Wirtschaft
International

Football Leaks: «Fussballer sind moderne Sklaven»

Football Soccer - Real Madrid v Borussia Dortmund - UEFA Champions League - Santiago Bernabeu stadium, Madrid, Spain - 7/12/16 Real Madrid's Cristiano Ronaldo before match. REUTERS/Juan Medina
Cristiano Ronaldo ist eine globale Marke. Eine Tor- und Geldmaschine.Bild: JUAN MEDINA/REUTERS
Interview

Das grösste Datenleck der Sportgeschichte – und mittendrin die St.Galler Kantonalbank

Der «Spiegel» hat 1,9 Terabyte Daten – das entspricht umgerechnet 500'000 Bibeln – von der Enthüllungsplattform Football Leaks erhalten und ausgewertet. Die Ergebnisse sollen den Fussball in seinen Grundpfeilern erschüttern. Ob das wirklich geschehen wird und warum die Schweiz im durch und durch verseuchten Fussballgeschäft eine zentrale Rolle spielt, sagt «Spiegel»-Redaktor Jörg Schmitt im Interview. 
09.12.2016, 08:5122.12.2016, 16:16
Felix Burch
Folge mir
Mehr «Wirtschaft»

So etwas wie Football Leaks gab es noch nie. Die Enthüllungsplattform ist zu einer unvorstellbar grossen Datenmenge gekommen und hat sie dem «Spiegel» zugespielt. Das Ganze ist das grösste Datenleck der Sportgeschichte. Erste Geschichten über Ronaldo und Co., die riesige Mengen von Geld undurchsichtig in der halben Welt herumschieben und so Millionen sparen, sorgten bereits für Furore.

Und das war erst der Anfang. Tröpfchenweise sollen mehr brisante Details über das korrupte Fussballgeschäft veröffentlicht werden. Das verspricht das Investigativ-Team vom «Spiegel». Jörg Schmitt gehört zu diesem Team, das sieben Monate lang recherchiert hat. Für watson nimmt er zu den neun wichtigsten Fakten Stellung: 

Die Steuertricks von Ronaldo, Mourinho & Co.

Im ersten Teil Ihrer Serie heissen die Hauptdarsteller Cristiano Ronaldo und José Mourinho, die für ihre Werbemillionen Briefkastenfirmen in der Karibik benutzen, sowie Mesut Özil. Weshalb gerade die drei?
Jörg Schmitt: Als wir diese gigantische Datenmenge von Football Leaks bekommen haben, hatten wir keine Ahnung, was für Nuggets wir da finden würden. Mit Hilfe unseres angeschafften forensischen Suchprogrammes stellte sich dann im Verlaufe der Recherche immer mehr heraus, was die grossen Themen sind. Und was das Steuerthema betrifft, waren die drei für uns die spannendsten Namen.

Jörg Schmitt
«Spiegel»-Redakteur Jörg Schmitt.bild: zvg 
«Wenn es ums Geld geht, sind wir letztlich immer wieder in der Schweiz. In diesen Kreisen gilt das Schweizer Bankgeheimnis offenbar noch etwas.»
Jörg Schmitt, «Spiegel»-Investigativ-Team.

Die Macht der Spieleragenten

Und? Welches sind die ganz grossen Themen?
Neben den Steuerfragen? Sicher die unerhörte Macht der Spieleragenten. Sie sind die Schlüsselfiguren in diesem kranken Spiel, in dem es fast nur noch ums Geld geht. Den Spielervermittlern widmen wir unseren nächsten Teil der Serie, deshalb kann ich noch nicht alles verraten.

