Bereits die ersten sechs Minuten sind ein wunderbares Zusammenspiel von Musik und Film. Zum Song «Bellbottoms» von The Jon Spencer Blues Explosions erleben wir einen Überfall mit anschliessender Verfolgungsjagd – und alles ist perfekt zum Song arrangiert. Selbst die Scheibenwischer wippen im Takt der Musik. Hier untermalt nicht die Musik einfach nur das Bild, das Bild untermalt die Musik.
Die Geschichte dreht sich um den Fluchtwagenfahrer «Baby». Keiner ist besser als er in seinem Job. Durch einen Unfall, den er als Kind hatte, hört er ein permanentes Summen im Ohr. Um das zu übertönen, hat er angefangen Musik zu hören. Inzwischen richtet sich sein ganzes Leben nach dem Takt der Musik, auch die Art und Weise, wie er seine Fluchtwagen fährt. Als er eines Tages eine hübsche junge Kellnerin kennenlernt, versucht er, seinen Job als Fluchtwagenfahrer an den Nagel zu hängen, was natürlich nicht so einfach ist.
Um eines vorweg zu nehmen: «Baby Driver» ist kein Film, den du dir nur anschaust, wenn du auf Autos stehst. Klar, es wird gefahren, aber Regisseur Edgar Wright serviert uns die Szenen immer in angemessenen Häppchen, sodass man nicht das Gefühl hat, einer endlosen Verfolgungsjagd beiwohnen zu müssen.
Dazwischen spinnt Wright eine amüsante Gangstergeschichte, die seine typische Handschrift trägt. Bild- und Wortwitz sind so dicht gestreut, dass man fast nicht mehr nachkommt, all die Anspielungen und Seitenhiebe zu erfassen. Einige mag das überfordern, aber es erhöht den Drang, sich diesen Film erneut anzuschauen, extrem.
Doch zurück zu dem, was mich wirklich begeistert hat: Die Musik. Der offizielle Soundtrack enthält 30 Songs. Doch eigentlich hat es weitaus mehr Stücke im Film. Ihr seht also, dass die Kadenz an Songs sehr hoch ist. Ich weiss gar nicht, ob es überhaupt fünf Minuten am Stück im Film gibt, die ohne Musik auskommen.
Das mag jetzt im ersten Moment anstrengend klingen, doch das ist es ganz und gar nicht. Vielmehr wird die Musik zu einem der Darsteller im Film. Mal ist sie Nebendarsteller, dann Hauptdarsteller und in wenigen Momenten vielleicht nur Statist, aber immer ist sie perfekt in die Szene integriert. Selbst die Geldbündel werden in diesem Film im Takt der Musik gestapelt.
Die Vielfalt der Songs ist dabei riesig. Zuerst heizen wir zu den angriffigen Tönen von «Bellbottoms» über den Asphalt, dann flanieren wir zu den gemütlichen Klängen von «Egyptian Reggae» durch die Stadt und enden schliesslich in einer wilden Schiesserei zum Takt von «Tequila».
Dass die Schusswechsel tatsächlich im Takt der Songs arrangiert sind, wird dir im ersten Moment nicht auffallen, doch wenn du es dann bemerkst, wirst du es kaum erwarten können, bis endlich wieder rumgeballert wird.
Viel auszusetzen gibt es am Film nicht. Einige von euch mögen sich vielleicht am Finale des Filmes stören, das in einer regelrechten Action-Orgie gipfelt. Aber das gehört bei einem Edgwar-Wright-Film eben einfach zum guten Ton.
Keine Angst: «Baby Driver» ist kein Möchtegern-Musical. Wenn schon, dann ist der Film eher ein sehr langer, sehr cooler Music-Clip.
Wer Filme liebt und nicht ohne Musik leben kann, findet in «Baby Driver» eine wundervolle Verschmelzung dieser beiden Kunstformen. Für alle anderen gibt es einen unterhaltsamen Gangsterfilm, der mit rasant inszenierter Action und schräger Dialoge punktet. Du kannst dir den Film also auch anschauen, wenn du nicht auf Autofilme steht. (Ja, ich meine euch, liebe «The Fast and the Furious»-Hater).
Laufzeit: 112 Minuten
Schweizer Kinostart: 27. Juli