, 05:58
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Die Financial Times hat kürzlich eine weltweite Bestandesaufnahme in Sachen nachhaltiger Energie veröffentlicht. Das Resultat ist genauso überraschend wie erfreulich:

«Nach Jahren von Fehlstarts hat der Wechsel zu sauberer Energie Fahrt aufgenommen, und zwar in einem Ausmass, das selbst die meisten Experten überrascht. Selbst die Führer der Öl- und Gasindustrie sehen sich heute gezwungen, einer existenziellen Frage ins Auge zu sehen: Wird das 21. Jahrhundert das letzte sein für fossile Brennstoffe?»

Diese Frage ist berechtigt und lässt sich mit soliden Fakten unterfüttern: Letztes Jahr hat die Kapazität der erneuerbaren Energie weltweit erneut um neun Prozent zugenommen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat sich das Wachstum vervierfacht. Mehr als die Hälfte der neu zugebauten Energie entfällt heute auf nachhaltige Energie.  

«Was wir jetzt in den USA erleben, ist das Resultat einer Postkarte aus Deutschland, die es endlich auch über den Atlantik geschafft hat.»
Brian Marrs

Auch die Verkäufe von Elektroautos übertreffen alle Erwartungen. 2016 haben sie erneut um 42 Prozent zugenommen. In Manhattan gibt es bereits mehr Aufladestationen für Elektroautos als konventionelle Tankstellen.  

Die Entwicklung hat auch die traditionellen Ölmultis aufgeschreckt. Von Saudi Aramco über BP bis zu Shell überlegen sich alle, wie sie am Geschäft mit der erneuerbaren Energie teilhaben können. Isabelle Kocher, CEO des französischen Energiekonzerns Engie, spricht gar von einer «neuen industriellen Revolution», die einen «umfassenden Wandel unseres Lebensstils» zur Folge haben wird.  

Die ganze Welt profitiert von der deutschen Pionierarbeit

Ehre, wem Ehre gebührt. Die «Financial Times» sagt denn auch klar und deutlich: Danke, Deutschland.

«Die Deutschen haben den Stein der grünen Energie mit der Energiewende ins Rollen gebracht. Mit grosszügigen Subventionen haben sie vor 20 Jahren Pionierarbeit geleistet und dafür gesorgt, dass der Anteil der nachhaltigen Energie von neun Prozent im Jahre 2004 auf heute 32 Prozent gestiegen ist.»

Von dieser Pionierarbeit profitiert heute die ganze Welt. In Chile lösen Solar- und Windkraftwerke traditionelle Kohlekraftwerke ab. Australien hat eine geplante 200-Millionen-Dollar-Investition in eine Flüssiggasanlage abgeblasen, weil sie sich nicht mehr rechnet.  

In den USA beschäftigt die Solarindustrie inzwischen doppelt so viele Angestellte wie die Kohlenindustrie. Brian Marrs, Chefstratege bei NRG, dem zweitgrössten Energieproduzenten, erklärt denn auch: «Was wir jetzt in den USA erleben, ist das Resultat einer Postkarte aus Deutschland, die es endlich auch über den Atlantik geschafft hat.»  

«In Zukunft werden alle Häuser ihre eigene Energie produzieren und das Stromnetz wird nur noch von der Wirtschaft gebraucht werden.»
Hiroichi Yoshida

Deutschland hat die grüne Energierevolution angestossen. Weitergeführt wird sie von China und Indien. Angesichts der dramatischen Luftverschmutzung in ihren Städten setzen beide konsequent auf Solar- und Windenergie. Davon profitieren wir auch im Westen. Die Kosten für Solarpanels sind inzwischen so weit gesunken, dass sich die leidige Subventionsfrage bald erledigen wird. Simon Virley von KPMG glaubt: «Eine subventionsfreie Zukunft ist dank neuen Technologien in greifbare Nähe gerückt.»

An overall view of the new Tesla Gigafactory is seen during a media tour Tuesday, July 26, 2016, in Sparks, Nev. It’s Tesla Motors’ biggest bet yet: A massive, $5 billion factory in the Nevada desert  ...
Die Batteriefabrik von Tesla in der Wüste von Nevada.Bild: Rich Pedroncelli/AP/KEYSTONE

Nicht nur in Solar- und Windanlagen wird massiv investiert, sondern auch in gigantische Batteriefabriken. Tesla hat zusammen mit Panasonic in der Wüste von Nevada eine Gigafabrik aus dem Boden gestampft, die bei vollem Ausbau mehr Batterien produzieren wird als dies weltweit 2013 der Fall war.  

Es ist nur eine von mindestens 14 Giga-Batteriefabriken, die derzeit gebaut oder geplant werden. Sie werden das traditionelle Stromnetz verändern. «In Zukunft werden alle Häuser ihre eigene Energie produzieren und das Stromnetz wird nur noch von der Wirtschaft gebraucht werden», sagt Hiroichi Yoshida vom japanischen Energiekonzern Eliiy Power.  

