Das Medienecho auf die eingenähten Hilferufe in Primark-Kleidern ist gewaltig. In den sozialen Medien löste das Bekanntwerden der Hilferufe, die angeblich von Näherinnen angebracht worden sein sollen, einen veritablen Shitstorm aus. Dort, wo sonst Waschanleitungen, Informationen über das verwendete Material und Herstellungsland eingenäht sind, fanden verschiedene Kundinnen sonderbare Nachrichten : «Forced to work exhausting hours» oder «Degrading Sweatshop Conditions».
Shoppers find 'sweatshop cries for help' sewn into Primark clothes http://t.co/xmB9OBULlT pic.twitter.com/nNnb1K2FZ1
— ITV News (@itvnews) 25. Juni 2014
Dass der irische Modegigant Primark am Pranger seht, erstaunt nicht. Seit bekannt wurde, dass das Unternehmen Kleidung im Bangladescher Fabrikgebäude Rana Plaza hatte fertigen lassen, das im April 2013 eingestürzt war, steht die Billigmodekette in der Kritik. Damals starben 1129 Menschen. Das ZDF zeigte in einem Beitrag bereits vor geraumer Zeit, wie der Modegigant seine Angestellten ausbeutet.
Zurück zum aktuellen Fall: In einer ersten Reaktion versprach Primark Untersuchungen einzuleiten und publizierte ein entsprechendes Statement via Twitter:
STATEMENT: For the latest update regarding labels found in Primark items please follow this link http://t.co/mFwuxKcM45
— Primark (@Primark) 26. Juni 2014
Dass die Arbeitsbedingungen – besonders in Bangladesch – miserabel sind, ist kein Geheimnis. Ob die Botschaften aber wirklich von Näherinnen angebracht wurden, darf bezweifelt werden. Die Idee könnte den Köpfen hinter der Clean Clothes Campaign (CCC) entsprungen sein, die die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in den Produktionsländern zu lenken versuchen.
Dabei könnte sich die CCC dem «Craftivismus» bedient haben. Im angelsächsischen Raum firmiert der Trend als «Craftivism», eine Verschmelzung von «Craft» – Handwerk – mit «Activism». Eine Kunstform, die zwischen Aktivismus und Handarbeit oszilliert – am besten bekannt durch die bunte Bestrickung und Behäkelung des öffentlichen Raums.
«Craftivisten» achten darauf, keine Billigware zu kaufen, um nicht Ausbeutung und Kinderarbeit zu unterstützen. In Massenproduktion Gefertigtes soll durch selbstgemachte Dinge ersetzt werden. Eine Kritik, die als Gegenökonomie zum globalisierten Wirtschaftsmodell verstanden werden will.
Von der Erklärung von Bern (EvB), die das Kampagnen-Netzwerk in der Schweiz vertritt, lässt sich dazu kein Kommentar entlocken. Auf der Website der CCC ist zum Fall Primark bereits ein Bericht online, in dem (fast allzu schnell) darauf hingewiesen wird, dass die Authentizität der Botschaften zwar nicht nachgewiesen werden könne, die Spekulationen darüber aber nicht davon ablenken sollten, dass die Arbeitsbedingungen für Näherinnen sehr schlecht seien.
Was können Schweizer Konsumenten tun, damit sie nicht in die Billigmode-Falle tappen? Eine von vielen Möglichkeiten sich zu informieren, welche Kleiderhersteller Ihren Angestellten – vor allem Zulieferfirmen stehen hier im Fokus – existenzsichernde Löhne bezahlen und die Menschenrechte einhalten, ist die App «Fair Fashion?» der EvB. Dazu befragte die NGO 18 der bekanntesten Schweizer Modefirmen unter anderem zur Unternehmens-, Einkaufs- und Preispolitik und dem Ermöglichen von gewerkschaftlichen Aktivitäten.
Allerdings wurden aktuelle Lohnniveaus nicht berücksichtigt. Zudem wurden die gesammelten Informationen nicht von unabhängiger Stelle verifiziert. Drei der 18 kontaktierten – Metro Boutique, Tally Weijl und Yendi – haben laut EvB den Fragebogen nicht ausgefüllt. Diese Firmenprofile wurden mittels öffentlich zugänglichen Informationen erstellt.
Wir haben für Sie eine unvollständige Liste mit Schweizer Labels zusammengestellt, die die EvB für die App bewertet hat. Erstes Fazit: Auch bei Schweizer Unternehmen besteht hinsichtlich Arbeitsbedingungen noch viel Luft nach oben.