Schweiz
Wallis

Die Vormachtstellung der CVP im Kanton Wallis ist in Gefahr

«Völlerei ist Sünde»: Im Wallis versucht die CVP ihre absolute Mehrheit zu verteidigen

Seit 164 Jahren regieren die Konservativen den Kanton Wallis. Am Sonntag könnte die CVP ihre historische Vormachtstellung einbüssen. In einem stark gespaltenen Kanton befindet sie sich in einer delikaten Ausgangslage.
26.03.2021, 08:0726.03.2021, 15:14
Christoph Bernet / CH Media
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1857: Bis zu diesem Jahr muss man in den Geschichtsbüchern zurückblättern, um in einem Wallis ohne konservative Regierungsmehrheit zu landen. Zehn Jahre nach ihrer Niederlage im Sonderbundskrieg verdrängten die Konservativen die Radikalen, die Vorläufer der heutigen FDP, in den damaligen Wahlen wieder von der Macht – und verteidigten sie seither mit Erfolg. Mochte sich die weite Welt noch so sehr verändert haben: Das Wallis blieb konservativ regiert.

Am Sonntag könnte diese historische Mehrheit verloren gehen. Die Ausgangslage vor dem zweiten Wahlgang für den fünfköpfigen Staatsrat ist kompliziert für die C-Parteien. So nennt man im Rhonekanton die politische Familie aus der CVP – im Wallis hat sich die Partei gegen die Umbenennung in «Die Mitte» ausgesprochen – und der Christlichsozialen Volkspartei Oberwallis (CSPO).

Une affiche electorale avec Roberto Schmidt, Serge Gaudin et Christophe Darbellay, lors des elections au Conseil d'Etat valaisan ce dimanche 7 mars 2021 a Sion.( KEYSTONE/Olivier Maire)
«Zämustah»: Wahlplakat für das Dreierticket der C-Parteien.Bild: keystone

«Im zweiten Wahlgang werden die Karten neu gemischt»

Die C-Parteien wollen ihre absolute Mehrheit mit einem Dreierticket verteidigen. Unbestritten ist die Wiederwahl ihrer bisherigen Staatsräte Roberto Schmidt (CSP) und Christophe Darbellay (CVP). Sie landeten bereits im ersten Wahlgang am 7. März mit deutlichem Vorsprung auf den Rest des Feldes auf den ersten beiden Plätzen. Hinter ihnen folgte SP-Kandidat Mathias Reynard auf dem dritten und der bisherige FDP-Staatsrat Frédéric Favre auf dem vierten Platz.

Eine Zitterpartie hingegen erwartet den neu antretenden und politisch bisher kaum in Erscheinung getretenen Serge Gaudin (CVP). Dieser landete zwar im ersten Wahlgang unter den ersten Fünf. Doch sein Vorsprung auf den sechstplatzierten SVP-Kandidaten Franz Ruppen betrug lediglich 718 Stimmen.

Franz Ruppen (UDC) arrive au centre medias lors des elections au Conseil d'Etat valaisan ce dimanche 7 mars 2021 au Techno-pole a Sierre.( KEYSTONE/Olivier Maire)
Hofft auf die Stimmen aus dem Oberwallis: Franz Ruppen (SVP).Bild: keystone

«Meine Wahlchancen sind intakt», sagt Franz Ruppen, Gemeindepräsident von Naters und SVP-Nationalrat. Im zweiten Wahlgang würden die Karten neu gemischt. Ruppen hofft, dank der massiven Unterstützung der deutschsprachigen Bevölkerung den zweiten Oberwalliser Sitz verteidigen zu können. Und spricht damit eine der Knacknüsse der C-Parteien an: Ihr Dreierticket könnte der deutschsprachigen Minderheit den traditionellen zweiten Staatsratssitz kosten.

Kritik am Machtanspruch der C-Parteien

Eine delikate Ausgangslage für die Konservativen, deren Wählerschaft zu etwa 40 Prozent aus dem Oberwallis kommt: «Die Oberwalliser Bevölkerung, auch die Basis der C-Parteien, wird sich stark für den zweiten Oberwalliser Sitz einsetzen», glaubt Ruppen.

Die Oberwalliser Sektionen der C-Parteien rufen neben dem eigenen Dreierticket denn auch zur Wahl Ruppens auf. Geht ihr Kalkül auf, so verpassen entweder FDP-Mann Favre oder Sozialdemokrat Reynard die Wahl.

