Im Mai 1985 landete ein Flugzeug in Teheran. An Bord befand sich ein Passagier in hoch geheimer Mission: Robert McFarlane, Sicherheitsberater von US-Präsident Ronald Reagan. Als Gastgeschenke für die iranische Regierung hatte er eine Bibel mit einer handschriftlichen Widmung von Reagan im Gepäck – und einen Kuchen in Form eines Schlüssels. Er sollte die erhoffte Öffnung gegenüber dem Mullah-Regime symbolisieren.
McFarlanes Reise zum «Todfeind» war höchst brisant. Sie bildete ein zentrales Element des wohl grössten amerikanischen Politskandals seit Watergate. Er ging als Iran-Contra-Affäre in die Geschichte ein – oder als Irangate. Die Verantwortung dafür trug Reagan, der heute von den US-Republikanern fast wie ein Heiliger verehrt wird. Jenen Republikanern, die nun Gift und Galle spucken gegen das Atomabkommen der Obama-Regierung mit dem Iran.
Der Skandal nahm seinen Auftakt im Jahr 1979. Damals wurde im mittelamerikanischen Nicaragua der USA-freundliche Diktator Anastasio Somoza von der linken Sandinisten-Guerilla entmachtet und ein Jahr später im Exil in Paraguay ermordet. Sandinisten-Chef Daniel Ortega pflegte enge Beziehungen zum kubanischen Revoluzzer Fidel Castro. Die Aussicht auf ein weiteres «kommunistisches» Regime in ihrem «Hinterhof» war für die Amerikaner der pure Alptraum.
Nach dem Amtsantritt des «Kommunistenfressers» Ronald Reagan 1981 wurde der Sturz der Sandinisten zur obersten Priorität erklärt. Bekämpft wurden sie von den rechtsgerichteten Contra-Rebellen, die ihre Basen in den Nachbarländern Honduras und Costa Rica hatten. Der von den Demokraten beherrschte US-Kongress hatte jedoch sämtliche Finanz- und Militärhilfe an die Contras gesetzlich verboten. Die Reagan-Regierung musste sich etwas einfallen lassen.
Damit kam der Iran ins Spiel.
Dort war ebenfalls 1979 mit dem Schah ein weiterer USA-freundlicher Diktator gestürzt worden, von radikal-schiitischen Mullahs unter Führung von Ajatollah Khomeini. Sie erklärten die USA zum «grossen Satan», stürmten ihre Botschaft in Teheran und hielten 52 US-Bürger während 444 Tagen als Geiseln fest. Allerdings hatten die Iraner ein Problem: 1980 hatte der irakische Gewaltherrscher Saddam Hussein ihr Land überfallen.
Es war der Beginn eines acht Jahre dauernden grausamen Krieges, der Hunderttausende das Leben kostete. Die Mullahs brauchten Waffen, und in dieser Situation erwiesen sie sich die Fundis als ausgesprochene Pragmatiker. Sie lieferten dem «kleinen Satan» Israel unter Vermittlung des Zuger Rohstoffhändlers Marc Rich Öl und erhielten im Gegenzug die gewünschten Rüstungsgüter. Via die Israelis versuchten sie, auch mit den Amerikanern ins Geschäft zu kommen.
Für die Reagan-Regierung war es ein heikler Balanceakt. Die Wunden des Botschaftsdramas waren längst nicht verheilt. Zwei Gründe bewogen die Amerikaner dazu, sich auf den Handel einzulassen. Sie wollten verhindern, dass Iran in den Einflussbereich der Sowjetunion – für Reagan das «Reich des Bösen» – geriet. Ausserdem waren im von einem Bürgerkrieg zerrissenen Libanon mehrere US-Amerikaner von proiranischen Gruppen als Geiseln genommen worden. Als Gegenleistung für die Waffenlieferungen sollte Teheran ihre Freilassung erwirken.
Der Plan war in Washington umstritten, denn gegen den Iran bestand ein striktes Waffenembargo. Aussenminister George Shultz und Verteidigungsminister Caspar Weinberger meldeten Bedenken an. In einem Anfall von Galgenhumor meinte Weinberger, man solle sich schon einmal die Besuchszeiten im Gefängnis merken. Trotzdem machte er mit, denn der Präsident, Sicherheitsberater Robert McFarlane und CIA-Direktor William Casey waren für den Deal.
Die Verhandlungen über die Geiselfreilassungen waren zäh. McFarlanes Iran-Reise sollte Bewegung in die Sache bringen. Schliesslich lieferten die Amerikaner von August 1985 bis Oktober 1986 rund 2500 Panzerabwehrraketen und 250 Luftabwehr-Lenkwaffen an den Iran.
