So macht man das: Schreibt «Fuck» auf die eine Schuhsole und «off» auf die andere und sorgt dafür, dass dies während einer der wichtigsten Preisverleihungen der Fernseh- und Streamingdienstbranche, den Emmys, ganz zufällig sichtbar wird.
Gemeint hat die 35-jährige Schauspielerin Elisabeth Moss mit ihrem diskreten «Fuck off!» das «Patriarchat», wie ihre Stylistin auf Instagram schreibt. Aber vielleicht meinte Moss ja auch ein kleines bisschen die Emmys selbst, an denen sie am Wochenende bereits zum siebten Mal nominiert war und damit rechnete, zum siebten Mal leer auszugehen. Was kein Mensch, der serienmässig bei Trost ist, in den letzten Jahren verstanden hat. Denn Elisabeth Moss ist nicht erst seit «The Handmaid's Tale» – mit der sie ihren Emmy schliesslich gewann – DAS Seriengesicht.
Vor der Kamera stand Elisabeth Moss schon mit 8 Jahren, als sie sich noch sicher war Ballerina und nicht Schauspielerin zu werden. Die Schauspielerei wählte sie schliesslich aus Bequemlichkeit. Ihre Eltern waren beide Musiker – und beide Scientologen. Elisabeth Moss wuchs mit Scientology auf, es war ihre Mutterkirche, nicht mehr, nicht weniger. Sie hat aufgehört darüber zu reden, es sei ihre Privatsache sagt sie und will nicht, dass Scientology andauernd mit dem totalitär regierten Amerika aus «Handmaid's Tale» verglichen wird.
Mit 16 begann ihr erster Qualitäts-Serien-Trip, sie spielte die privilegierte, aber patente Tochter des amerikanischen Präsidenten (Martin Sheen) in «The West Wing». In jener legendären, smarten und überaus geschwätzigen Serie von Aaron Sorkin also, die uns das Weisse Haus näher brachte als jeder Politkorrespondent dies je gekonnt hätte.
Und plötzlich war sie Peggy Olson. Die etwas zu unglamouröse, zu unraffiniert scheinende Sekretärin in einer Werbeagentur mitten in New York. Dort wo Werberguru Don Draper auf seinem Thron aus Genialität und gebrochenen Frauenherzen regierte. Peggy war die Normale unter den unerträglich Schönen in Matthew Weiners «Mad Men». Und die Figur, die den grössten Aufstieg machen durfte.
Aus der Sekretärin wurde über die Jahre selbst eine geschickte Werberin, in ihr manifestierte sich die Emanzipationsgeschichte der urbanen, professionellen Amerikanerin in den 60er-Jahren am schönsten. Peggy Olson war eine trotzige Identifikationsfigur mitten im Glam-Bang von «Mad Men». Eine unnachgiebige Frau mit einem harten Leben, einem nackten Gesicht und einer Stimme aus salzigem Honig.
Es folgten die serientragenden Hauptrollen mit den grossen Abgründen. Die neuseeländische Detektivin Robin Griffin in «Top of the Lake» von Oscarpreisträgerin Jane Campion, einer Serie von, mit und über Frauen. Das Thema: Verbrechen gegen Frauen. In Staffel zwei treibt ein totes schwangeres Mädchen in einem Koffer im Meer. Robins eigene Tochter entsprang einer Vergewaltigung. Oder die Gebärmaschine Offred in «The Handmaid's Tale». Das Thema: Verbrechen gegen Frauen. Reiche Männer vergewaltigen gebärfähige Leibeigene.
Die zweite Staffel von «Top of the Lake» stand bei den diesjährigen Emmys noch nicht zur Auswahl, schade, denn was Moss da zeigt ist sehr viel mehr als in «Handmaid's Tale» mit seiner somnambulen Opfer-Rolle. Als Robin Griffin hat sie nicht nur die umwerfende und überraschend komische Gwendoline Christie (Brianne of Tarth aus «Game of Thrones») an ihrer Seite, sondern ist selbst nur sowas wie ein mit Mühe erkalteter Vulkan, unter dessen kühl effizienter Oberfläche diverse Existenzkrisen brodeln. Fun Fact: Moss verstand sich am Set prima mit Scientology-Aussteigerin Nicole Kidman.
Genau so ungern wie über Scientology redet sie übrigens über ihren bloss ein Jahr dauernden Eheversuch mit «Saturday Night Live»-Musiker und Schauspieler Fred Armisen, der sie zigfach betrog. Er wollte Peggy Olson mit den adretten Kostümen und der hartnäckigen, aber angenehmen Art heiraten – und bekam statt dessen Elisabeth Moss, die am liebsten zuhause sitzt, TV schaut und Essen und Kleider per Internet bestellt. Eine ganz normale Frau eben. Die öfter mal «Fuck off!» sagt.