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Kardinal Müller im Lotterbett mit den Verschwörungstheoretikern

FILE - In this Dec. 2, 2015 file photo, German Cardinal Gerhard Ludwig Mueller leaves after greeting Pope Francis at the end of his general audience in St. Peter's Square at the Vatican. A second ...
Konservativer Hardliner: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.Bild: keystone
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Kardinal Müller im Lotterbett mit den Verschwörungstheoretikern

Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Politik und Medizin auf dem falschen Fuss erwischt, auch Kirchen und Glaubensgemeinschaften standen unvorbereitet da wie der Esel am Berg. Gott hat sie förmlich im Regen stehen lassen.
18.12.2021, 07:5818.12.2021, 20:24
Hugo Stamm
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Viele Gläubige und Geistliche wollten lange Zeit nicht wahrhaben, dass die Corona-Vorsichtsmassnahmen auch für sie gelten sollten. Sie konnten nicht glauben, dass Zusammenkünfte im grösseren Rahmen verboten waren. Vor allem Freikirchen taten sich mit den Restriktionen schwer. Manche begannen zu rebellieren. Keine Gottesdienste mehr? Undenkbar. Glaube ohne gemeinsames Gebet, ohne kollektive Huldigung Gottes? Eine Katastrophe.

Viele strenggläubige Christen sahen den Antichrist am Werk, der die Kirchen zerstören und die Gläubigen abspenstig machen wollte. Genau so, wie es die Bibel zur Endzeit prophezeit hatte. Mit Seuchen und Plagen. Umso wichtiger schien es ihnen, ein Zeichen zu setzen und Gott ihre Solidarität zu bekunden. Ganz nach dem Motto: Jetzt erst recht. Also führten sie ihre Zusammenkünfte im Geheimen durch, auch auf die Gefahr hin, gebüsst zu werden.

Angst vor einer Ansteckung hatten sie schon gar nicht, schliesslich waren sie mit Jesus im Bund, der sie vor einer Ansteckung schützen würde, waren sie überzeugt. Falls der Satan sie trotzdem infizieren könnte, würde Gott ihr Immunsystem pushen, so dass sie keine Krankheitssymptome entwickeln würden.

Doch Gott schienen die Bestrebungen und Hoffnungen seiner Gläubigen ziemlich egal zu sein. Weltweit wurden die verbotenen Gottesdienste zu Corona-Hotspots. Superspreader steckten ihre Glaubensgenossen an, manche erkrankten schwer und starben zu Ehren Gottes.

Ängstliche Gläubige sahen in Covid ein klares Zeichen an der Wand und glaubten, die letzten Tage seien angebrochen. So machte die Absenz Gottes für sie Sinn, und das Corona-Chaos liess sich erklären: Die Pandemie ist Teil des göttlichen Heilsplans.

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Der Churer Weihbischof Marian Eleganti sträubte sich ebenfalls gegen die Hygienemassnahmen, wie ich schon früher geschrieben habe. Sie waren für ihn eine weltliche Zumutung. In einem Video sagte er: «Und jetzt stehe ich als gläubiger Mensch, als Bischof, vor dem Sakrament der heiligen Eucharistie vor dem Leib Christi, und ich glaube an diese übernatürliche Kraft der Gegenwart Gottes in der heiligen Hostie, die der Leib Christi ist. Wie kann ich mir jetzt vom Kommunionempfang Unheil, Kontamination und Ansteckung erwarten? Ich kann das einfach für mich persönlich in meinem Herzen nicht nachvollziehen. (…) Ja, ich erwarte Wunder. Ich rechne mit der Kraft und dem Schutz Gottes.»

Der vermeintliche Schutz entpuppte sich als Illusion. Denn inzwischen sind viele Katholiken an Covid gestorben, obwohl sie am Abendmahl teilgenommen haben. Viele wurden trotz schweren Symptomen gerettet. Aber nicht von Gott, sondern von den Ärzten und dem Pflegepersonal. Das wollen manche Überlebende nicht wahrhaben. Sie danken im Gebet ihrem Gott für die Genesung.