Dann enthüllte eine libanesische Zeitung den Skandal. Ronald Reagan geriet in die Defensive. In einer Rede an die Nation erklärte er: «Wir haben nie – ich wiederhole – wir haben nie Waffen oder irgend etwas anderes gegen Geiseln eingetauscht, noch werden wir dies tun.» Das war gelogen. In der Folge musste Reagan zurückkrebsen, wobei er versuchte, sich als Opfer hinzustellen.
Der wahre Skandal aber sollte erst noch platzen. Die Iraner hatten für die Waffen auch rund 30 Millionen Dollar bezahlt, doch nur zwölf Millionen tauchten in der Buchhaltung der Regierung auf. Der Rest war an die nicaraguanischen Contra-Rebellen weitergeleitet worden, in Umgehung des Kongress-Verbots.
Zur Schlüsselfigur wurde ein kaum bekannter Oberstleutnant des Marine Corps namens Oliver North. Er arbeitete im Weissen Haus für den nationalen Sicherheitsrat und war für verdeckte Operationen zuständig. «Ollie» North gab in diesem Drama, das viele Züge einer Schmierenkomödie hatte, den idealen Schurken ab. Mit seiner attraktiven Sekretärin Fawn Hall – sie jobbte nebenbei als Model – shredderte er zahlreiche Dokumente, ausserdem belog er den Kongress unter Eid.
Bei diesen Hearings kam ein weiterer unappetitlicher Aspekt ans Licht: Die Contras hatten sich für die Hilfe aus Washington damit «bedankt», dass sie jahrelang tonnenweise Kokain in die USA schmuggelten, mit Duldung der CIA. Gegen mehrere hochrangige Mitglieder der Reagan-Regierung wurde Anklage erhoben, darunter Weinberger und McFarlane. Ins Gefängnis musste aber nur ein zweitrangiger CIA-Mann. Oliver North wurde zwar verurteilt, in der Berufungsverhandlung aber wegen eines Verfahrensfehlers freigesprochen.
Die meisten Beschuldigten wurden 1992 von Reagans Nachfolger George Bush senior begnadigt. Bush war zuvor Vizepräsident, an ihm haftet bis heute der Verdacht, er habe weitere Ermittlungen über seine Rolle in der Iran-Contra-Affäre verhindern wollen. Ronald Reagan kam ebenfalls ungeschoren davon. Er berief sich auf ein Gesetz von 1947, wonach ein Präsident unter bestimmten Umständen trotz Verbot durch den Kongress Waffenlieferungen bewilligen kann. Von der illegalen Finanzierung der Contras wollte er nichts gewusst haben. Oder er konnte sich nicht erinnern.
Eine schlechte Figur machte er so oder so. Entweder hatte er auch hier gelogen, oder er hatte seinen Laden nicht im Griff. Diverse Indizien sprechen dafür, dass er weit mehr gewusst hat, als er zugeben wollte. Seiner Popularität tat dies keinen Abbruch. Die gleichen Republikaner, die nun Barack Obamas Atomdeal mit Iran verdammen, idealisieren den 2004 verstorbenen Reagan als Übervater und Lichtgestalt, der Amerika nach dem Malaise der 1970er Jahre wieder stark gemacht hat.
Der Bürgerkrieg in Nicaragua endete 1989 durch Vermittlung der anderen mittelamerikanischen Staaten. Daniel Ortega verlor im folgenden Jahr die Präsidentschaftswahl, schaffte jedoch Jahre später ein Comeback und ist heute wieder Staatsoberhaupt von Nicaragua. Die letzte US-Geisel im Libanon wurde erst 1991 freigelassen.
Oliver North kandidierte 1994 im Bundesstaat Virginia für einen Sitz im US-Senat, also jenem Gremium, das er belogen hatte. Er verlor nur, weil ein dissidenter Republikaner ihm mit einer «wilden» Kandidatur Stimmen abspenstig machte. Bis heute ist North eine Kultfigur der amerikanischen Rechten, er sitzt unter anderem im Vorstand der Schusswaffenlobby NRA.
Und noch ein nettes Detail: Bei den Ermittlungen zu den Drogenlieferungen der Contras tat sich ein junger Senator aus Massachusetts besonders hervor. Sein Name: John Kerry. Als Aussenminister hat er nun das historische Abkommen mit den Iranern unterzeichnet. Und sich angesichts des republikanischen Sperrfeuers wohl den einen oder anderen Gedanken gemacht.