Herr Mohler, wie läuft eine Festnahme eigentlich ab?
Markus Mohler: Es gibt nicht die Festnahme, denn Festnahmen laufen immer unterschiedlich ab. Wird eine Person namentlich gesucht, reicht meistens eine Personenkontrolle, um festzustellen, ob es sich um die gesuchte Person handelt oder nicht. Wenn dies nicht der Fall ist, wird die Befragung abgebrochen und die kontrollierte Person kann gehen. Eine Person kann auch bloss auf Beschreibung oder nach einer Foto gesucht werden. Verwechslungen kommen in solchen Fällen natürlich vor, aber oft kann sich die kontrollierte Person mit stichhaltigen Angaben vom Verdacht befreien. Sollte sich der Verdacht jedoch erhärten oder die Person kann sich nicht ausweisen, kann der oder die Kontrollierte auf den Polizeiposten mitgenommen, d. h. zunächst kurzfristig angehalten werden.
Wer ist befugt, eine Festnahme vorzunehmen, sollte sich der Verdacht erhärten?
Nur die zuständige Polizei darf einen Verdächtigen anhalten. In der Stadt Zürich ist das vorab die Stadtpolizei Zürich. Daneben gibt es die so genannten «Jedermannsrechte»: Sollte ein Passant jemanden beim Verüben eines Verbrechens oder Vergehens in flagranti beobachten, kann diese Person die Täterschaft festhalten und sie der Polizei übergeben. Das gilt übrigens für private Sicherheitsunternehmen genau gleich; sie haben keine weiteren polizeilichen Befugnisse.
Aber dürfen mich dann zum Beispiel Türsteher vor dem Club überhaupt nach meiner ID fragen?
Hier bewegen wir uns in einer Grenzzone. Das Hausrecht des Grundbesitzers beginnt an der Türschwelle. Da eine Kontrolle auf der Schwelle oft schwierig durchzuführen ist, werden Leute, die Einlass wollen, oft etwas ausserhalb kontrolliert. Ein Club ist etwas anderes als ein Restaurant, und der Eigentümer kann bestimmen, wen er einlässt. Widersetzt man sich dieser Kontrolle, kann man weggewiesen werden.
Widersetzt man sich aber körperlich einer Polizeikontrolle, darf die Polizei die Person vorläufig festnehmen. Dies darf ein Clubbesitzer natürlich nicht.
Ab wann widersetze ich mich laut Definition einer Polizeikontrolle?
Wenn ich die Polizisten körperlich angehe oder zu fliehen versuche, bedeutet dies mindestens eine Hinderung einer Amtshandlung, wenn nicht gar Gewalt gegen Beamte. Beides sind Straftatbestände. Ich darf mich widersetzen, wenn ich der begründbaren Auffassung bin, die Kontrolle oder gar Anhaltung sei offensichtlich widerrechtlich. Das ist z. B. der Fall, wenn jemand für eine Kontrolle örtlich oder sachlich nicht zuständig ist, so wenn Private oder unzuständige Beamte im öffentlichen Raum Personenkontrollen durchführten.
Kann eine Festnahme auch abgebrochen werden?
Sollte sich herausstellen, dass es sich nicht um die gesuchte Person handelt, wird die Festnahme sofort abgebrochen.
Gibt es andere Richtlinien, wie mit öffentlich bekannten Personen in so einem Fall verfahren werden muss?
Nein, vor dem Recht sind alle gleich. Ein Fussballstar wird bei einer Personenkontrolle genau gleich behandelt wie ein normaler Passant. Es heisst ja nicht, dass nur weil man berühmt ist, diese Person sicher keine Straftat begangen hat.
Sie haben das Video von der Festnahme Chikhaouis auf Tele Züri gesehen. Wann darf jemand auf diese Weise festgenommen werden?
Herr Chikhaoui muss sich den Polizisten offenbar körperlich widersetzt haben, als diese ihn anhalten wollten. Wenn sich jemand nur verbal einer Festnahme widersetzt, sollte er zunächst nicht so angegangen werden. Wenn eine Person, die sich nicht ausweisen kann, den Beamten aber Folge leistet und sich auf den Posten bringen lässt, sind keine Handschellen nötig. Leistet sie aber Widerstand, sind Zwangsmassnahmen in Form der vorläufigen Festnahme und, wenn nötig, auch Handschellen die unausweichliche Folge. Das gehört auch zur Durchsetzung des Rechtsstaates. Dabei gilt wie immer das Verhältnismässigkeitsprinzip.
Ist es verhältnismässig, zu glauben, dass ein bekannter Fussballer am Wochenende zum Trickdieb wird?
Wie schon gesagt, nur weil jemand berühmt ist, heisst das nicht, dass er oder sie nicht in illegale Sachen verstrickt ist. Es kann auch sein, dass die Beamten Herrn Chikhaoui nicht kennen oder nicht erkannt haben. Aber selbst wenn sie ihn erkannt hätten, wäre eine Kontrolle nicht einfach widerrechtlich.
Auf dem Video ist aber gut zu sehen, wie die Beamten von Passanten darauf hingewiesen werden, dass es sich um Chikhaoui handelt.
Eine Einmischung von Drittpersonen in Polizeiangelegenheiten ist nicht sachdienlich. Die Passanten wissen nicht, worum es geht. Und erklären können es die Polizisten nicht, da sie ja an das Amtsgeheimnis gebunden sind. Die Beamten haben selbst nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, was richtig ist und dürfen sich nicht von Umstehenden beeinflussen lassen. Sie tragen ja auch die Verantwortung für ihr Vorgehen.
Das Video zeigt die Konsequenzen einer vorhergehenden Handlung, die entweder ungerechtfertigt von den Polizisten oder gerechtfertigt durch den Verhafteten zustande kam.