Fliesst zu wenig oder gar kein Strom mehr, drohen Milliardenschäden. Die mögliche Energiemangellage im Winter hat Corona den Rang als Schreckgespenst Nummer eins abgelaufen. Um es langfristig zu verscheuchen, hat die Energiekommission des Ständerats vor wenigen Tagen das Terrain für eine Solaroffensive geebnet: Für grosse Anlagen, etwa in den Bergen, sollen planungsrechtliche Hindernisse weitgehend verschwinden. Zudem sollen Neubauten ab dem 1. Januar 2024 zwingend mit Solaranlagen ausgerüstet werden.
Doch die Herkunft von Polysilizium, dem zentralen Material für die Herstellung von Solarzellen, werfen einen Schatten auf die Ausbaupläne. Denn 45 Prozent des Polysiliziums, das rund um den Globus für Fotovoltaikanlagen verwendet wird, kommen aus der Provinz Xinjiang. Dies hält Laura Murphy, Professorin für Menschenrechte und moderne Sklaverei an der Universität Sheffield, in einem 2021 publizierten Bericht fest. Insgesamt liefert das Reich der Mitte 80 Prozent des weltweiten Bedarfs für Polysilizium in Fotovoltaikanlagen.
Ein Leuchtturm in Sachen Menschenrechte ist China bekanntlich nicht. Insbesondere wegen des Umgangs mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang steht das Riesenreich seit langem in scharfer Kritik. An diesem Donnerstag wurde sie von höchster Stelle bestätigt: von der UNO. In ihrem Bericht beschreibt Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, wie China in dieser Region «schwerwiegende Menschenrechtsverbrechen» verübt. Demnach wird ein «substanzieller Anteil der uigurischen Bevölkerung» willkürlich inhaftiert, gefoltert, sexuell ausgebeutet - und für Zwangsarbeit rekrutiert.
Was hat das zu tun mit der Solaroffensive, die manche europäische Länder planen? Gemäss dem bekannten deutschen Uiguren-Forscher Adrian Zenz profitieren die meisten Unternehmen in der Provinz Xinjiang, die Polysilizium für Solaranlagen fabrizieren, vom System der Zwangsarbeit. Gegenüber der Zeitung «Frankfurter Allgemeine» sagte er:
Frage an den Berner Nationalrat und GLP-Chef Jürg Grossen: Kann er ausschliessen, dass in hierzulande montierten Fotovoltaikanlagen uigurische Zwangsarbeit steckt? Das könne er nicht, sagt der Präsident von Swissolar, dem Fachverband für Sonnenenergie. Er habe aber keine Hinweise, dass der grösste Teil der Solaranlagen in der Schweiz mit Material aus Xinjiang verbaut werde.
Der Swissolar-Präsident anerkennt aber die Problematik, verurteilt die Menschenrechtsverletzungen in China und gibt Gegensteuer. «Wir fordern Transparenz über die Herkunft des Materials. Wir empfehlen unseren Mitgliedern, dass sie beim Import von Produkten Angaben zur ganzen Lieferkette verlangen.» Man orientiere sich an den Regeln zur Sorgfaltspflicht, welche das EU-Parlament zurzeit erarbeite.
Grossen setzt sich im Parlament für mehr Transparenz bei der Herkunft von Fotovoltaikmodulen ein. Er hat eine entsprechende Motion von Rocco Cattaneo mitunterzeichnet. Darin verlangt der Tessiner FDP-Nationalrat, dass Hersteller von Fotovoltaikanlagen deklarieren müssen, wo die dafür benötigten Solarzellen fabriziert wurden.
Cattaneo will deshalb das geltende Markenschutzgesetz ändern. Es besagt, dass die Herkunft eines Produkts jenem Ort entspricht, in dem mindestens 60 Prozent der Produktionskosten anfallen. Bei Solarmodulen sei das oft Deutschland, sagt Cattaneo. Er will bei der Fotovoltaik die gleiche Klarheit wie bei Lebensmitteln, denn: «Wer in Solarenergie investiert, hat das Recht, die Herkunft der Solarzellen zu kennen, um sich für Zellen aus einem bestimmten Land entscheiden zu können.» Er plädiert also für eine Art Fair-Trade-Fotovoltaik.
Auch die Bekämpfung der Zwangsarbeit hat Grossen auf dem Radar. Er unterstützt eine parlamentarische Initiative von Rats- und Parteikollegin Corina Gredig. Sie verlangt, den indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative um das Verbot der Zwangsarbeit zu ergänzen. Gredig erwähnt in ihrer Begründung explizit die «mehr als eine Million Uigurinnen und Uiguren», die in Umerziehungs- und Zwangsarbeitslagern festgehalten würden.
Bereits zugestimmt hat der Nationalrat einem Postulat der Swissolar-Vizepräsidentin und Aargauer SP-Nationalrätin Gabriela Suter. Der Bundesrat muss nun in einem Bericht aufzeigen, wie sich die Schweiz am Aufbau einer europäischen Solarindustrie beteiligen könnte, um der Marktdominanz Chinas und ihrem Quasi-Monopol auf Polysilizium entgegenzutreten. Suter erwähnt explizit das Problem der Zwangsarbeit bei der chinesischen Siliziumindustrie. Zudem komme zur Herstellung billiger Kohlestrom zum Einsatz.
Grossen bleibt derweil zuversichtlich, dass die chinesischen Repressionen gegen die Uiguren die Solaroffensive in der Schweiz nicht ausbremsen. «Es gibt ganz viele Fotovoltaikprodukte, die nicht im Verdacht stehen, aus dieser Region zu stammen», sagt er. Man müsse vorwärtsmachen mit dem Ausbau und dürfe jetzt nicht einseitig die Fotovoltaik zum Menschenrechtssündenbock stempeln. «Zum Beispiel in Häusern, in Autos oder iPhones stecken auch ganz viele Materialien aus potenziell problematischer Herkunft, auch Silizium.»
US-Präsident Joe Biden hat schon im letzten Jahr Importe aus der Provinz Xinjiang verboten. Der UNO-Bericht über die Unterdrückung der Uiguren befeuert die Sanktionsdebatte auch in der Schweiz. SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Fabina Molina verlangt, der Bundesrat müsse die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit untersagen und die Konzernverantwortung konsequent durchsetzen.
Und: Europas strategische Abhängigkeit von Polysilizium sei ein ernsthaftes Problem. Grossen zeigt in der aktuellen Lage Verständnis für Rufe nach Verboten und zeigt sich offen, dies zu prüfen, sofern die Menschenrechtsverstösse bewiesen seien. Grundsätzlich schadeten aber Verbote, weil sie den Freihandel abwürgten.
Grossen sagt: «Der Handel muss künftig menschenrechtskonform, ökologischer und nachhaltiger sein.» Gleichzeitig müsse die Schweiz zusammen mit der EU eine Diversifizierung der Lieferketten fördern. «Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, wie gefährlich einseitige Abhängigkeiten sind.» (aargauerzeitung.ch)
Wir haben Energetica aus A auf dem Dach und sind sehr zufrieden damit.