Schweiz
SVP

Roger Köppel versteht Gerichtsurteil gegen Xavier Naidoo nicht

Xavier Naidoo performs during the 2016 Echo Music Awards in Berlin, Thursday, April 7, 2016. (AP Photo/Markus Schreiber, Pool)
Xavier Naidoo durfte in einem Vortrag als «Antisemit» bezeichnet werden.Bild: AP/POOL

Roger Köppel versteht Gerichtsurteil gegen Xavier Naidoo nicht – wir helfen nach

29.12.2021, 16:0031.12.2021, 06:04
Corsin Manser
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Aus dem sonnigen Davos spricht am 24. Dezember Roger Köppel zu seinen Leserinnen und Lesern. Im gut 20-minütigen «Weltwoche Daily»-Beitrag macht sich der SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chefredakteur unter anderem Gedanken über den deutschen Sänger Xavier Naidoo.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte zwei Tage zuvor entschieden, dass der Sänger in einem Vortrag als «Antisemit» bezeichnet werden durfte.

Naidoo hatte 2017 gegen eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung geklagt, die ihn auf eine Frage hin in einem Vortrag über «Reichsbürger» als «Antisemit» bezeichnet hatte. Zunächst hatte Naidoo zwei Mal recht bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt aber entschieden, dass der Sänger im wissenschaftlichen Vortrag sehr wohl als «Antisemit» bezeichnet werden durfte.

Roger Köppel versteht das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht. «Jetzt entscheidet dieses Gericht, dass Xavier Naidoo ein Antisemit ist. Ich muss Ihnen sagen, ich glaube das einfach nicht. Ich glaube das einfach nicht.» Im nächsten Satz sagt Köppel, dass der Vorwurf des Antisemitismus «viel zu leichtfertig gebraucht» werde.

Roger Köppel zu Xavier Naidoo ab 12:15.Video: YouTube/DIE WELTWOCHE (Wochenmagazin)

Es bekämen immer jene Leute einen Antisemitismus-Stempel, die die Migration und Angela Merkel kritisierten, beschwert sich Köppel. Er habe noch nie mitbekommen, dass sich die Gerichte mit den Muslimen beschäftigt hätten, die zum Teil «handfeste Judenhasser» seien.

«Gesinnung längst entlarvt»

Deutlich mehr Verständnis für das Gerichtsurteil hat man beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG. Die Aussagen Naidoos seien sehr «gefährlich», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG.

«Roger Köppel sagt selbst, dass er sich nicht ausgiebig mit dem Schaffen von Xavier Naidoo auseinandergesetzt hat. Ich empfehle ihm dies zu tun. Ansonsten wäre ihm sicherlich auch das von Naidoo seit Jahren benutzte Vokabular mit stark antisemitischen Zügen aufgefallen. Herr Naidoo hat sich und seine Gesinnung längst entlarvt.»

Das benutzte Vokabular, welches Kreutner erwähnt, findet sich etwa in einem Songtext vom Jahr 2009, den das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss zitiert. Dort heisst es:

«Wie die Jungs von der Keinherzbank, die mit unserer Kohle zocken /
Ihr wart sehr, sehr böse, steht bepisst in euren Socken /
Baron Totschild gibt den Ton an und er scheisst auf euch Gockel /
Der Schmock ist'n Fuchs und ihr seid nur Trottel»

Im Song wettert Naidoo gegen eine sogenannte «Elite» und stellt eine Verbindung zu «Baron Totschild» her. Eine plumpe Anspielung auf die jüdische Bankerfamilie Rothschild.

Diese Textstellen seien ihm nicht bekannt und er habe sich dazu auch nicht geäussert, sagt Roger Köppel auf Anfrage. Er habe sich im «Weltwoche Daily» «auf kritische Aussagen Naidoos zur Migrationspolitik 2015» bezogen, die er als «nicht unvernünftig» in Erinnerung habe.

Das schreibt Naidoo auf Telegram

Roger Köppel sagt zu watson, dass er auch keine Kenntnisse davon habe, was Xavier Naidoo auf Telegram schreibe. Auf dem Messaging-Dienst fällt der Sänger schon länger mit judenfeindlichen Beiträgen auf.

Am 22. Februar 2021 teilte der Sänger etwa die antisemitische Hetzschrift «Protokolle der Weisen von Zion» in der Fassung von Alfred Rosenberg, dem frühen Chefideologen der NSDAP. Diese Protokolle werden bis heute als Rechtfertigung für antisemitische Vernichtungsfantasien benutzt.

