Man konnte leicht über Johann Schneider-Ammann spotten. Natürlich vor allem über seinen verunglückten Auftritt als Bundespräsident am Tag der Kranken 2016, als er im Westschweizer Fernsehen mit steinerner Miene erklärte: «Rire c'est bon pour la santé.» Das Video ging um die Welt, sogar US-Präsident Barack Obama sprach JSA auf die unfreiwillig komische Einlage an.
Allerdings konnte Schneider-Ammann auch über sich selber lachen. Als er einige Wochen später an der Delegiertenversammlung der FDP Schweiz in Bern eine Laudatio auf den abtretenden Parteipräsidenten Philipp Müller hielt, sagte er launig, er werde nun ins Französische wechseln: «Immer wenn ich ernsthaft bin, rede ich Französisch.» Das Parteivolk klopfte sich auf die Schenkel.
In dem Bonmot liegt mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Denn der Antrieb von Schneider-Ammanns Amtszeit als Wirtschaftsminister lässt sich ebenfalls mit einem französischen Ausdruck auf den Punkt bringen: Petit Paradis. Als solches sah er die Schweiz, weniger landschaftlich als wirtschaftlich. Immer wieder hat er den Ausdruck verwendet, so in seiner Rücktrittserklärung. Oder an die Adresse der Bauern, die sich gegen mehr Freihandel sträuben.
Der Sohn eines Tierarztes aus dem Emmental, der in die Industriellenfamilie Ammann in Langenthal eingeheiratet hatte und zum erfolgreichen (Export-) Unternehmer geworden war, war als Nationalrat und erst recht als Bundesrat getrieben von der Sorge um den Wohlstand und die Arbeitsplätze in der Schweiz. Ihrem Erhalt ordnete er alles unter, auch ethische Bedenken.
Vorbildlich war Johann Schneider-Ammanns Einsatz für die Berufsbildung. Dafür unterschätzte er den Unmut über die Zuwanderung, der zur Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative führte. Die Aufforderung, das einheimische Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen und ältere Menschen im Arbeitsprozess zu halten, schien er als Strafaufgabe zu empfinden.
Staatlicher Interventionismus war ihm ein Gräuel. Für einen Bundesrat, der sich bei seiner Wahl 2010 die Stimmen der Linken mit einem Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft gesichert hatte, konnte Schneider-Ammann bedenklich vulgärliberale Reflexe entwickeln.
Als Gesamtbild betrachtet ist seine Bilanz sicher positiv, der Schweiz geht es wirtschaftlich gut. Aber gerade bei der Sozialpartnerschaft überschattet der Eklat mit den Gewerkschaften im Streit um die flankierenden Massnahmen und das EU-Rahmenabkommen das Ende seiner Amtszeit.
Johann Schneider-Ammann war ein ehrlicher Chrampfer, kein Visionär. Die Frage, ob man das Petit Paradis auch mit mehr Nachhaltigkeit sichern könnte, hat ihn nie interessiert. Wohlstand betrachtete er rein materiell. Als Wirtschaftsminister konnte er wohl nicht anders. Dennoch würde man sich von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin mehr innovative Impulse wünschen.