Wer im Restaurant Rindfleisch, Lammfleisch oder auch bestimmte Wildgerichte bestellt, wird – zumindest in einem gehobenen Lokal – gefragt, welche Garstufe gewünscht ist. Manche Karnivoren mögen das Fleisch am liebsten blutig (Garstufe «bleu» oder «saignant»), während andere sich davor grausen, wenn sich noch sichtbar Blut im Essen befindet.
In Wirklichkeit ist aber kaum mehr Blut im Fleisch vorhanden. Das ist auch kein Wunder, denn Blut ist sehr verderblich und könnte das Fleisch schnell ungeniessbar machen. Manche Religionen kennen übrigens Speisevorschriften, die den Konsum von Blut explizit verbieten, so das Judentum und der Islam.
Was aber ist denn der rötliche Saft, der aus dem Fleisch austritt, bevor es zubereitet wird oder wenn es nicht ganz durchgebraten ist? Es handelt sich um eine Mischung aus Wasser – Fleisch besteht bis zu 70 Prozent aus Wasser – und Myoglobin, einem Muskelprotein.
Myoglobin kommt in Herz- und Skelettmuskeln von Säugetieren vor. Das Eiweissmolekül besitzt in seinem Zentrum ein Eisenatom, an das sich Sauerstoff binden kann. Diesen gibt es dort, wo die Verbrennungsprozesse in den Muskelzellen ablaufen, wieder ab. Wenn Myoglobin mit Sauerstoff in Kontakt kommt, oxidiert es zu Oxymyoglobin, das dem Fleisch seine rote Farbe verleiht.
Je mehr Myoglobin in den Muskeln vorhanden ist, desto dunkler ist das Fleisch. Schweinefleisch enthält beispielsweise zwei Milligramm pro Gramm, während das dunklere Lammfleisch dreimal so viel enthält. Im Rindfleisch sind es sogar acht Milligramm pro Gramm. Der Myoglobingehalt steigt zudem mit dem Alter; deshalb ist Kalbfleisch heller als Rindfleisch.
Wenn Myoglobin erhitzt wird, wird es dunkler. Ein Steak, das «saignant» gebraten wurde, ist deshalb nicht blutig. Es ist lediglich heller, weil es weniger lange erhitzt wurde und dadurch eine niedrigere Temperatur erreichte als ein Steak, das durchgebraten wurde.
Dabei spielt auch Feuchtigkeit eine Rolle: Beim Erhitzen geben die Moleküle im Fleisch Flüssigkeit ab. Myoglobin bleibt rot, solange diese Säfte fliessen; sobald das Fleisch trocken wird, wird das Eiweiss graubraun. Deshalb ist die rote Farbe beim Fleisch auch ein Indikator für Saftigkeit. Da Myoglobin auch braun wird, wenn es über längere Zeit Sauerstoff ausgesetzt ist, ist die rote Farbe zugleich ein Indikator für Frische.
Allerdings gilt das nicht unbedingt für Fleisch, das «unter Schutzatmosphäre» verpackt wurde. Dabei lagert das Fleisch in einem Gasgemisch aus Kohlendioxid und Stickstoff oder Kohlendioxid und Sauerstoff. Der hochkonzentrierte Sauerstoff (bis zu 80 Prozent) hält das Fleisch rot, so dass es auch nach Tagen noch schlachtfrisch aussieht. Neben dem Myoglobin oxidieren allerdings auch andere Proteine und Fette, was den Geschmack beeinträchtigen kann. (dhr)