Die Karriere von Cristiano Ronaldo

1 / 37
Die Karriere von Cristiano Ronaldo
2002 stieg Cristiano Ronaldo als 17-Jähriger in den Profifussball ein. In seiner ersten Saison bei Sporting Lissabon erzielte er in 25 Spielen drei Treffer und machte die Scouts aus England aufmerksam. Am Ende der Spielzeit wechselte er zu Manchester United.
quelle: epa lusa / andre kosters
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die Fussballer als Sklaven

Einverstanden. Können Sie uns aber aufzeigen, wie diese Spieleragenten die Fussballer manipulieren? Wissen die Fussballer selber überhaupt, was mit ihrem Geld geschieht? 
Das Problem ist, dass die Fussballer völlig abgeschottet leben in einer Parallelwelt. Sie sind umgeben von einem Stab von Beratern, Anwälten, Steuerberatern, Bankern, Ärzten und eben Spielervermittlern. Diese flüstern ihnen ein, was sie zu tun haben – und was nicht. Die Spieler sind umzingelt von einem Blutsauger-Apparat und an diesem Apparat wollen alle kräftig mitverdienen und tun das auch. Dieser Dunstkreis hat die Kontrolle über die Fussballspieler. Fussballer sind eigentlich moderne Sklaven; mit dem Unterschied, dass man mit ihnen kein Mitleid haben muss, weil sie so viel verdienen. Wer wo wie viel mitverdient, das werden wir in den nächsten Wochen genauer aufzeigen. 

Die Quelle
Wer steckt hinter Football Leaks? Wer hat ein Interesse daran, die Korruption und Steuertricks des Fussballgeschäfts zu enttarnen? «Unser Informant nennt sich ‹John› und er ist unser einziger Kontakt», sagt Jörg Schmitt. «John» rede lediglich mit «Spiegel»-Redaktor Rafael Buschmann. Diesem hat «John» sämtliche Daten übergeben. Er besteht auf persönliche Treffen. Ob und was für ein allfälliges Netzwerk hinter «John» steckt, «wissen wir nicht», sagt Schmitt. «Wir können aber sagen, dass die Informationen aus mehr als einer Quelle stammen im Unterschied zu den Panama-Papers.» Auch ob «John» durch Hacken an seine Informationen gekommen ist, weiss der «Spiegel» nicht. «John» jedenfalls bestreitet das. Das öffentliche Interesse sei aber so oder so gegeben. «John» ist relativ jung und gebürtiger Portugiese. Er sieht sich als Robin Hood des Fussballs und möchte diesen entgiften. (feb)  

Die Verstrickung mit dem organisierten Verbrechen 

Was beleuchten Sie nebst den Spielervermittlern?
Schauen Sie. Ein Geschäft wie der Fussball, der in den letzten Jahren in Europa, was das Geld betrifft, derart explodiert ist, zieht immer auch dubiose Zeitgenossen an. Diesem Thema widmen wir eine grosse Geschichte in unserer Serie. Wir zeigen auf, dass der Profifussball heute vielfach eher dem organisierten Verbrechen ähnelt als einem Ideal des Sports. Die Mafia hat im Fussballgeschäft ihre Hände im Spiel. 

Britain Football Soccer - Manchester United v Arsenal - Premier League - Old Trafford - 19/11/16 Manchester United manager Jose Mourinho reacts after a penalty is not awarded to his team Action Images ...
José Mourinho, Trainer bei Manchester United.Bild: Jason Cairnduff/REUTERS
epa05613238 Mesut Oezil of Arsenal FC celebrates after scoring a goal during the UEFA Champions League Group A soccer match between PFC Ludogorets Razgrad and Arsenal FC at the Vassil Levski Stadium i ...
Mesut Özil zieht die Fäden bei Arsenal. Bild: VASSIL DONEV/EPA/KEYSTONE

Das Geschäft mit den Bildrechten

Das dritte grosse Thema dürfte, wie im ersten Teil der Serie, etwas mit Steuern zu tun haben. Richtig?
Genau. Es geht um Steuern, Steuerverknappung, Offshore-Geschäfte und Bildrechte. Diese Thematiken haben wir in unserem ersten Teil, den wir bereits publiziert haben, behandelt. Ronaldo und Mourinho, so belegen unsere Dokumente, haben alles versucht, um Geld an der Steuer vorbeizuschleusen. Deshalb spielen sie – um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen – die Hauptrollen. Mourinho etwa trat seine Bildrechte an eine Firma ab, die den alleinigen Zweck erfüllte, ihm Millionen an Steuer zu sparen. Mourinho und Ronaldo haben Briefkastenfirmen in der Karibik, die ihnen offenbar dabei helfen sollten nur Bruchteile ihrer Werbemillionen versteuern zu müssen.  

Die unrühmliche Rolle der Schweiz

Die Briefkastenfirmen der Stars sind das eine, die Konten, auf welchem ihr Geld schliesslich landet, das andere. Ist es wirklich so, dass ein grosser Teil der Fussball-Millionen in der Schweiz deponiert ist?
Jorge Mendes ist der erfolgreichste Spielerberater der Gegenwart. Er berät eine Heerschar von Stars; unter ihnen Ronaldo und Mourinho. Und alle Mendes-Leute hatten Konten im Umfeld der St.Galler Kantonalbank. Einige zusätzlich bei der Hyposwiss und bei der Mirabaud. Wenn es ums Geld geht, sind wir letztlich immer wieder in der Schweiz. In diesen Kreisen gilt das Schweizer Bankgeheimnis offenbar noch etwas.

St. Gallens Roy Gelmi nach dem Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen, am Sonntag, 23. Oktober 2016, in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Die St.Galler Kantonalbank ist einer der grossen Sponsoren des FC St.Gallen. Bild: KEYSTONE

Die Folgen für die Spieler 

Womit wir beim Kern des Problems sind. Sind die Machenschaften der Fussballstars überhaupt illegal? Verändert sich etwas durch die Veröffentlichung Ihrer «Spiegel»-Fakten?
Ich bin zwar Jurist, aber kein Staatsanwalt und kein Richter. Ich kann nicht beurteilen, ob das, was die Fussballer gemacht haben, vor dem spanischen Gesetz legal, illegal oder ein Graubereich ist. Es ist aber auffällig, dass alle Mendes-Leute nach derselben Struktur vorgehen und alles Geld über Offshore-Firmen laufen lassen. Wäre also alles so sauber und so unproblematisch, wäre der Aufwand dafür schlicht zu gross. Das würde man nicht tun, die würden es direkt zahlen. Laut unseren Recherchen prüfen die Steuerbehörden jetzt Steuererklärungen von mehreren Profis von Real Madrid. 

Das Team, der Raum, die Recherche 
18,6 Millionen Dokumente hat der «Spiegel» von Football Leaks bekommen. Gemeinsam mit Investigativnetzwerk EIC hat ein siebenköpfiges Team all die Daten durchforstet und ausgewertet. Die Recherche dauerte sieben Monate. Nebst einem forensischen Suchprogramm, mit dem die Datenflut überhaupt erst zu bewältigen war, hat der Medienkonzern am Hauptsitz in Hamburg einen Raum speziell für das Football-Leaks-Projekt eingerichtet. Der Raum ist total abgekapselt. Er hat eine eigene Kommunikation, einen externen Server auf Datenlegern, der nicht mit dem Hausnetz verbunden ist. Nur ganz wenige Redakteure haben Zutritt zum Raum, eine Milchscheibe schützt vor Blicken von aussen. (feb). 
epa05664517 Real Madrid's players observe a minute's silence for the plane crash victims of the Brazilian soccer team Chapecoense before the UEFA Champions League match between Real Madrid a ...
Für einige Spieler von Real Madrid könnten die nächsten Wochen ungemütlich werden. Bild: EPA/EFE

Die Sauerei 

Sind die Leute aus dem Mendes-Umfeld nervös?
Dass sie sich nicht mehr so wohl fühlen, zeigen E-Mails, die wir besitzen. Die Jungs sind hochgradig nervös. Sie wollen keinen zweiten Fall Messi. Ihre Geschäfte können also nicht sauber sein. In Deutschland wären viele der Steuertricksereien so sicher nicht gegangen. Ob es in Madrid geht, wo viele Real-Fans Steuerbeamte sind, das kann ich nicht sagen. Fakt ist, Mourinho und Co. haben alle Steuerschlupflöcher genutzt, die es gibt. Juristisch mag das vielleicht in Ordnung sein. Eine Sauerei ist es dennoch. Wenn so ein Typ wie Ronaldo über alles durchgerechnet einen Steuersatz zwischen fünf und sieben Prozent hat, auf der anderen Seite ein Arbeiter bei Seat einen Steuersatz von 35 Prozent, dann stimmt einfach etwas nicht. 

