Der Titel der jüngsten Kolumne von Charles Blow in der New York Times» lautet: «Wir nähern uns einem Bürgerkrieg». Als Begründung hält Blow fest: «Ich stelle viele unheimliche Parallelen fest zwischen dem, was sich vor beinahe 200 Jahren ereignet hat und was heute geschieht. Ich sehe ein Land am Abgrund eines Bürgerkrieges.»
Im «Tages Anzeiger» malte der US-Korrespondent Christian Zaschke ein geradezu dystopisches Bild der USA. Donald Trump werde zurückkommen, prophezeit er und stellt fest: «Ich glaube, dass dieses Land auf dem Weg dahin ist, als Demokratie zu scheitern.»
Neuer Bürgerkrieg, Scheitern der Demokratie – sind das alles nur Fieberträume linksliberaler Journalisten? Alles nur Hype, um Klicks zu generieren? Schön wär’s. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Jüngste Umfragen zeigen, dass mehr als 60 Prozent der Republikaner an die Big Lie glauben, an die vielfach widerlegte Behauptung, Joe Biden sei nur wegen Wahlbetrugs an die Macht gekommen.
Weit schlimmer jedoch ist die Tatsache, dass zwölf Prozent der Republikaner überzeugt sind, man könne die «sozialistische Tyrannei der Demokraten» nun nur noch mit Gewalt brechen. Das bedeutet, dass rund 20 Millionen Amerikaner bereit sind, für ihre politischen Überzeugungen zu den Waffen zu greifen. Und davon gibt es mehr als genug. In den USA gibt es mehr Gewehre als Menschen.
Die Radikalisierung am rechten Rand ist kein Phänomen von ein paar verstreuten Häufchen von White Supremacists mehr, sie hat den weissen Mittelstand erreicht. Kein Wunder, spricht der Yale-Professor Timothy Snyder davon, der 6. Januar sei bloss die Hauptprobe gewesen. Der eigentliche Staatsstreich sei für 2024 geplant.
Den neuen Bürgerkrieg kann man sich jedoch nicht vorstellen wie denjenigen, der zwischen 1861 und 1865 die USA heimgesucht hat. Dieser war eine Art Vorläufer für den Ersten Weltkrieg in Europa. Rund 700’000 Menschen starben in äusserst blutigen und sinnlosen Schlachten, bis sich der Norden endlich durchsetzen konnte.
Ein solcher Krieg ist unter den heutigen Bedingungen nicht mehr vorstellbar. Gewalttaten seien zwar durchaus möglich, glaubt etwa Charles Blow, «doch der neue Bürgerkrieg wird in Gerichtssälen, in den Parlamenten der einzelnen Bundesstaaten und an der Urne, nicht auf dem Schlachtfeld ausgetragen».
Auf diese Schlachten bereiten sich Trump und die Republikaner systematisch vor. Sie haben aus den Fehlern des 6. Januars gelernt. Mit dem willkürlichen Einteilen der Wahlkreise, dem Gerrymandering, wird dafür gesorgt, dass die Republikaner auch dann die Mehrheit der Sitze erhalten, wenn sie bloss die Minderheit der Stimmen erzielen.
In den Swingstates wie Georgia, Pennsylvania, Wisconsin werden nicht nur die Wahlgesetze zugunsten der Grand Old Party verschärft. Primär werden die Wahlgremien mit Trump-Loyalisten besetzt. Wenn der Ex-Präsident somit 2024 – sollte er tatsächlich antreten – einen Staatssekretär bitten wird, ihm die zum Sieg nötigen Stimmen zu finden, dann wird er sie auch erhalten.
Gleichzeitig werden selbst die untersten Chargen der Wahlbehörde terrorisiert. In Georgia beispielsweise kann eine Grossmutter nicht mehr in ihrem Haus wohnen, weil sie täglich von Trump-Anhängern bedroht wird. Wegen Personalnot hatte sie ihrer bei den Wahlbehörde arbeitenden Tochter ausgeholfen. Nun wird sie auf absurde Weise beschuldigt, gefälschte Wahlzettel ins Lokal geschmuggelt zu haben.
Fast täglich werden neue Details zum Sturm auf das Kapitol bekannt. Sie zeigen, dass es sich dabei keineswegs um eine ausser Kontrolle geratene Demonstration gehandelt hat. Trump und seine Helfer haben einen Staatsstreich geplant. Selbst der Einsatz von Militär war vorgesehen. Das zeigt eine Power-Point-Präsentation, welche der ehemalige Stabschef Mark Meadows dem Ausschuss zu Abklärung der Ereignisse vom 6. Januar übergeben hat.
Darin empfiehlt der ehemalige Oberst der US-Army, Paul Waldron, dem Präsidenten, wie er den Notstand ausrufen, die Nationalgarde aufbieten und so die Bestätigung von Biden herauszögern kann. Waldron soll bis zu zehnmal persönlich im Weissen Haus vorgesprochen haben.
Mit einem eigentlichen Kulturkrieg heizen die Republikaner ihre Anhänger auf. Vor allem die Schulen sind ins Visier der GOP geraten. Neuerdings werden die Listen der Bücher der Highschools durchforstet, um Werke zu finden, welche angeblich Teenager nicht zugemutet werden können. Die Bücher werden zwar noch nicht verbrannt, aber zumindest verbannt. Gleichzeitig wird alles, was auch nur im Entferntesten nach Critical Race Theory riechen könnte, aus dem Lernplan entfernt.
Schliesslich wird auch die Medienlandschaft zunehmend auf den neuen Bürgerkrieg getrimmt. Soeben ist bekannt geworden, dass Chris Wallace von Fox News zu CNN wechselt. Wallace war einer der letzten, die bei Fox News noch das Prädikat «Journalist» verdient haben. Das ist beim Murdoch-Sender nicht mehr gefragt. Das Feld beherrschen nun Hetzer und Demagogen wie Tucker Carlson oder Laura Ingraham, und zwar flächendeckend.
Sind die USA damit jetzt schon dazu verdammt, in eine Diktatur abzugleiten? Nicht ganz. Es gibt noch Hoffnung, dass sich schlussendlich doch noch die «besseren Engel» durchsetzen werden, wie dies schon Abraham Lincoln beim Bürgerkrieg prophezeit hat.
Ein Hoffnungsschimmer ist die Tatsache, dass die Demokraten nicht die Weicheier sind, wie sie immer gescholten werden. Der 1/6-Ausschuss beispielsweise hat offenbar grosse Fortschritte gemacht und ist entschlossen, bereits im Frühjahr seine Resultate vorlegen zu können. Ein Appellationsgericht hat letzte Woche zudem ein vernichtendes Urteil gegen Trump ausgesprochen. Es wird dem Archiv des Weissen Hauses erlauben, die relevanten Dokumente dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Die Aussichten, dass der Supreme Court dieses Urteil umstossen wird, sind gering.
Nach wie vor besteht auch die Möglichkeit, dass Trump strafrechtlich angeklagt wird. In Georgia läuft ein Verfahren wegen versuchter Wahlmanipulation, in New York eines wegen Steuerbetrugs. Gleichzeitig muss der Ex-Präsident in einem Zivilprozess ebenfalls in New York aussagen.
Der Supreme Court hat angedeutet, dass er wahrscheinlich im kommenden Frühsommer das legendäre Urteil «Roe v. Wade» umstossen wird. Damit wird in rund der Hälfte aller Bundesstaaten die Abtreibung wieder kriminalisiert werden, etwas, was die Mehrheit der Amerikanerinnen überhaupt nicht will. Die hochemotionale Abtreibungsfrage wird somit die Menschen bei den Zwischenwahlen scharenweise an die Urnen treiben, etwas, was die Republikaner überhaupt nicht wollen.
Schliesslich toben auch innerhalb der GOP Richtungskämpfe. In den Primaries zu den Senatswahlen in Georgia beispielsweise zerfleischen zwei stockkonservative Kandidaten einander. Im Abgeordnetenhaus zoffen sich Trump-Anhänger, während die wenigen anständigen Republikaner nicht mehr zur Wiederwahl antreten. Trump bekämpft derweil offen Mitch McConnell, den mächtigen Minderheitsführer im Senat.
Ja, die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg ist berechtigt; ebenso die Sorge, die USA könnten in einen autoritären Staat abgleiten. Doch bis zu den Zwischenwahlen, und erst recht bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen kann noch sehr viel passieren. Zum Glück.
«doch der neue Bürgerkrieg wird in Gerichtssälen, in den Parlamenten der einzelnen Bundesstaaten und an der Urne, nicht auf dem Schlachtfeld ausgetragen»
Ja was denn jetzt?
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Die Dummheit stirbt nicht aus .
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Aber viele haben dennoch gegen National-Sozialismus nichts einzuwenden.
Und Gott liebt die Menschen, sagen sie.
Gilt aber meist nur für reiche,weiße Konservative. Moral ist ein sehr dehnbarer Begriff, Money First ist die Devise....