Dan Quayle war Vize-Präsident unter George Bush zwischen 1988 und 1992. Er galt, nun ja, nicht unbedingt als die hellste Kerze im Weissen Haus. Er hinterliess auch kaum Spuren. Nur einmal machte er so richtig Schlagzeilen, als er das Wort «potato» (Kartoffel) nicht buchstabieren konnte.
Wie Mike Pence stammt Quayle aus dem Bundesstaat Indiana. An ihn wandte sich Trumps Vize deshalb in der Stunde der höchsten Not. Der Präsident wollte von ihm etwas, das er ihm gemäss Verfassung unmöglich gewähren konnte, nämlich dass er die vom Volk gewählten Wahlmänner und damit auch Joe Biden als rechtmässigen Präsidenten nicht anerkannte.
Ob Quayle einen Ausweg wisse, wollte der verzweifelte Pence von seinem Landsmann erfahren. Die Antwort schildern Bob Woodward und Robert Costa in ihrem in den nächsten Tagen erscheinenden Buch «Peril» wie folgt: «Mike, du hast keine Flexibilität in dieser Sache. None. Zero. Vergiss es. Lass es bleiben.»
Gesenkten Hauptes ging Pence daraufhin zu seinem Präsidenten und teilte ihm mit, dass er seinem Wunsch leider nicht nachkommen könne. Und wie reagiert Trump? Wie ein trotziger Kindergartenschüler, dem sein Spielzeug weggenommen wurde. «Dann will ich auch nicht mehr dein Freund sein.»
So komisch sich das heute anhören mag, es war gefährlich, brandgefährlich sogar. Trumps Verhalten nach der Wahlniederlage war nicht nur kindisch, es war unberechenbar. Nicht nur schreckhafte Linke malten sich die schlimmsten Szenarien aus. Die damalige CIA-Chefin Gina Haspel warnte Mark Milley, den Oberkommandierenden der Streitkräfte, wie folgt: «Wir müssen uns auf einen Staatsstreich von rechts gefasst machen.»
Milley nahm daher die Sache selbst in die Hand. Nach dem Sturm auf das Kapitol telefonierte er mit seinem chinesischen Amtskollegen, General Li Zuocheng, und versicherte ihm, die Militärs hätten alles im Griff. Demokratie sein nun mal gelegentlich etwas unordentlich. Aber Li müsse keine Angriffe seitens der USA befürchten, und wenn ja, würde er ihn vorwarnen.
Damit nicht genug. Milley machte auch noch einen sogenannten «Schlesinger». Was ist damit gemeint? James Schlesinger war Verteidigungsminister unter Richard Nixon. Als dieser auf dem Höhepunkt der Watergate-Affäre voll betrunken im Weissen Haus herumtorkelte und sich selbst bemitleidete, wies Schlesinger die Generäle an, dass sämtliche Anordnungen in Sachen Atomangriff zuerst über sein Pult gehen müssten.
Dasselbe verordnete offenbar auch Milley. Er versammelte seine Generäle im Kriegsraum und liess jeden einzelnen schwören, dass sie allfällige Befehle von Trump vor der Ausführung mit ihm absprechen müssten.
Am 8. Januar beruhigte Milley auch die führenden Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer. Den Dialog mit Pelosi schildern Woodward/Costa wie folgt:
PelosI: «Was für Vorsichtsmassnahmen gibt es, um einen instabilen Präsidenten daran zu hindern, militärische Aktionen anzuordnen oder gar einen nuklearen Angriff auszulösen?»
Milley: «Wir haben viele Dinge im System, die das verhindern können.»
Pelsoi: «Aber er ist verrückt. Sie wissen, dass er verrückt ist. Und was am 6. Januar geschah, ist ein weiterer Beweis dafür, wie verrückt er ist.»
Milley: «Ich stimme ihnen vollkommen zu, Madam.»
Trump mag nun in Mar-a-Lago schmollen, doch der Trumpismus ist noch längst nicht besiegt. Das zeigen die Reaktionen auf die Enthüllungen im Buch von Woodward und Costa. Die Rechten toben. Bei Fox News haben sämtliche Starmoderatoren, also Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham, Schaum vor dem Mund. Sie beschimpfen Milley als Verräter und fordern seinen sofortigen Rücktritt.
Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida (woher sonst?), schrieb gar einen Brief an Präsident Biden, in dem er die gleichen Forderungen aufstellte. Weil Milley angeblich «vor einem möglichen Angriff Geheimnisse an die Kommunistische Partei Chinas verraten» habe. Der libertäre Wirrkopf, Senator Rand Paul, will ihn gar vor ein Kriegsgericht stellen.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass Milley auf den linksliberalen Kanälen wie MSNBC und CNN als Held gefeiert wird, der das Land vor grosser Gefahr bewahrt hat.
Selbst nach dem Telefonat von Milley soll der chinesische Oberbefehlshaber Li angeblich nicht wirklich beruhigt gewesen sein. Das ist nicht weiter verwunderlich. Die amerikanischen Konservativen haben jegliche Bodenhaftung verloren und sind eine Gefahr für die Demokratie geworden. Dazu ein paar Beispiele:
Kein Zweifel, die amerikanische Demokratie befindet sich in Gefahr. Ihr Überleben ist keineswegs gesichert. Oder wie Thomas Friedman in der «New York Times» schreibt: