Kennt ihr diese Leute, die zwischen guten und schlechten Ausländern unterscheiden? Das sind Leute, die zu Ausländern Dinge sagen wie: «Du hast einen anständigen Job und verhältst dich zuvorkommend. Du bist nicht wie die anderen. Gegen dich hab ich nichts.»
Die Colgate University in Hamilton, New York, verhält sich ein bisschen wie diese Leute. Sie belegt nämlich landesweit den dritten Platz hinsichtlich erfolgreicher Integration von afroamerikanischen Studierenden. Sie setzten sich also dafür ein, dass Schwarze keine grösseren Hürden bewältigen müssen, um an ihrer Schule aufgenommen zu werden, als Weisse.
Aber Rassismus auf solch einer institutionellen Ebene zu bekämpfen, reicht eben nicht, um Rassismus ganz vom Campus zu verweisen, wie die jüngsten Ereignisse an der Colgate zeigen.
Ein Student der Colgate University werkelt an einem Kunstprojekt herum. Er benötigt dazu Leim – Heissleim, um genau zu sein. Das Gerät, das man dabei verwendet, sieht aus wie eine Pistole.
Also greift der nichts ahnende Student zu jenem Gerät, welches im Werkraum der Hochschule zur Verfügung steht. Kurze Zeit später geht eine Mail an alle Studierenden, Professoren und Angestellten:
Was folgt, ist eine mehrstündige Abriegelung der gesamten Hochschulanlage. Mehrere hundert Menschen sind eingesperrt.
In unterschiedlichen Gruppen-Chats kursieren Informationen: Amoklauf! Komplizen seien im Spiel, behaupten die einen. Mehrere Schützen seien auf die verschiedenen Gebäude verteilt, bezeugen andere. Schüsse seien im Trakt der Naturwissenschaften gefallen. Einer der Amokläufer habe Suizid begangen.
Hoping for a peaceful outcome at the Coop. #Colgate #ActiveShooter. Words I wanted to never have to type.
— bradpatrick (@bradpatrick) 2. Mai 2017
Nichts von alledem ist wirklich geschehen. Vier Stunden nach der ersten elektronischen Warnmeldung trudelt ein Statement des Dekans Mark Thompson in die Posteingänge der erschrockenen Universitätsleute ein.
Dumm gelaufen, könnte man sagen. Ein witziges Missverständnis, wobei die Schulleitung doch recht professionell und vorsichtig gehandelt hat.
Was der Geschichte jedoch einen bitteren Nachgeschmack verleiht: Der bastelnde Student ist Afroamerikaner. Okay, noch ein Zufall, könnte man wiederum behaupten.
Doch ein Facebookpost der Studentin Jenny Lundt entlarvt den offensichtlichen Rassismus in dieser Situation.
In ihrem Post schreibt Lundt zu einem Foto:
Lundts Post wurde inzwischen fast 16'000-fach geteilt und generierte über 1500 Kommentare.
Aufgrund ihres Social-Media-Statements wird nun eine Diskussion geführt, die sich mit der Frage der Verteilung von Privilegien befasst.
Lundt selber updatet den Status laufend mit den neusten Reaktionen und Kommentaren. Aus einem Post entwickelte sich so ein Plädoyer für mehr Gerechtigkeit.
Einige Erkenntnisse daraus:
Racial Profiling bedeutet, dass man vom Aussehen einer Person auf deren Ethnie schliesst und aufgrund dessen sein Verhalten gegenüber dieser Person anpasst.
In beiden Fällen war die «Waffe», mit der hantiert wurde, egal. Niemand konnte sich vorstellen, dass Jenny Lundt mit ihrem Schwert jemanden verletzen wollte. Auch wenn dies durchaus möglich gewesen wäre. Alle haben Jenny als harmloses weisses Mädchen gesehen, von dem man nichts Böses zu erwarten hat.
Beim schwarzen Studenten hingegen ist die Situation genau umgekehrt. Hätte die Person, die Alarm schlug, einen zweiten Blick auf das Gerät in seiner Hand geworfen, wäre die Situation niemals derart eskaliert. Doch der Anblick eines schwarzen Mannes wurde offenbar als Bedrohung wahrgenommen.
Dass Lundt diesen Post machen kann, hängt stark mit ihren Privilegien als weisse Person zusammen. In einem Update zu ihrem Post schreibt die Studentin:
In den Kommentaren wird der Frage nachgegangen, was man denn mit seinen Privilegien anfangen kann und ob man sich dafür schämen muss. Mann könne ja nichts dafür, dass man weiss sei.
Der Tenor in der Kommentarspalte ist der folgende:
Ins Beispiel von Lundt übersetzt, heisst das: Obwohl auch andere, nicht-weisse Studenten der Colgate University sich über das Racial Profiling im «Heissleim-Attentat» ausgelassen haben, blieb Lundts Post der folgenreichste.
Sie selber sagt, dass dies daran liege, dass sie nicht als Verliererin dastehe, sondern auf ungerechte und perverse Weise von Situationen wie dieser profitiere. Dieses Engagement komme in einer egoistischen Welt unerwartet, weil sie davon selbst keinen Eigennutzen trage – ausser das Gefühl, zu einer besseren Welt beizutragen.