Mit ihrem Festhalten an der absoluten Mehrheit versuche die CVP, Kräfte mit einem legitimen Anspruch von der Regierung auszuschliessen, kritisiert SP-Kandidat Mathias Reynard. Die C-Parteien haben bei den Grossratswahlen Anfang März erneut deutlich verloren. Sie halten noch 48 der 130 Sitze im Parlament, ihr Wähleranteil beträgt noch rund 35 Prozent. Eine Mehrheit im Staatsrat lasse sich damit längst nicht mehr rechtfertigen: «Völlerei ist Sünde», kommentiert Reynard den Machtanspruch der C-Parteien.

Die Quadratur des Kreises

Parlaments- und Regierungswahlen seien zwei Paar Schuhe, erwidert CVP-Staatsrat Christophe Darbellay. «Staatsratswahlen sind Persönlichkeitswahlen, da werden keine Parteisoldaten gewählt», meint Darbellay. Die C-Parteien präsentierten eine starke Liste mit starken Persönlichkeiten. Nun liege es an den Wählern, die Zusammensetzung der Regierung zu bestimmen. Allen verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden – nach Sprachen, Regionen, Parteien – komme einer «Quadratur des Kreises» gleich.

Darbellay rechnet damit, dass die Oberwalliser Bevölkerung wie üblich «stark mobilisiert und diszipliniert» für zwei deutschsprachige Staatsräte an die Urne gehen werde. Für den Zusammenhalt des Kantons wären zwei Oberwalliser Staatsräte von Vorteil. Darbellay sagt:

«Es ist besser, wenn Minderheiten in der Regierung übervertreten als untervertreten sind.»

Diese Analyse teilt SVP-Kandidat Franz Ruppen. Doch klar sei auch: «Wer gewählt wird, muss ein Staatsrat für den ganzen Kanton sein.» In den vergangenen Jahren habe sich das Oberwallis stärker nach Bern, das Unterwallis stärker nach der Genferseeregion hin orientiert: «Der Zusammenhalt zwischen den Sprachregionen ist herausgefordert», stellt Ruppen fest.

Der Kandidat fuer die SP Praesidentschaftswahlen, Mathias Reynard anlaesslich des Parteitag der SP Luzern vom Samstag, 8. Februar 2020 im Pfareiheim in Hitzkirch. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
«Wir treten wie zwei Halbkantone auf»: SP-Kandidat Mathias Reynard.Bild: KEYSTONE

Sein Konkurrent Mathias Reynard von der SP pflichtet ihm bei. «Der Kanton war noch nie so gespalten wie heute», beobachtet er mit Sorge. Ober- und Unterwallis würden immer häufiger wie zwei verschiedene Halbkantone auftreten. Etwa bei Urnengängen, bei denen das Oberwallis immer konservativer, das Unterwallis immer progressiver abstimme. Für Ruppen wie für Reynard braucht es mehr Austausch zwischen den Sprachregionen und eine Förderung der Zweisprachigkeit in den Schulen.

Auch am 28. März 1857 war das Wallis ein gespaltener Kanton, als die konservativen Kräfte die Mehrheit in der Regierung eroberten. Sollte diese am Sonntag, exakt 164 Jahre später, verloren gehen, wäre das für Christophe Darbellay «sehr schmerzhaft». Doch das Wählerverdikt wäre zu akzeptieren: «Wir sind schliesslich immer noch Demokraten».

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18 Kommentare
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Berner_in
26.03.2021 09:26registriert September 2018
Graue Parteimäuse stehen für eine graue Zukunft, egal aus welcher Partei.
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Borki
26.03.2021 12:15registriert Mai 2018
Schwadronieren darüber, wer wie stark vertreten sein soll und haben keine einzige Frau im Rennen.

Ja, ja, als gebürtiger Aargauer sollte ich bei dem Thema die Schnauze halten, ich weiss. Aber uns ist das mindestens peinlich!

(Also, so ein paar von uns jedenfalls...)
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Sergeant Pepper
26.03.2021 10:44registriert November 2018
Das schon konservative Oberwallis wählt mit dem SVP Kanditaten noch konservativer. Da ist mir ein Favre, oder ein junger Reynard frischer und zukunftsweisender, als die ewig verknorzten Hinterwäldler aus dem Oberwallis.
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