Warnt vor dem fossilen Imperium: Claudia Kemfert.
Warnt vor dem fossilen Imperium: Claudia Kemfert.

Alles im grünen Bereich also? Nicht ganz. «Das fossile Imperium schlägt zurück», sagt die deutsche Energieökonomin Claudia Kemfert in ihrem gleichnamigen Buch. Sie gehört zu den führenden Energiefachleuten, arbeitet beim Deutschen Institut für Wirtschaftswissenschaften und ist nicht Mitglied der Grünen, sondern der CDU.  

«Wir werden diesen Kampf der fossilen Industrien gegen die Energiewende in den nächsten Jahren weiter erleben, und er wird noch aggressiver werden.»
Claudia Kemfert

In einem Interview mit der «Deutschen Welle» warnt Kemfert vor einem Backlash gegen die Energiewende. Mit einer von der fossilen Industrie gesponserten PR-Kampagne soll die nachhaltige Energie mit Fake News verunglimpft werden.  

«Es wird solange das Lied vom teuren Ökostrom gesungen, bis man den Ohrwurm nicht mehr aus dem Kopf kriegt», so Kemfert. «Dabei wird bewusst mit zweierlei Mass informiert: Man spricht ständig über Subventionen von erneuerbaren Energien, aber über die weitaus höheren Subventionen für fossile Energien spricht man nicht.»  

Kohlenmuseum sattelt auf Solarstrom um

Obwohl inzwischen auch die betriebswirtschaftliche Betrachtung für die erneuerbaren Energien spricht, ist der Kampf noch keineswegs entschieden. Im Gegenteil. «Wir werden diesen Kampf der fossilen Industrien gegen die Energiewende in den nächsten Jahren weiter erleben, und er wird noch aggressiver werden», so Kemfert.    

Im Vorfeld der Abstimmung über das neue Energiegesetz haben wir in der Schweiz einen Vorgeschmack davon bekommen. Mit Fake News wie 3200 Franken Mehrkosten und Panikmache wie angeblich kalte Duschen haben die Gegner dieser Vorlage eine üble Schmutzkampagne durchgeführt.  

Wir weit sich nachhaltige Energie bereits durchgesetzt hat, zeigt folgendes Beispiel: Das Kentucky Coal Mining Museum in Benham hat auf Solarstrom umgesattelt. Direktor Brandon Robinson begründet dies wie folgt: «Wir werden so jährlich zwischen 8000 und 10'000 Dollar sparen.»

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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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reaper54
20.05.2017 10:56registriert März 2015
Ja Löpfe wir wissen Sie sind für die Energiewende. Der Einzige vernünftige Satz im ganzen Artikel ist der von Hiroichi Yoshida. Erneuerbare sind ganz lustig für Hausbesitzer, die Wirtschaft allerdings braucht zuverlässige Bandenergie. Dank der Energiestrategie 2050 wird diese im Jahr 2050 von Gaskombiekraftwerken kommen, top 👏🏻. Die Gigafactories und die darin Produzierten liziumionen Akkus sind auch keine Klimafreunde. Aber ja die Meinung zu diesem Thema ist für viele eine Religion, die Wahrtheit wird ignoriert. Anbei noch ein Gruss aus Deutschland, dem Vorreiter.
Warum wir den Deutschen für die Energiewende dankbar sein müssen
Ja Löpfe wir wissen Sie sind für die Energiewende. Der Einzige vernünftige Satz im ganzen Artikel ist der von Hiroichi Yoshida. Er ...
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Stratosurfer
20.05.2017 12:09registriert März 2014
Guter Artikel. Die Energiewende ist unumgänglich und langfristig die einzige brauchbare Lösung. Das einzige Problem sind die aktuell noch nicht genügend vorhandenen Pufferbatterien in den Haushalten. In fünf bis zehn Jahren kommen die Vorteile der Energiewende erst richtig zum Tragen.
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Paraflüger
20.05.2017 14:37registriert Januar 2015
Was ich einfach nicht verstehe ist, weshalb die Befürworter (!) bei einer Annahmen des Gesetzes die Subventionen für den Bau von Kleinwasserkraftwerken komplett streichen wollen. Unter Kleinwasserkraftwerken laufen übrigens alle Anlagen mit einer Leistung bis 10MW. Zum Vergleich: Ein grosses Windrad (Vestas V112; 112m hoch) liefert eine Nennleistung von 3.3 MW Nennleistung. Diese wird in der Schweiz jedoch nur äusserst selten erzielt (juvent.ch). Wahrscheinlich ist also unter den Energiebefürwortern ein Wasserenergiegegner oder ein Windparkbauer.
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