Wissen
Forschung

Wir werden wieder dümmer – und das sind die Gründe

Gehirn, Radiergummi, Demenz (Symbolbild)
Der IQ scheint in einigen wohlhabenden Industrieländern rückläufig zu sein.Bild: Shutterstock

Wir werden wieder dümmer – und das sind die Gründe

13.09.2017, 15:0113.09.2017, 16:14
Mehr «Wissen»

Lange Zeit gab es in Sachen Intelligenz nur eine Richtung: nach oben. Seit der Einführung der ersten Intelligenztests, die den Intelligenzquotienten (IQ) messen, hat dieser Wert weltweit stetig zugenommen – seit 1909 um rund drei Punkte pro Jahrzehnt. 

Der Anstieg des IQs hat vermutlich mit Verbesserungen bei Bildung, Hygiene, medizinischer Versorgung und Ernährung zu tun. Eine Rolle spielt möglicherweise aber auch, dass die Leute geübter im Umgang mit solchen Tests werden. Wissenschaftlich beschrieben wurde die IQ-Zunahme erstmals 1984 von dem neuseeländischen Politologen James Flynn anhand der US-Bevölkerung – seither spricht man vom sogenannten «Flynn-Effekt»

IQ-Rückgang in Skandinavien

Doch die Zunahme hat sich in der letzten Zeit nicht nur verlangsamt – in verschiedenen westlichen Ländern, zum Beispiel in Finnland und Dänemark, ist seit rund 20 Jahren sogar ein leichter IQ-Rückgang zu verzeichnen. Derzeit beläuft er sich gemäss dem britischen Wissenschaftsmagazin «New Scientist» hochgerechnet auf 7 bis 10 Prozentpunkte pro Jahrhundert. 

Diese Umkehrung des Flynn-Effekts begründen einige Wissenschaftler mit der Tatsache, dass Frauen mit einem hohen IQ tendenziell weniger Kinder zur Welt bringen. Allerdings lassen sich Hypothesen wie diese nicht leicht erhärten, weil – vor allem für frühere Zeiten – zu wenig Daten zur Verfügung stehen. Zudem haben sich die IQ-Tests über die Jahre hinweg leicht verändert. 

Zumindest letzteres Problem sind Forscher um Robin Morris vom King's College in London angegangen, indem sie frühere IQ-Tests in Sub-Tests unterteilten, die leicht miteinander vergleichbar sind. Morris und sein Team analysierten rund 1750 verschiedene Intelligenztests seit 1972, wobei sie speziell auf jene Teile fokussierten, die das Kurzzeitgedächtnis messen, und auf jene, die das mit dem Arbeitsgedächtnis tun.

Forschung
AbonnierenAbonnieren

Der Befund: Die Testresultate beim Arbeitsgedächtnis, das im Gegensatz zum Kurzzeitgedächtnis komplexer ist, wurden mit der Zeit schlechter, während das Kurzzeitgedächtnis – wie es der Flynn-Effekt erwarten liess – besser wurde. Der beobachtete IQ-Rückgang könnte also mit der Verschlechterung des Arbeitsgedächtnisses zu tun haben. 

Eine Frage des Alters?

Dies wiederum könnte mit einem weiteren Faktor zu tun haben: dem Alter. Ältere Personen sind eher von einem nachlassenden Arbeitsgedächtnis betroffen, während ihr Kurzzeitgedächtnis mehr oder weniger konstant bleibt. In den vergangenen Jahrzehnten absolvierten nun immer häufiger Personen einen IQ-Test, die mehr als 60 Jahre alt waren. Dies könnte den allgemeinen IQ-Rückgang wenigstens zum Teil erklären. 

Die Wissenschaftler warnen freilich davor, weitreichende Schlüsse aus den Ergebnissen ihrer Studie zu ziehen. Dies wäre voreilig; es handle sich hier vorerst um nicht mehr als Spekulationen. Ohnehin warnen Intelligenzforscher nachdrücklich davor, intelligentes Handeln mit dem gleichzusetzen, was ein IQ-Test misst. Trotz ihrer Mängel sind solche Tests jedoch nach wie vor die beste Methode, um kognitive Leistungen zu messen und zu vergleichen. 

(dhr)

Die intelligenten Roboter kommen: Diesen Jobs geht's an den Kragen

1 / 12
Die intelligenten Roboter kommen: Diesen Jobs geht's an den Kragen
Paket-Drohne von Amazon: Quadrokopter mit Autopilot könnten den klassischen Paket- und Postboten überflüssig machen.

quelle: apa / amazon
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Und jetzt ist es Zeit für einen kleinen IQ-Test! Wie hoch ist dein IQ wirklich?

Quiz

Dieser polnische Europa-Politiker hat seltsame Ansichten über die Intelligenz von Frauen:

Video: watson
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Homelander
13.09.2017 16:11registriert Oktober 2014
«Diese Umkehrung des Flynn-Effekts begründen einige Wissenschaftler mit der Tatsache, dass Frauen mit einem hohen IQ tendenziell weniger Kinder zur Welt bringen»

Idiocracy lässt grüssen 😂
867
Melden
Zum Kommentar
avatar
Shin Kami
13.09.2017 15:52registriert Juni 2016
Einzeln ist der Mensch das intelligenteste Tier aber im Rudel sind wir dumm wie drei Meter Feldweg...
869
Melden
Zum Kommentar
avatar
saukaibli
13.09.2017 15:47registriert Februar 2014
Der Film Idiocracy hat diese Entwickung schon vor mehr als 10 Jahren prophetzeit und die zu erwartenden Folgen seriös darzustellen versucht.
533
Melden
Zum Kommentar
28
Hitzewellen, Fluten, Gletscherschwund – Europa erlebte 2023 ein Jahr der Klima-Extreme
Weit verbreitete Überschwemmungen und starke Hitzewellen – der neuste Bericht des EU-Klimadienstes Copernicus und der WMO zeigt, dass Europa 2023 ein Jahr der Extreme erlebte. Für die Experten sind die vorgelegten Daten «alarmierend».

Das Hitzerekordjahr 2023 mit globalen Temperaturen von rund 1,45 Grad über dem vorindustriellen Mittel (1850 bis 1900) hat auch für Europa weitreichende Folgen. So ist Europa gemäss dem heute veröffentlichten Klimareport 2023 (ESOTC 2023) des europäischen Copernicus Climate Change Service und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) derzeit der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt.

Zur Story