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Reaktionen auf Assange-Auflieferung: Politiker und Verbände bestürzt

Reaktionen auf Assange-Auflieferung: «Hohn für Gerechtigkeit und Demokratie»

Nach jahrelanger Haft will Grossbritanniens Regierung Wikileaks-Gründer Julian Assange an die US-Justiz ausliefern. Politiker und Verbände zeigen sich bestürzt.
17.06.2022, 21:46
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t-online

Der Linke-Politiker Gregor Gysi hat eine mögliche Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange scharf kritisiert. Die Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel im Fall Assange sei «ein Hohn für Gerechtigkeit und Demokratie», schreibt Gysi auf Twitter. Der Wikileaks-Gründer sei seinen journalistischen Pflichten nachgekommen und habe aufgeklärt. «Ich kann nur hoffen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Korrektur einleitet», heisst es weiter.

FILE - WikiLeaks founder Julian Assange gestures as he talks during a news conference in central London, Thursday, Dec. 1, 2011. The British government on Friday, June 17, 2022 ordered the extradition ...
Julian Assange hält sich die Hände vors Gesicht: Der Gründer der Enthüllungsplattform wehrt sich schon seit mehr als zehn Jahren gegen eine mögliche Überstellung in die USA.Bild: keystone

Grossbritannien hatte zuvor nach jahrelangem Hin und Her die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA genehmigt. Die konservative Innenministerin Patel unterschrieb dazu eine entsprechende Verfügung, wie ihr Ministerium am Freitag in London mitteilte.

Der Gründer der Enthüllungsplattform wehrt sich schon seit mehr als zehn Jahren gegen eine mögliche Überstellung in die Vereinigten Staaten. Seit 2019 sitzt der 50-Jährige in London im Gefängnis. Wikileaks kündigte an, erneut vor Gericht zu ziehen.

Wagenknecht sieht Scholz und Baerbock in der Pflicht

Zustimmung bekommt Gysi von Parteikollegin Sahra Wagenknecht. «Ein übler Tag für die Demokratie, die Pressefreiheit, die Menschenrechte», schreibt die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. Wagenknecht sieht die Bundesregierung in dem Fall in der Pflicht.

«Wo bleibt der Protest von Baerbock oder Scholz? Diese Ignoranz, mit der man über das Schicksal von Assange und Kriegsverbrechen der USA hinwegsieht, schreit zum Himmel», schreibt Wagenknecht auf Twitter. Kritik kam auch von dem Europaabgeordneten Martin Sonneborn.

Die Bundesregierung verwies darauf, dass der Rechtsweg für Assange noch nicht ausgeschöpft sei. Die Bundesregierung habe immer wieder betont, dass die Meinungs- und Pressefreiheit «ein hohes Gut» sei, sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann. In dem Auslieferungsverfahren stehe sie grundsätzlich in einem Spannungsfeld mit Fragen des staatlichen Geheimschutzes und nationalen Interessen. Dies müsse gegeneinander abgewogen werden. Im Detail wollte Hoffmann die britische Entscheidung noch nicht bewerten.

Journalistenverband: Assange «ans Messer geliefert»

Der neu gegründete Schriftstellerverband PEN Berlin, der Assange gleich zu seinem Ehrenmitglied gemacht hatte, forderte die Regierung auf, weiterzugehen: «Wir ersuchen die Bundesregierung dringend, sich für seine sofortige Freilassung einzusetzen und ihm politisches Asyl anzubieten», hiess es in einer Mitteilung. Dafür habe sich Aussenministerin Annalena Baerbock noch im vergangenen Jahr als Oppositionsabgeordnete stark gemacht, so die Vereinigung.

Auch die Journalistenverbände in Deutschland zeigten sich bestürzt von der Entscheidung in London. Die britische Innenministerin Priti Patel habe Assange «ans Messer geliefert und damit auch die Pressefreiheit massiv beschädigt», erklärte die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Monique Hofmann, am Freitag. «Das ist eine schwere Niederlage für die Demokratie und eine Schande für den Rechtsstaat.»

«Wikileaks hat Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak aufgedeckt und öffentlich gemacht, über die Opfer, Hinterbliebene und die gesamte Weltöffentlichkeit Klarheit brauchten», erklärte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall. Er rief die US-Strafverfolgungsbehörden auf, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einem «niederschmetternden Signal für die Pressefreiheit».

((t-online,dpa,AFP ))

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Sieben Jahre in der Botschaft: Der Fall Julian Assange
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Sieben Jahre in der Botschaft: Der Fall Julian Assange
Sommer 2010: Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470'000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250'000 Dokumente kommen später hinzu.
quelle: shutterstock.com
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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Träumer
17.06.2022 23:19registriert Februar 2015
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Reaktionen auf Assange-Auflieferung: «Hohn für Gerechtigkeit und Demokratie»\n...
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Orfeo
17.06.2022 23:22registriert August 2017
Alexej Nawalny unterstützen ist natürlich wichtig. Aber Julian Assange ausliefern ist einfach eine Sauerei!
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Solis93
18.06.2022 00:55registriert September 2021
175 Jahre Knast (wie absurd) für ihn, weil er der Welt gezeigt hat, wo die USA überall hingekackt und nicht hinter sich sauber gemacht hat...shit
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