Was noch kommt?

Sie haben mit Ronaldo angefangen. Wie geht es weiter?
Das war nur der Anfang, das kann ich versichern. Es kommen noch einige grosse Namen.

Federer in den Top 20 und Ronaldo vor Messi: Das sind die reichsten Sportler aller Zeiten

Die Entwicklung der Rekordtransfers im Fussball

1 / 50
Die Entwicklung der Rekordtransfers im Fussball
Nie war mehr Geld im Fussballgeschäft als heute. Dabei fing alles recht bescheiden an:
quelle: getty images europe / philipp schmidli
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
38 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Linus Luchs
09.12.2016 10:53registriert Juli 2014
Ronaldo, Mourinho & Co. nutzen ein System, das von neoliberalen Kreisen nicht für Fussballprofis eingerichtet wurde, aber von Reichen, Superreichen und Konzernen jeder Art genutzt wird. Gerade die Schweiz trägt wesentlich dazu bei, dass diese Möglichkeit der Steuerflucht erhalten bleibt. Es sei erneut darauf hingewiesen: Unsere Bundesräte Schneider-Ammann und Maurer sprechen sich öffentlich für Offshore-Konten aus, ohne Konsequenzen! Steueroasen sind das Krebsgeschwür in der internationalen Staatengemeinschaft, an dem die nicht reiche Bevölkerung immer mehr zu leiden hat.
782
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
09.12.2016 09:32registriert November 2015
Was diese Stars verdienen will und mag ich nicht beurteilen, letztendlich sind des die Menschenmassen die Einen Sportler reich machen und das ist ein sehr sehr weites Thema.
Dass wir aber heute immer noch Instrumente haben die es einem Ronaldo ermöglichen seien Steuersatz auf 6-7% seiner Einnahmen "zu drücken" ist der blanke HOHN. Es zeigt aber auch wie krank ein Ronaldo ist und da nützen auch seine Wohltätigkeitsveranstaltungen und Spenden nichts, ja sie stehen nun erst recht in einem schiefen "Werbelicht" da.
Steuern zahlen + Spenden dann könnte man klatschen.
678
Melden
Zum Kommentar
avatar
Miles Tone
09.12.2016 09:27registriert November 2014
Ich finde, dass man von Fusssball-Profis moralisches Handeln verlangen kann. Egal von wie vielen geldgeilen Säcken sie beeinflusst werden, die wissen ganz genau, was richtig ist und was nicht. Mitleid wäre die falsche Reaktion der Öffentlichkeit. Es geht nicht zuletzt auch darum, künftigen Fussballergenerationen aufzuzeigen, dass sie in einer grossen gesellschaftlichen Verantwortung stehen. Vielleicht wäre es gar nicht mal so schlecht, ein Exempel zu statuieren und sich den einen oder anderen vorzuknüpfen. Denn möglich wäre das bestimmt.
595
Melden
Zum Kommentar
38
Sogar die Boni waren auf Pump: Neue Enthüllungen lassen CS (erneut) schlecht aussehen
Vor einem Jahr ging die Credit Suisse unter, nun werden erneut Details bekannt, die die einstige Schweizer Traditionsbank ganz schlecht aussehen lassen: Sie verteilte Boni an ihre Manager, für die sie gar kein Geld hatte.

Dividenden an Aktionäre und Boni an Manager – obwohl eigentlich für beides kein Geld da war. Das soll die untergegangene Credit Suisse jahrelang so praktiziert haben, wie Recherchen der «SonntagsZeitung» zeigen.

Zur Story