Die Selbstbestimmungsinitiative bringt aus Sicht des Bundesrates nicht mehr Selbstbestimmung. Sie schwächt vielmehr den Schutz durch die Menschenrechte und gefährdet das Erfolgsmodell Schweiz.
Über die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» entscheidet das Stimmvolk am 25. November. Die SVP verlangt, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht immer Vorrang hat - unter dem Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.
Der Bundesrat und das Parlament empfehlen dem Stimmvolk, die Initiative abzulehnen. Weshalb sie dagegen sind, haben am Dienstag Justizministerin Simonetta Sommaruga und der scheidende Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann dargelegt.
Die Schweiz werde geschätzt für ihre Verlässlichkeit und ihre guten Dienste, heisst es in einer Mitteilung ihrer Departemente. Als Land mitten in Europa und als Exportnation brauche die Schweiz geregelte Beziehungen zu ihren Nachbarn und zur Welt.
Mit internationalen Verträgen - also Völkerrecht - sichere sie ihre Interessen. Solche Verträge regelten zum Beispiel den Warenhandel, die soziale Sicherheit oder die Polizei-Zusammenarbeit. Sie schützten aber auch die Rechte der einzelnen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Menschenrechte.
Die Initiative verlange einen starren Mechanismus, kritisiert der Bundesrat. Würde eine Volksinitiative angenommen, die in gewissen Punkten mit einem internationalen Vertrag nicht vereinbar ist, dürfte die Schweiz den Vertrag nicht mehr anwenden, ausser er hätte dem Referendum unterstanden. Das könnte als Aufforderung zum Vertragsbruch verstanden werden, heisst es in der Mitteilung. Es schade dem Ruf der Schweiz und schwäche ihre Position.
Weiter müsste die Schweiz betroffene Verträge anpassen, also mit den entsprechenden Ländern neu verhandeln. Gelänge dies nicht, müsste sie den Vertrag kündigen. Die Initiative setze damit internationale Verträge aufs Spiel und gefährde so Stabilität und Verlässlichkeit.
Bei einem Ja müsste die Schweiz eine nicht abschätzbare Zahl von Verträgen neu verhandeln und anpassen, warnt der Bundesrat. Mehr Selbstbestimmung bringe das nicht, denn die Schweiz entscheide bereits heute selber, welche Verträge sie abschliessen wolle und welche nicht. Die Stimmbevölkerung habe dabei weitgehende Mitspracherechte.
Bundesrat, Parlament und die Stimmbevölkerung stimmten Verträgen nur zu, wenn sie der Schweiz unter dem Strich Vorteile brächten. Komme es zu einem Konflikt mit einem internationalen Vertrag, habe die Schweiz heute verschiedene Lösungsmöglichkeiten.
Die Initiative schränke diesen Handlungsspielraum ein. Sie sei auch gefährlich für den Wirtschaftsstandort Schweiz und seine Arbeitsplätze, denn Unternehmen müssten sich auf stabile Rahmenbedingungen verlassen können.
Schliesslich lehnt der Bundesrat die Initiative auch deshalb ab, weil zentrale Begriffe im Initiativtext nicht eindeutig sind. Unklar sei etwa, wann ein «Widerspruch» zur Verfassung vorliege und wer darüber entscheide, hält er fest. Genau so unklar sei, was gemeint sei mit der Forderung, ein Vertrag müsse «nötigenfalls» gekündigt werden. Diese Unklarheiten müssten im Einzelfall in politischen Diskussionen und eventuell vor Gericht geklärt werden. (sda)