Schweiz
Coronavirus

Corona: Behandlungsqualität auf Intensivstationen wird leiden

«Es sind die Patienten, die sterben werden, wenn wir sie nicht behandeln können wie sonst»

Der Leiter der Intensivstation in Basel sagt, was passiert, lange bevor es in Spitälern zur Triage kommt. Mehr Handlungsspielraum gibt es erneut bei den Operationen von Non-Covid-Patienten.
07.09.2021, 11:21
Sabine Kuster / ch media
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Medical professionals pronate a 39 year old unvaccinated COVID-19 patient in the Medical Intensive care unit (MICU) at St. Luke's Boise Medical Center in Boise, Idaho on Tuesday, Aug. 31, 2021. ( ...
Auch künftig werden alle dringenden Fälle behandelt – auch die ungeimpften Covid-Patienten.Bild: keystone

Die 4. Welle. Das 4. Mal Alarm aus den Spitälern. Doch diesmal ist es anders, die Frage ist: Werden geimpfte Patienten, die Verschiebung ihres Operationstermins wieder genau so akzeptieren wie im Oktober 2020 als die Situation prekär wurde – und es die Impfung noch nicht gab?

Bereits seit dem 31. August empfiehlt der Bund den Spitälern «nicht dringende Eingriffe und Behandlungen mit anschliessendem Intensivaufenthalt vorerst zurückzustellen».

Wie ernst ist die Lage? Seitens der Intensivstationen heisst es erst einmal: «Es ist immer eng». Intensivbetten und medizinisches Personal kosten viel Geld, die Reserve kann nie gross gehalten werden. Und hoffnungslose Corona-Fälle behandle man dort nie. Solche Fälle gab es im letzten Jahr einige – nun sind sehr viele der Ältesten geimpft. Und die ungeimpften 50- und 60-Jährigen, die mit Corona ins Spital kommen und deren Zustand sich verschlechtert, haben mit der Behandlung auf einer Intensivstation meist gute Chancen zu überleben.

Hans Pargger
Hans Pargger, Leiter der Intensivstation am Unispital Basel.Bild: pd

Erzeugt das Unmut seitens der Geimpften? Hans Pargger, Chefarzt und Leiter der Intensivstation am Universitätsspital Basel, sagt: «Wir haben meines Wissens noch nie zum Nachteil irgendeines Patienten gehandelt. Wir behandeln unabhängig vom Impfstatus oder ob Covid oder Nicht-Covid.»

Unispital Zürich verschiebt Tumoroperationen

Kommt es also zur Triage, wenn der Platz knapper wird? Seitens des Universitätsspitals Zürich heisst es: «Je nach weiterer Entwicklung der Situation handelt es sich um ein realistisches Szenario.» Das Spital schreibt weiter: «Um für Covid-Patienten Betten zu erhalten, werden möglichst wenig Patienten operiert, die danach eine Intensivstation brauchen. Derzeit werden wieder Operationen verschoben auch von schwer kranken Non-Covid-Patienten, wie zum Beispiel Tumor-, Herz- oder Hirnoperationen.»

FILE - In this Tuesday, Jan. 23, 2018 file photo, a doctor, center, directs a special camera to look at a patient's tumor at a hospital in Philadelphia. According to research released on Wednesda ...
Tumoroperationen werden aufgrund von Platzmangel auf der Intensivstation verschoben.Bild: AP

Soweit ist es in Basel noch nicht. Doch der Leiter der Intensivstation sagt, was in Spitälern im Kleinen passiert, lange bevor es zur Triage kommt: Das Pflegepersonal und die Ärztinnen und Ärzte entscheiden häufiger, dass ein Patient noch einen Tag länger auf der normalen Station bleiben kann.

«Andererseits wird dann auch niemand aus Sicherheit länger als nötig auf der Intensivstation gelassen. Stattdessen setzen wir vermehrt Sitzwachen ein, welche die Patienten nachts auf der normalen Station überwachen.»

Mehr Druckstellen, mehr Fehler

Und: «Die Behandlungsqualität wird leiden», sagt Pargger.

«Die Patienten werden mehr Druckstellen haben, weil sie weniger oft umgelagert werden können. Es wird eher mal ein Beatmungsschlauch rausrutschen, was zu einer Notsituation führt. Es werden mehr Leute sterben, je mehr Patienten auf eine Pflegefachkraft und die Ärzteschaft kommen.»

In Parggers Schublade liegen Pläne, gemäss denen Patienten auch im Aufwachraum und andernorts beatmet werden, wenn der Platz nicht mehr reicht. Und dass dann eine Pflegefachkraft für vier statt einen Patienten sorgen muss.

«Es stimmt zwar, dass es schwierig für unser Personal ist. Absolut. Aber was ich eigentlich sagen will, ist: Es sind die Patienten, die leiden und schliesslich sterben werden, wenn wir sie nicht behandeln können wie sonst. Beide, die Non-Covid-Patienten und die Covid-Patienten. Wer sich um keinen Preis impfen lassen will, muss schauen, dass er auf keinen Fall infiziert wird, bis die Lage sich beruhigt.»

Bevor es so extrem wird, kommt eine andere Lösung zum Zug. Pargger sagt:

«Wir kehren in den Zustand der ersten Welle zurück und sagen alle irgendwie möglichen Operationen ab.»

Damals hatte dies der Bundesrat verordnet. Aktuell aber versuchen die Spitäler den Betrieb so gut es geht aufrecht zu erhalten um die Non-Covid Patienten nicht zu benachteiligen. Auch seitens des Kantonsspitals St. Gallen heisst es: «Wir sind jetzt praktisch am Maximum, wenn wir weitere Kapazitäten freiräumen müssen, müssen wir die Operationen massiv herunterfahren.» (saw/ch media)

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142 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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du_bist_du
07.09.2021 11:38registriert Mai 2020
Nun, meine Operation wurde verschoben. Mein Verständnis hält sich in Grenzen, also ist gleich null.
Ich äussere meinen Unmut allerdings nicht in harten Worten, lediglich zynisch, gegenüber der zuständigen Ansprechperson des Spitals, schliesslich kann die auch nichts dafür.
Also nur weil Unmut nicht immer gezeigt wird, ist der durchaus trotzdem da...
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Pr0di
07.09.2021 11:35registriert Februar 2017
Ich finde es tragisch, wenn non-Covid Patienten wegen den meist ungeimpften Covid Patienten leiden müssen. Erst kürzlich habe ich z.B. von einem Fall erfahren, bei dem eine Tumoroperation während der dritten Welle verschoben wurde. Die OP wurde im Sommer dann durchgeführt, leider zu spät, der Krebs hatte mittlerweile gestreut und die Person ist letzte Woche verstorben. Wäre die OP einige Monate früher durchgeführt worden, hätte die Person gute überlebens-Chancen gehabt. Also unbedingt impfen lassen falls noch nicht geschehen und das ein zweites mal ja zum Covid Gesetz stimmen.
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Hirngespinst
07.09.2021 11:28registriert August 2019
Wenn ich das lese, höre ich meine Arbeitskollegin, die sich nicht impfen lassen will: "Ich bin jung und gesund. Mir passiert nichts!"
Ich weiss nicht, ob ich ihre Aussage das nächste Mal stillschweigend zur Kenntnis nehmen kann...
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