Am 16. März teilte Naidoo einen Beitrag von Attila Hildman, in dem steht, die Juden würden ihren «Endsieg» feiern, einen dritten Tempel bauen und die Nicht-Juden mit Giftspritzen «ermorden».

Bild
screenshot: telegram

Am 26. März leitete der Sänger seinen 110'000 Followern eine Nachricht mit folgendem Inhalt weiter: «Durch Lügen, Betrug, Hochverrat, Bestechung, Erpressung usw. usw. wie es nun mal in der Art und Lebensweise der Juden und der Kirche liegt [...]»

Das sind nur einige Beispiele. Naidoo teilte des Weiteren Aussagen, wonach weisse Juden keine richtigen Juden seien und «ziemlich viele Juden in diesen Kinderschänder-Dreck verwickelt» seien. Zudem bezeichnete er den «Zentralrat der Juden» als «Zentralrat der Lügen».

«Absolut verantwortungslos»

«Es ist ein intellektuelles Armutszeugnis, dass Herr Köppel für Naidoos Antisemitismus blind sein will, nur, weil er es gut findet, dass Naidoo Einwanderung kritisiert», sagt der Sozialwissenschaftler Marko Ković zu watson. Ković schreibt, podcastet und forscht vor allem zu Verschwörungsideologien, Radikalisierung, Extremismus und Hass.

Roger Köppel sei ein im ganzen deutschsprachigen Raum bekannter Publizist und Politiker, so der Sozialwissenschaftler. «Wenn er über die ‹Weltwoche› zu einem grossen Publikum spricht, haben seine Worte Konsequenzen. Seine Verteidigung des Holocaustleugners Naidoo ist entsprechend absolut verantwortungslos.»

Marko Kovic
Marko Kovic: «Die Verteidigung des Holocaustleugners Naidoo ist entsprechend absolut verantwortungslos.»Bild: zVg

Es sei «alarmierend», wenn Herr Köppel die antisemitische Karriere des Xavier Naidoo tatsächlich nicht gekannt haben sollte. «Für Herrn Köppel scheinen populistische Totschlagargumente und pauschale Kritik ‹an den Linken› wichtiger zu sein, als sich auch nur minimal mit der Materie, um die es eigentlich geht, inhaltlich zu befassen.»

Diese Haltung sei der Grund, warum die «Demokratie heute in Gefahr» sei, führt Ković aus. «Wenn es im politischen Diskurs nur noch darum geht, dass die Rhetorik möglichst schrill ist und die Leute möglichst wütend macht, werden Fakten, wird die Realität, mit Füssen getreten.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die haarsträubendsten Fauxpas der SVPler auf Social Media
1 / 12
Die haarsträubendsten Fauxpas der SVPler auf Social Media
SVP-Nationalrat und Asylchef Andreas Glarner verlor die Nerven und stellte zwei Twitterinnen mit Bild an den Facebook-Pranger, mit dem beleidigenden Kommentar: «Ich verstehe irgendwie schon, dass sie links und feministisch sind.» Die beiden hatten ihn wiederholt aufgefordert, seine falsche Behauptung zu korrigieren, der Bund hätte in Chiasso Pensionäre rausgeschmissen, um Platz für 500 Asylsuchende zu schaffen. ... Mehr lesen
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
277 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
KRFT KRFT
29.12.2021 16:14registriert Juni 2020
Tja, wer das Problem nicht versteht ist meist ein Teil des Problems, gäll Roger!
78186
Melden
Zum Kommentar
avatar
Jacob Crossfield
29.12.2021 16:28registriert Dezember 2014
Ein Journalist der es vorzieht ihm unbequeme Fakten auszublenden um seine Propaganda zu streuen ist keiner.
57570
Melden
Zum Kommentar
avatar
Chancho
29.12.2021 16:38registriert Februar 2020
Ist eigentlich Flacherdler auch eine Beleidigung oder darf man ihn so nennen?
Roger Köppel versteht Gerichtsurteil gegen Xavier Naidoo nicht – wir helfen nach\nIst eigentlich Flacherdler auch eine Beleidigung oder darf man ihn so nennen?
1045
Melden
Zum Kommentar
277
Bald kannst du auch am Flughafen Zürich 2 Liter Flüssigkeit im Handgepäck mitnehmen

Dank neuen CT-Scannern heben immer mehr Flughäfen in Europa die strengen Bestimmungen zu Flüssigkeiten im Handgepäck auf. Wo die Scanner eingesetzt werden, dürfen Flaschen mit bis zu zwei Litern Inhalt durch die Sicherheitskontrolle gebracht werden. Auch der Flughafen Zürich setzt bald auf die Technologie.

Zur Story