Der Ständerat wird am kommenden Montag über eine Verschärfung der Lex Koller entscheiden. Ausgelöst hat dies eine Motion der Zürcher SP-Nationalrätin Jaqueline Badran. Darin fordert sie, dass Personen im Ausland keine Bürogebäude und Fabrikationsstätten und Anteile an Immobilienfonds und börsenkotierten Immobiliengesellschaften in der Schweiz kaufen können. Badran will damit der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt Paroli bieten und dafür sorgen, dass die Mieten und Preise für Wohneigentum nicht weiter steigen.
«Wir haben bloss rund 18'000 Quadratkilometer Nutzfläche zur Verfügung», sagt Badran. «Daher werden die Wohnungen nicht billiger, wenn noch mehr kapitalkräftige Investoren auf den Plan treten, sie werden teurer.» Bundesrat und Nationalrat haben den Motionen zugestimmt. Im Ständerat jedoch stossen sie auf heftigen Widerstand.
Angeführt vom bekannten Wirtschaftsanwalt Peter Forstmoser machen Hauseigentümerverband, Economiesuisse & Co. mobil und setzen alle Hebel in Bewegung, um die Ständeräte zu einem Nein zu bewegen. Hat die Immobilienlobby Erfolg, dann sind die Motionen vom Tisch. Bei einem Ja muss der Bundesrat eine Gesetzesvorlage ausarbeiten, über welche die Bundesversammlung erneut abstimmen kann.
Die Immobilienlobby schürt die Angst vor Protektionismus. «Das süffig inszenierte Zerrbild, ausländische Investoren könnten rudelweise über die Schweiz herfallen, hier Gewinne absaugen und redlichen Schweizer Käufern und Mietern das Leben schwer machen, ist daher so populistisch wie falsch» stellt Forstmoser in einem «NZZ»-Beitrag fest. «Sicher ist dagegen, dass eine Diskriminierung ausländischer Investoren im Ausland (zu Recht) als ausländerfeindliche Abschottung verstanden würde.»
Forstmoser setzt auf Freihandel. «Wer genug bezahlbaren Wohnraum schaffen will, muss dafür sorgen, dass schneller, günstiger und konzentrierter gebaut werden kann.» Die Zahlen stützen Forstmosers These nicht. Der «Tages-Anzeiger» zitiert dazu das Immo-Monitoring der führenden Beratungsfirma Wüest & Partner. «Im Boomjahr 2006 gingen 16 der 20 Toptransaktionen von Geschäftsliegenschaften auf das Konto ausländischer Investoren», heisst es darin.
Fonds und Anlagestiftung mit ausländischer Beteiligung sind wichtige Player auf dem Schweizer Immobilienmarkt geworden. «Zwischen 2003 und 2014 nahm der Gesamtmarktwert von rund 17 Milliarden auf über 40 Milliarden Franken zu», stellt der TA fest.
Nicht nur in der Schweiz ist der Immobilienmarkt zu einem volkswirtschaftlichen Problemkind geworden. Ein Immobilienboom droht auch die britische Wirtschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wie kurz vor der Finanzkrise steigen in London die Häuserpreise im zweistelligen Prozentbereich. Ausländische Investoren, vor allem aus Russland, heizen die Preisexplosion an und kaufen jeden verfügbaren Quadratmeter Wohnfläche an der Themse auf.
Auch die Briten beginnen, ihren letzten Penny in Immobilien zu investieren, weil sie auf weiter steigende Preise hoffen. Mit subventionierten Hypotheken werden sie dabei von der Regierung noch unterstützt.
Die Folgen für die Volkswirtschaft sind verheerend: Die restliche Wirtschaft stagniert, weil alles Geld in die Häuser fliesst, und die Notenbank kommt in Teufels Küche. Um den überhitzten Immobilienmarkt abzukühlen müsste die Bank of England – wie übrigens auch die Schweizer Nationalbank – die Leitzinsen erhöhen. Tut sie dies, dann würgt sie die nach wie vor lahmende Wirtschaft ab.
Boden ist ein spezielles Gut, gerade in der Schweiz, wo er bekanntlich sehr knapp ist. «Bei uns findet ein Krieg um die Bodenrente statt» sagt Badran. Dieser Krieg betrifft auch die Bauern. Nach zwei Jahrzehnten Marktöffnung und Liberalisierung sind sie reformmüde geworden und wollen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden. Sie stossen dabei auf sehr viel Verständnis bei der Bevölkerung. Die vom Verein für eine produzierende Landwirtschaft (VPL) mit Unterstützung des Bauernverbandes und der SVP im März lancierte Initiative «für Ernährungssicherheit» ist bereits 150'000 Mal unterschrieben worden.
Die Bauern argumentieren offen und schamlos protektionistisch: «Die Globalisierung der Landwirtschaft geht in die falsche Richtung», sagt der Berner SVP-Nationalrat Rudolf Joder vom VPL. Auch von linker Seite wird der Freihandel von Lebensmitteln zunehmend in Frage gestellt. Die Grünen wollen eine Fair-Food-Initiative starten, in der sie fordern, dass Schweizer Umweltschutz- und Tierschutzbestimmungen auch für importierte Lebensmittel gelten.
Olivier de Schutter, Berater für Ernährungsfragen bei der UN, kommt zu ähnlichen Schlüssen. In seinem soeben veröffentlichen Bericht stellt er fest, dass die Landwirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte in die falsche Richtung führt. «Wir haben gelernt,» stellt er fest, «dass Monokulturen von Getreide und Sojabohnen zwar viele Kalorien produzieren, aber keine ausgewogene Ernährung.»
Gentech und industrielle Landwirtschaft sind daher selbst für die UN keine erstrebenswerte Lösungen mehr. Nahrung wird am besten lokal und in Kleinbetrieben produziert. De Schutter fordert deshalb ein radikales Umdenken in der Landwirtschaftspolitik. «Rund um die Welt werden Ernährungssysteme neu gebaut, oft auf kleinstem Raum und selbst in Städten», sagt er. «Das ist Ernährungs-Demokratie, und sie sollte gefördert werden, so wie Demokratie am Arbeitsplatz im letzten Jahrhundert gefördert wurde.»
Der nationale Immobilienmarkt gerät aus den Fugen, wenn er dem internationalen Finanzkapital zum Frass vorgeworfen wird. Wenn die Produktion von Lebensmitteln internationalen Ernährungsmultis vorbehalten bleibt, dann macht uns unser Essen dick und krank. So sinnvoll der freie Handel bei vielen Gütern und Dienstleistungen ist – beim Boden stösst er an seine Grenzen. Boden ist ein begrenztes Gut, deshalb ist ein smarter Protektionismus die bessere Lösung. Oder wie heisst es doch so treffend: Wer in einer Welt mit begrenzten Gütern an ein unbegrenztes Wachstum glaubt, der ist ein Idiot – oder ein Ökonom.