Eigentlich wäre der August ja ein schöner Monat. Objektiv betrachtet: Warme Temperaturen, noch immer lange Tage, viel Licht, Ferienstimmung. Quasi eine Antithese zum Januar und Februar, in denen viele Menschen an einer saisonal bedingten Depression leiden.
Doch zwischen den Seelen, die sich Jahreszeiten bedingt mies fühlen, gibt es auch Ausreisser: die August-Hasser. Einer davon bin ich.
Es ist der August, der Monat, der hierzulande schon laut und euphorisch beginnt, währenddessen meine Stimmung sich in den Keller verdrückt. Zu den ängstlichen Haustieren hinunter, die sich vor den jaulenden Feuerwerksköpern fürchten. Und wie die Raketen und Zuckerstöcke gen Himmel schiessen, macht sich ein energischer Wunsch nach Veränderung in mir breit, der mich noch gute 31 Tage verfolgen wird.
Stephen Ferrando, psychiatrischer Leiter des «Westchester Medical Center» in New York sagt, der August-Blues sei wie eine Sonntagabend-Depression – einfach einen ganzen Monat lang. Gegenüber dem «New York Magazine» hält er aber fest, dass die «Endsommerdepression» anders beschaffen ist, als das übliche Jahreszeiten-Tief im Winter.
Die Schlappe im Januar und Februar ist biologisch zu erklären. Die Winterdepression ist eine Art Winterschlaf, der durch einen Lichtmangel entsteht. Evolutionsbiologisch macht das Sinn. Der Mensch fährt sein System herunter, um den Winter zu überstehen. In einer modernen Gesellschaft trägt man davon jedoch wenig Nutzen. Ausser man begrüsst extreme Müdigkeit, Hunger nach Kohlehydraten und Gewichtszunahme.
Was ist es also, dass mir und anderen, während des sommerlichen Ausklingens die Laune verdirbt? Licht gibt's ja genug und statt Fressattacken, plagt mich Appetits- und Lustlosigkeit, begleitet von der Angst, dass alles gleich bleibt, dass ich im Hamsterrad renne.
Der Sommer ist das Ende der Ausnahmezeit. Ferrando chrakterisiert sie im Interview mit dem «NY-Mag» wie folgt: «Diese Jahreszeit hat sich im Kollektivbewusstsein als die spasshafteste Periode einer Sonnenumdrehung eingebrannt. Egal, ob man sie hasst oder liebt – neigt sie sich dem Ende zu, kommt die Torschlusspanik.»
Und was folgt auf ein Ende, sofern die persönliche Hoffnung noch nicht gestorben ist? Ein Neubeginn. Das kennen die meisten aus ihrer (vergangenen) Schulzeit. Spätestens im September wird neubegonnen. Und das macht den August zum klingenden Dezember und den ersten Herbstmonat zum wahren Januar. Zumindest im Kopf. Denn wer nicht mehr in engem Kontakt mit dem Bildungssystem steht, für den war sowohl der verheissungsvolle Spasssommer keine dreimonatige Pause, noch verspricht der darauf folgende Herbst eine neue Ära.
Laut Rachel Annunuiato, Psychologie-Professorin in Fordham (USA), steht die Sommerzeit auch für arbeitende Menschen im Zeichen des Besonderen. Der Herbst hingegen bringe wieder Normalität, Ruhe, Langeweile. Viele Leute – egal welchen Alters – würden deshalb in der sommerlichen Endschlaufe ein Bedürfnis zur Veränderung entwickeln.
Wer nun aber am ersten September keine neue Stelle antritt, keine Ausbildung beginnt oder auch nicht gerade in einen Siebdruck-Kurs einsteigt, bleibt auf seiner allfälligen «augüstlichen» Endzeitstimmung sitzen und in der Endsommer-Depression stecken. Der erste September ist in diesem Fall wohl nichts weiteres, als ein Montagmorgen. Komischerweise aber ein langersehnter.
PS: Und dieses Jahr sogar noch ein Freitag. :-}