Wirtschaft
Schweiz

Hinter den Nebelpetarden von Blocher, Köppel und Somm

Blocher als eine aus einem Apfel geschnitzte Witzfigur.
Blocher als eine aus einem Apfel geschnitzte Witzfigur.
Kommentar

Die Nebelpetarden des Trios Blocher, Köppel, Somm – und was sie verbergen sollen

Holocaust-Vergleiche, Parlaments-Flegeleien und Verstösse gegen die journalistische Ethik sollen verschleiern, was die neue Rechte wirklich will: Einen Neoliberalismus ohne Wenn und Aber. Das Problem: Die Linke und die politisch Korrekten spielen brav ihren Part.
27.04.2016, 11:5728.04.2016, 21:57
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Christoph Blocher vergleicht die SVP mit den Juden – die Schweiz ist in Aufruhr: Wochenlang empören sich jüdische Verbände und linke Parteien, derweil Historiker des Langen und Breiten die Absurdität dieses Vergleiches beweisen.

Lustvoller Provokateur: Roger  Köppel.
Lustvoller Provokateur: Roger  Köppel.

Roger Köppel fährt im Nationalrat Bundesrätin Simonetta Sommaruga unflätig an den Karren – auf allen Onlineportalen schnellen Klickzahlen in die Höhe, derweil die Trolls die Kommentarspalten füllen.

Markus Somm empfiehlt den Unternehmen, kritische Journalisten mit Inseraten-Entzug zu züchtigen – Journalisten und Verleger laufen Sturm, der Verlegerverband muss sich rechtfertigen, was er schliesslich mehr schlecht als recht auch tut.

Die Reaktionen sind kalkuliert

Blocher, Köppel und Somm sind vieles, aber sie sind nicht dumm. Selbstverständlich weiss Blocher, dass der Holocaust-Vergleich Blödsinn ist. Aber er weiss auch, dass von «Blick» über NZZ und Schawinksi (und ja, auch watson) alle auf diese Provokation einsteigen (müssen) und er somit wochenlang die journalistische Agenda bestimmen kann.

Bringt mit seiner Arroganz die Journalisten zur Weissglut: Markus Somm.
Bringt mit seiner Arroganz die Journalisten zur Weissglut: Markus Somm.
Bild: KEYSTONE

Köppel spielt den Flegel ganz gezielt. Wer das kurze Video seiner Sommaruga-Tirade anschaut, sieht, dass er dabei selbst lachen muss und seine Empörung nur gespielt ist. Und wenn Somm gegen die elementarsten Regeln der Ethik des liberalen Journalismus verstösst, geschieht dies mit Kalkül.

Warum also das Theater? Alle drei haben keine bildungsbürgerlichen Ambitionen mehr. Sie leben nach dem Motto: «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's ungeniert.» Deshalb lassen sie kein Fettnäpfchen aus und unterlassen keinen Faux-pas. Den Ehrendoktor einer Universität werden sie in diesem Leben eh nicht mehr erhalten.

Wahnsinn mit Methode

Ihre Provokationen und Ferkeleien sind jedoch mehr als Jux und Tollerei. Dahinter steckt Methode. Blocher, Köppel und Somm spielen nicht zufällig mit faschistoiden Ideen, sie sind überzeugte und knallharte Neoliberale. Sie wollen den Sozialstaat abschaffen, und zwar jetzt.

Neoliberalismus ist jedoch nicht populär. Die SVP-Wähler in der Büezerschaft wollen weniger Konkurrenz aus dem Ausland und mehr Strassen, aber keine tieferen Vermögenssteuern. Bauern, die SVP wählen, wollen mehr Bundessubventionen und einen garantierten Milchpreis, nicht mehr Wettbewerb.

Spielt die beleidigte Leberwurst und damit den Krawallbrüdern in die Hände: Bundesrätin Sommaruga.
Spielt die beleidigte Leberwurst und damit den Krawallbrüdern in die Hände: Bundesrätin Sommaruga.
Bild: KEYSTONE

Das wissen auch Blocher, Köppel und Somm. Beim letzten Mal ist es schief gelaufen. Als Blocher und Merz in den Bundesrat gewählt wurden, war eine neoliberale Wende ebenfalls das Ziel. Doch damals war Blocher zu wenig konsensfähig und Merz zu wenig gescheit. Die Übung scheiterte.

Linke und politisch Korrekte spielen mit – immer

Daraus hat man gelernt. Die Bundesräte werden nun von der Partei an die Kandare genommen, und die bürgerlichen Parteien sind diesmal viel besser aufgestellt. Die SVP kann sich bei ihrem Angriff auf den Sozialstaat auf die FDP und die CVP verlassen. Nicht aber auf das Stimmvolk. Wenn man die Unternehmenssteuerreform III mit ihren gewaltigen Steuergeschenken an die Finanzoligarchie durchdrücken will, muss man Nebenkriegsschauplätze auftun und jede Menge Nebelpetarden schmeissen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu absorbieren.

Darauf verstehen sich die drei Krawallbrüder bestens. Der vierte, Christoph Mörgeli, wurde nur wegen eines wahltechnischen Betriebsunfalles vorübergehend aus dem Verkehr gezogen.

Das Trio kann sich darauf verlassen, dass seine Rechnung jedes Mal aufgeht: Die Kameras halten drauf, die Linken und Intellektuellen jaulen auf, zart besaitete Politikerinnen wie Bundesrätin Sommaruga verziehen sich in die Schmollecke – und die SVP-Trolls feiern ihr Narrenfest.

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236 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andreas Weibel (1)
27.04.2016 12:17registriert November 2015
Nicht die "Linken und Netten" spielen mit. Die versuchen unverdrossen, z.B. das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform in die Medien zu bringen. Das Problem sind die Medien, die den Köppels und Blochers ihre Plattform anbieten - übrigens macht Watson auch da keine Ausnahme...
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Alex23
27.04.2016 13:05registriert Februar 2015
Ich frage mich übrigens, ob es wirklich so viel von der in dem Artikel unterstellten Intelligenz benötigt, eine leider nicht sehr differenziert denkende Wählerschaft zu verschaukeln.
Köppel und Konsorten haben einfach leichtes Spiel. Wie sonst liesse sich erklären, dass Herrn und Frau Schweizer mit Erfolg so viel Mist und und offenkundig Demagogisches untergejubelt werden kann, was am Ende zu deren Schaden ist?
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Lowend
27.04.2016 12:11registriert Februar 2014
Herzlichen Dank Philipp Löpfe! Ich kann in ihrem Artikel jedes Wort unterschreiben und wünsche Ihnen schon jetzt viel Kraft für die bösartigen Anfeindungen und den obligaten Gesinnungsterror, der Ihnen sicher schon bald entgegenbranden wird. Wehe dem, der die Wahrheit ausspricht. Ihm wird der Hass der rechten Krawallbrüder sicher sein.
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