Ein deutscher Kollege von Eleganti, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, suchte nicht nach einer religiösen Erklärung, sondern ging ganz weltlich zur Sache. Doch auch ihn bewahrte Gott nicht davor, auf glitschigem Terrain auszurutschen und gründlich auf die Nase zu fallen. Denn der hohe Würdenträger legte sich mit den Verschwörungsschwurblern ins Lotterbett.

epa04095878 Newly-elevated Cardinal Gerhard Ludwig Mueller of Germany after having taken the oath as cardinal to Pope Francis (not pictured), during the consistory in St. Peter's Basilica, Vatica ...
Kardinal Müller im Vatikan: Würdenträger im Lotterbett mit Verschwörungsschwurblern. Bild: EPA/ANSA

Müller ist eine grosse Nummer in der katholischen Kirche. Er war einst Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan. Noch im Juni dieses Jahres hatte ihn Papst Franziskus für eine fünfjährige Amtszeit an den Obersten Gerichtshof der Apotstolischen Signatur, dem höchsten Gericht im Vatikan, berufen.

In einem Interview mit dem katholisch-konservativen österreichischen Institut Sankt Bonifatius von vergangener Woche hatte er behauptet, die Corona-Pandemie werde dafür genutzt, um «die Menschen jetzt gleichzuschalten», einen Überwachungsstaat zu etablieren und einer «totalen Kontrolle» zu unterziehen, wie deutsche Medien berichteten. Ausserdem posaunte er eine «nicht legitimierte Einflussnahme der superreichen Eliten in verschiedenen Ländern» in die Welt hinaus. Müller erwähnte auch die jüdischen Meinungsträger George Soros und Bill Gates, die bei den Verschwörungstheoretikern angeblich als Strippenzieher der geheimen Weltregierung gelten. Der Zentralrat der deutschen Juden wirft Kardinal Müller denn auch «antisemitische Chiffren» vor.

Es war nicht das erste Mal, dass Kardinal Müller Verschwörungstheorien verbreitete. Er hatte schon Anfang 2020 ein Manifest des ehemaligen US-Nuntius und Erzbischofs Carlo Maria Vigano unterzeichnet. Darin steht, es gebe Kräfte, die daran interessiert seien, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Die Rede ist weiter von einer supranationalen Einheit mit «sehr starken politischen und wirtschaftlichen Interessen» und einer «Politik der drastischen Bevölkerungsreduzierung» und einem «beunruhigenden Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung».

Als der polnische Priester und Publizist Dariusz Oko wegen eines inkriminierten Artikels in der deutschen Zeitschrift «Theologisches» angeklagt und verurteilt wurde, verteidigte Müller den Priester und zog einen Vergleich mit dem Nationalsozialismus.

Inzwischen hat sich die Deutsche Bischofskonferenz von den Aussagen ihres Kardinals distanziert. «Man wundert sich sehr über diese Theorien!», gab der Sprecher auf Twitter bekannt. «Kardinal Müller spricht hier – davon gehe ich aus – als Privatperson.»

Auch das Stankt Bonifatius Institut hat eine Corona-Schlagseite. So behauptet es: «Es ist mittlerweile so gut wie allgemein anerkannt, dass der Impfstoff vollständig versagt hat, wenn es darum geht, Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus zu schützen. Viele glauben jedoch immer noch dran, dass der Impfstoff Krankenhausaufenthalte und Todesfälle verhindern kann». Gott ist manchmal sparsam, wenn er seinen geistigen Segen über sein Bodenpersonal ausschüttet.

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Hugo Stamm, Sektenblog
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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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756 Kommentare
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Hypatia
18.12.2021 09:08registriert Februar 2016
Was den "falschen Fuss" der Medizin anbelangt, so möchte ich hier doch klarstellen, dass die Forschung an dieser Art von Viren sowie die ganze Entwicklung an einem möglichen Impfstoff zwanzig Jahre alt ist. Ohne diese Vorarbeiten wäre es schlicht unmöglich gewesen, Impfstoffe zu produzieren, die uns heute weitgehend vor einem fatalen Verlauf der Krankheit schützen.
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Enibasnehl
18.12.2021 08:22registriert Dezember 2020
Immer wieder erstaunlich an was Menschen so alles glauben. 🤦🤷
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Butschina
18.12.2021 12:39registriert August 2015
Ich habe in meiner Gemeinde (FEG) leider auch gemerkt, dass ca 30% der Christen die Massnahmen nicht so ernst nehmen. Für mich ist das unverständlich. Wer Nächstenliebe predigt, müsste doch sein Umfeld möglichst vor Krankheit schützen.
Leider liessen sich auch recht viele nicht impfen. Sie seien geschützt durch Gott. Lustigerweise gehen diese aber zum Arzt wenn sie krank sind oder einen Unfall haben. Wieso also soll die Impfung etwas anderes sein? Sie ist ein guter Schutz vor schweren Covidverläufen und zeugt von Nächstenliebe indem die IPS-Plätze für Andere frei bleiben.
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