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Kommentar

Zurück zu warmen Bier und schwammigen Fish & Chips

Haben Grund zum Lachen: Der Populistenführer Nigel Farage und ein EU-Gegner.
Haben Grund zum Lachen: Der Populistenführer Nigel Farage und ein EU-Gegner.Bild: FACUNDO ARRIZABALAGA/EPA/KEYSTONE
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Zurück zu lauwarmem Bier und schwammigen Fish & Chips

Hetze, Polemik und Lügen haben sich gelohnt: Die Briten wollen die EU verlassen.
24.06.2016, 06:2624.06.2016, 08:30
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Nichts ist mehr normal, nicht einmal auf der traditionsreichen britischen Insel. Die neue politische Normalität ist das, was die Engländer vor dem Ersten Weltkrieg «Jingoismus» genannt haben, ein übersteigerter Nationalismus, in dem alles erlaubt ist: Polemik, Lügen, Beleidigungen – und wie der tragische Fall der Labour-Abgeordneten Jo Cox gezeigt hat –, selbst Mord.

Erfolg dank Lügen und Hetze: Nigel Farage vor einem Plakat mit Flüchtlingen, die angeblich kurz davor sind, die Insel zu stürmen.
Erfolg dank Lügen und Hetze: Nigel Farage vor einem Plakat mit Flüchtlingen, die angeblich kurz davor sind, die Insel zu stürmen.
Bild: FACUNDO ARRIZABALAGA/EPA/KEYSTONE

Ja, es gab sie einmal, die britische Kultur mit ihrer Gelassenheit, den Gentleman mit seinem Humor und seiner Toleranz. Von Königin Elisabeth I. über Gladstone und Disareli bis hin zu Churchill hat es auch immer wieder überragende politische Köpfe auf der Insel gegeben.  

Vergiftete Schlammschlacht

Die Brexit-Abstimmung jedoch war das pure Gegenteil. Es war keine ernsthafte Debatte über das Für und Wider der EU-Mitgliedschaft. Es war, wie es der «Economist» formuliert, «ein vergifteter Streit darüber, was die Vorzüge einer Vision von Nigel Farage über England sein könnten: Ein England mit lauwarmem Bier, Bowler-Hüten, von Kohlenstaub geschwärzten Gesichtern, Fish and Chips, Hope and Glory.»

Nigel Farage, der Anführer der populistischen Ukip-Partei, heisst der Sieger dieser Schlammschlacht. Wie Donald Trump in den USA hat er es geschafft, die politische Kultur im Vereinigten Königreich nachhaltig zu verändern. Selbst die Politiker der Konservativen Partei – allen voran Boris Johnson, der ehemalige Bürgermeister von London –, haben sich auf sein geradezu unterirdisches Niveau herabgelassen. So wurde etwa behauptet, die Türkei würde unmittelbar vor einem EU-Beitritt stehen.

Das war's wohl für Premierminister David Cameron.
Das war's wohl für Premierminister David Cameron.
Bild: ANDREW YATES/REUTERS

Premierminister David Cameron musste derweil Prügel einstecken. Das hat er sich selbst zuzuschreiben. Zu lange hat er selbst mit Anti-EU-Parolen um Stimmen geworben. Als er nun plötzlich als EU-Retter auftauchte, war er nur peinlich. Jetzt kann er nur noch abtreten.  

Häme gegen die Experten

Die Polemik der Jingoisten richtete sich aber auch gegen Personen, die über jeden Zweifel erhoben sind, beispielsweise gegen Mark Carney, den Gouverneur der Bank of England, oder gegen die führenden Ökonomen des Landes. Sie alle hatten vor einem Brexit gewarnt. Der ehemalige Justizminister und Brexit-Befürworter Michael Gove spottete gar: «Die Menschen in diesem Land haben die Schnauze voll von Experten.»

Nun haben es die Jingoisten also geschafft. Aus Great Britain ist Little England geworden, ein Land mit lauwarmem Bier und schwammigen Fish & Chips.

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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gleis3Kasten9
24.06.2016 06:38registriert April 2014
Um mal meine eigene Mutter (und eigentlich viele Mütter) zu zitieren: S wird nit so heiss gfresse wie s kochet wird. Weltuntergangsszenarien sind tolle Platzfüller on- und offline und Farage, Johnson und Co. dürfen jetzt mal zeigen ob ihre Vision doch nur ein Fiebertraum war. Auch ein Premier Boris wird schnell abgesetzt falls die Wirtschaft bergab geht, aber das ist noch Zukunftsmusik. Schaun mer mal, ne?
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guby
24.06.2016 08:25registriert August 2015
Die Hauptsache ist, dass das Volk entscheiden durfte. Wenn der Brexit tatsächlich den Karren an die Wand fährt sind wenigstens diejenigen verantwortlich, die den Schlamassel auch ausbaden müssen. Und nicht irgendwelche überbezahlte EU Funktionäre in Brüssel. An der Reaktion der EU wird sich nun zeigen wie demokratisch sie wirklich ist.
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4-HO-MET
24.06.2016 08:20registriert April 2016
Ist der Herr Löpfe überhaupt des Englischen mächtig? Nach der falschen Übersetzung der IWF Mitteilung bin ich mir nicht mehr so sicher.
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