Kind sein ist schon toll. Da kannst du essen, was du willst. Tomatenpüree und Mayonnaise aufs Brot streichen? Logisch. Ketchup über die Pasta? Super! Doppelkekse und Cola? Das Leibgericht meines achtjährigen Ichs. Und dann wirst du erwachsen.
Es ist nicht so, dass ich jetzt noch das Bedürfnis hätte, Kekse mit Cola zu kombinieren, geschweige denn Ketchup für etwas anderes ausser Pommes zu benutzen. Aber manchmal mag ich es eben doch etwas, sagen wir mal so: unkonventioneller.
Letzte Woche zum Beispiel. Da war ich auf einem Besuchstag im Militär. Wisst ihr, was es da gab? «Ghackets und Hörndli». Mit Apfelmus. Es war der glücklichste Moment meines Lebens – und ich hab mal eine Reise nach Irland gewonnen.
Einige von euch werden jetzt sagen, dass das ja gar nichts Schlimmes ist. Aber wisst ihr, was ich dann gemacht habe? Ich hab das kalte Apfelmus mit den heissen Hörnli und dem Hackfleisch vermischt. Es regelrecht durchgeknetet, bis eine gleichmässige, lauwarme Masse aus Glücksgefühlen aus meiner Kindheit daraus entstand. Und das hab ich dann gegessen. Und es war geil.
Tatsächlich gibt es aber Leute, die mich deswegen schon angegangen haben. Das Apfelmus ist gefälligst separiert von den Hörnli und dem Hackfleisch zu konsumieren. Genauso hält man Ananas von Pizza fern.
Das nervt mich.
In den letzten Jahren wurde ich so von essensbesessenen Moralaposteln penetriert, dass ich mich kaum mehr traue irgendetwas zu essen. Ja, soweit ist es schon gekommen!
Dabei gibt es zwei Varianten von Food-Besserwissern:
Aka der Lifestyle-Mensch. Beim Anblick von Fertiggerichten bekommt er einen epileptischen Anfall. Weil ER macht sich Carbonara immer von Grund auf selbst. Also auch die Spaghetti. Und zwar nur mit Mehl, das aus Weizen ist, der von eineiigen Zwillings-Kindern bei einer Vollmondnacht in einem Schaltjahr geerntet wurde.
Aka der traditionelle Mensch. Für ihn muss es zwar nicht unbedingt immer mega frisch und gesund sein, aber wehe, du weichst auch nur ein kleines bisschen vom Originalrezept von 666 vor Christi Geburt ab. Rahm in die Carbonara? Auf den Scheiterhaufen mit dir! Schinken in die Carbonara? Scheiterhaufen. Roter statt schwarzer Pfeffer? Genau: Scheiterhaufen.
Und dann komm ich des Weges und erzähle, dass ich manchmal gerne Ravioli aus der Büchse esse und alle schauen mich an als hätte ich gerade einen Mord gestanden.
Also sitze ich dann abends zuhause im stillen, dunklen Kämmerlein, weine leise vor mich hin, während ich meine Dose Büchsenravioli esse. Und natürlich ist mir klar, dass frische Ravioli besser sind. Und mir ist auch klar, dass gewissen Leuten nur schon beim Gedanken an solches «Güsel-Essen» schlecht wird. Aber ich will das nicht wissen!
Überall ist man heute mega tolerant – oder versucht es zumindest. Aber beim Essen zieht man dann die Grenze? Wenn mein Kumpel sagt, dass er seine Carbonara jetzt halt mit Rahm lieber mag, ist das dann wirklich so schlimm? Er weiss, dass dies dann eigentlich keine richtigen Carbonara mehr sind, aber er mag es halt.
Und mein Bruder isst eben gerne diese roten Bohnen an Tomatensauce. Und dann tunkt er sie mit Brot aus. Weil er es gerne isst. Und auch ein bisschen, weil er sich dann wie Bud Spencer und Terence Hill aus einem ihrer Western fühlt.
Und überhaupt: Ist Kochen nicht auch eine Kunstform? Und mit Kunst soll man experimentieren. Irgendwann hat auch mal ein Niemand die Idee gehabt, Eigelb, Speck und Parmesan über die Spaghetti zu kippen – und auch damals haben bestimmt alle völlig empört geschrien:
PS: Ich komme aus dem Kanton St.Gallen und esse meine Bratwurst trotzdem mit Senf. Manchmal.