So schnell ist ein Semester also rum. Die Austauschstudenten sind in den letzten Wochen fortlaufend nachhause geflogen. Mein Nachbar Jake und ich bleiben am längsten, bis wir zusammen nach Sydney reisen. Er fliegt von dort aus weiter zurück ins Land der mittlerweile sehr begrenzten Möglichkeiten (USA) und ich trete meinen Reisemonat an: die Ostküste hoch bis nach Cairns.
Bevor Jake und ich den Flug antreten, offenbart sich, dass wir beide völlig verschieden an so eine Reise herangehen. Und mir wird klar ...
Im Grunde genommen lässt sich während jeder Etappe des Reiseprozesses die Menschheit in AUSSCHLIESSLICH zwei Lager aufteilen. (Wenn du das jetzt zu ernst nimmst, gibt’s heut Abend keinen Nachtisch.)
Schauen wir uns diese also ein bisschen genauer an ...
Jake wäre so einer. Bereits eine Woche vor Abflug wäscht er all seine Kleider und führt die Grundreinigung der Wohnung durch. Diese wiederholt er am letzten Tag. Und zwar zwei Mal! Seine sieben Sachen packt er auch mindestens 5 Tag vor Abreise und lebt von da an aus dem Koffer. Er druckt sämtliche Buchungsbestätigungen, Flugpläne und Google-Maps-Karten aus. Natürlich nur für den Fall, ...
So einer wäre dann ich. Unser Flug ist am Abend. Warum also sollte ich die Vorbereitung nur eine Sekunde zu früh beginnen? Am Abreisetag stehe ich ausgeschlafen auf und mache das, was ich auch bei Uni-Arbeiten zuerst mache: Prokrastinieren.
Ein letztes Mal ins Fitness und ein letztes Mal über den Campus laufen. Am späten Nachmittag schmeiss ich dann meine Wäsche in die Maschine und putze das Zimmer, das ich knapp fünf Monate lang bewohnt habe. Ausserdem buche ich eben rasch ein Hostel in Sydney, damit ich am nächsten Tag und in der kommenden Woche einen Ort zum Schlafen habe. Danach drücke ich alles, was ich nicht angezogen habe in meinen Koffer. Die Flugnummer oder die genaue Abflugzeit weiss ich bis zum Schluss nicht. Aber dafür habe ich ja Jake.
Er macht sich um alles einen Kopf und hat den ganzen Prozess vom Betreten des Flughafens bis zum Borden schon dreimal im Kopf durchdekliniert und geprobt. «Sicher ist sicher» ist sein Motto und seine Argumentation klingt in etwa so:
Er ist der Albtraum des ersten Typs. Mit ihm zu Reisen ist ein reines Nervenfeuerwerk. Er verlässt das Haus eine halbe Stunde vor Check-In-Schluss. Muss dann nochmals zurück, weil er den Pass vergessen hat. Denselben sucht er am Schalter nochmals zehn Minuten lang, weil er es geschafft hat, ihn in dieser ach so kurzen Zeit in den Untiefen seines Rucksacks zu verlieren.
Am Sicherheits-Check wird er rausgewinkt, weil er 2017 immer noch nicht verstanden hat, dass er seine grosse Shampoo-Flasche nicht mitnehmen kann. Und dann hat der Depp garantiert noch ein Samsung Galaxy Note 7. Immerhin wird er ein bisschen berühmt, denn sein Name wird aufgrund der Verspätung mindestens zwei- bis dreimal im gesamten Flughafen ausgerufen. Sein Vorteil: Wenn er dann mal am Gate angekommen ist, kann er normal ins Flugzeug steigen und sich hinsetzen, ohne dumm in den Gängen rumstehen zu müssen.
Jeder kennt sie. Noch bevor der Boarding-Schalter überhaupt besetzt ist, stehen sie Schlange. Und zwar egal welchen Sitzplatz sie haben. Die Durchsagen ignorieren sie gekonnt:
Diese Aussage ist diesem Reisetypen sowas von egal. Sein Gedanke:
Er ist klug genug zu wissen, dass das ungeordnete Vordrängeln beim Boarden den Abflug nicht beschleunigt, sondern verzögert. Deshalb sitzt er gemütlich auf dem Wartesitz, lädt sein Handy zu Ende und schaut den anderen beim Stehen zu.
Das gleiche wiederholt sich dann beim Aussteigen nach Ankunft, deshalb werden diese Typen an der Stelle nicht nochmals ausformuliert.
Es soll aber gesagt sein, dass es ein grundsätzliches Karma-Gesetz ist, dass dein Gepäck nachher am Band als letztes kommt, wenn du noch beim Verlassen des Rollfelds bereits im Gang rumstehst. Ausserdem siehst du dabei doof aus. Sehr doof sogar.
Wenn wir schon dabei sind, die Menschheit binär zu segregieren, gibt's zum Schluss noch ein paar generelle (total wertneutrale) Aufteilungen als Bonus: