Ein Fernsehtriller wird zur Realität. Als «Swiss House of Cards», bezeichnet SRF-Moderator Sandro Brotz die Corona-Leaks zum «Arena»-Sendeauftakt. Er spielt damit auf die Netflix-Serie an, in der es um Intrige gegen die Regierung gehe, um gezielte Informationen an die Medien und um viel Macht. «Was dort Fiktion ist, ist bei uns vielleicht Realität», sagt er.
Ein schöner Vergleich, der jedoch etwas hinkt, wenn man bedenkt, dass sich «Hous of Cards» um einen manipulierenden Politiker dreht, der für seine Ziele sogar vor einem Mord nicht zurückgeschreckt.
Die Corona-Leaks jedoch drehen sich um eine mögliche Amtsgeheimnisverletzung, mehrere Verfahren und um einen «Bundesrat in der Bredouille». Unter diesem Titel lud das SRF zum Streitgespräch ein, ins Studio gekommen sind eine Frau und drei Männer:
Bundesrat Berset sei in einer ungemütlichen Situation und habe ein Problem, sagt Moderator Brotz zu Beginn der Diskussionsrunde zu Jacqueline Badran. Die SP-Vizepräsidentin und Nationalrätin schüttelt nur den Kopf. «Wir müssen zuerst genau anschauen, was überhaupt passiert ist», sagt sie.
Es gibt noch einige offene Fragen rund um die Corona-Leaks. Viel möchte auch der Mitte-Ständerat Daniel Fässler von Bundesrat Alain Berset wissen. Ob er zu dieser Gelegenheit kommt, entscheidet sich am Montag. Dann bestimmen die Geschäftsprüfungskommissionen, ob sie den Fall genauer unter die Lupe nehmen wollen. Fässler ist einer von denen, die genauer hinschauen wollen.
Als ein «Affentheater und eine Verschwörungstheorie ohne Hand und Fuss» bezeichnet Peter Rothenbühler, Journalist und früherer Chefredaktor des «Sonntagsblicks» die ganze Geschichte. «Die Theorie ist, dass Berset durch seinen Kommunikationschef Informationen an die Medien herausgegeben haben soll, um seine Anträge im Bundesrat zu beeinflussen. Das hat er gar nicht nötig», sagt Rothenbühler. Der Bundesrat lasse sich nicht instrumentalisieren.
«Du irrst dich», entgegnet ihm Markus Somm, Verleger und Chefredaktor «Nebelspalter». Der Bundesrat sei sehr stark unter Druck gesetzt worden, das wisse er von einer guten Quelle. «Das Vertrauen ist zerstört in Alain Berset», sagt Somm.
Während diesen Argumenten innerlich beben musste wohl Jacqueline Badran. Als sie nach einer knappen Viertelstunde wieder mal zu Wort kommt, verwirft sie die Hände und sagt: «Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen muss, um alles, was gesagt wurde, wieder zu korrigieren». Rhetorik as it’s best.
Für Badran sind an der ganzen Geschichte auch die Medien schuld: «Sie schreiben von 180 Kontakten (zwischen dem Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset und Riniger-Geschäftsführer Marc Walder) und nennen zwei E-Mails als Kronzeugen», sagt die Nationalrätin. Man wisse jedoch nicht, was in diesen 180 Kontakten passiert sei.
Darauf kommt es aus Markus Somm geschossen, dass es klar zwei Amtsgeheimnisverletzungen seien. Badran lässt das Argument nicht zu und sagt, er sei kein Richter – zudem unterstelle er ihr etwas, wie er das immer tue. Für den «Nebelspalter»-Verleger beruht das auf Gegenseitigkeit, wofür Badran nur ein müdes Lachen übrig hat. Wer diesen Punkt gemacht hat, bleibt offen. Der Konflikt geht in die zweite Runde.
Die Spannung steigt, als Badran vom Moderator gefragt wird, ob sie schon mal etwas den Medien «geleakt» habe. Absichtlich nie, aber dass im Gespräch etwas «herausgerutscht» sein könne. Sie frage sich, ob das denn auch schon eine Amtsgeheimnisverletzung sei?
Sofort unterbricht sie Somm, der sagt, sie wolle alles nur «vernebeln». Er solle sie ausreden lassen, ermahnt ihn Badran und sagt: «Du bist nur hässig, weil man dir nie etwas leakt». Gelächter im Studio. Somm und Badran werfen sich noch ein paar Mal etwas an den Kopf, Brotz interveniert. Punkten tun die beiden damit nicht. Als die SP-Nationalrätin nicht aufhören will, droht der Moderator, sie im Ton zu ermahnen.
Mitte-Ständerat Daniel Fässler fasst zusammen, was viele Zuschauer vermutlich denken: «Sie sind am ‹chiflen›», sagt er. Fässler beteuert zudem, er habe noch nie etwas an die Medien geleakt. «Da bin ich sauber». Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, wie das Sprichwort doch so schön lautet.
Gegen Ende der Sendung möchte die SP-Nationalrätin noch auf einen «SVP-Filz» eingehen. Causa Alfred Heer. Der Zürcher SVP-Nationalrat forderte bereits öffentlich, dass Bundesrat Alain Berset zurücktrete.
Jacqueline Badran zeigt ein Beziehungsnetz auf zwischen dem SVP-Nationalrat Heer, einem SVP-Propagandist und dessen Partnerin, welche die Chefin der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft sei. Direkt an ihren Parlamentskollegen Fässler, der genau wie Heer in der Geschäftsprüfungskommission sitzt, fragt Badran: «Glaubst du, das ist ein Grund, in den Ausstand zu treten, wenn man in so einem SVP-Filz drin ist?».
Der ruhige Mitte-Ständerat geht darauf jedoch nicht ein. Es sei nicht an ihm, das zu entscheiden. Auf solche Fragen fällt Fässler nicht herein. Lieber möchte er derjenige sein, der Bundesrat Berset die Frage der Fragen stellt – ob er von den Corona-Leaks wusste.