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Tag der Arbeit 2023: Wo und warum du in der Schweiz am 1. Mai frei hast

Der Tag der Arbeit: Wo und warum der 1. Mai gefeiert wird

Der Frühling ist voller Feiertage. Neben den religiösen wie Ostern und Pfingsten feiert ein Grossteil der Schweiz aber auch den Tag der Arbeit. Wie und warum der 1. Mai zum Feiertag wurde, erfährst du hier.
01.05.2023, 07:03
Lara Knuchel
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Der Mai beginnt in vielen Kantonen der Schweiz mit einem Feiertag – dem Tag der Arbeit. Heute wird der Erste Mai besonders mit den Grossdemonstrationen in Grossstädten auf der ganzen Welt verbunden, und tatsächlich stützt sich der Feiertag auf einen Protest in den USA aus dem 19. Jahrhundert.

Wie genau sich diese Geschichte zugetragen, was wo in diesem Jahr geplant ist und wie die Forderungen lauten, erfährst du hier:

Warum feiern wir den Tag der Arbeit?

Die Entstehung des Maifeiertages geht auf die «Haymarket Riots» oder die «Haymarket Affairs» zurück. So organisierte die nordamerikanische Arbeiterbewegung für den 1. Mai 1886 einen Generalstreik, um die Einführung des Achtstundentages zu erzwingen und die allgemeinen Bedingungen für Arbeitnehmende zu verbessern.

Auch in Chicago wurde für den 1. Mai auf dem Haymarket eine Kundgebung angesetzt und von einem mehrtägigen Streik begleitet. Am 3. und 4. Mai kam es zu Strassenschlachten zwischen Arbeiter und Polizisten, bei denen auf beiden Seiten Menschen starben. Im Anschluss wurden die acht Organisatoren der Kundgebung auf dem Haymarket angeklagt und zum Tode verurteilt. Vier von ihnen – darunter auch der Chefredakteur der örtlichen Arbeiterzeitung – wurden sofort hingerichtet.

Geschichte des Ersten Mais: Flugblatt mit der Aufforderung, am 4. Mai erneut an einer Kundgebung auf dem Haymarket in Chicago teilzunehmen.
Ein zweisprachiges Flugblatt aus Chicago von 1886 mit der Aufforderung, am 4. Mai erneut an einer Kundgebung auf dem Haymarket teilzunehmen.Bild: wikimedia

Historiker nennen das Datum der «Haymarket Riots» gerne als Stichtag in der Entwicklung der Arbeiterbewegung in den USA, die danach immer bedeutender wurde.

Warum am 1. Mai?

Das Datum des 1. Mais wählten die Organisatoren nicht zufällig. So forderten bereits australische Arbeiter am 1. Mai 1856 die Herabsetzung der Arbeitsstunden von zwölf auf acht pro Tag. In Anlehnung an diese Protestbewegung wurde auch für die USA dieses Datum gewählt und zeigt die bereits sehr frühe Internationalisierung der Arbeiterbewegung.

Am Begründungskongress der Zweiten Internationalen vom 20. Juli 1889 wurde der 1. Mai schliesslich in Gedenken an die Opfer der «Haymarket Riots» zum internationalen «Kampftag der Arbeiterbewegung» ausgerufen. Am 1. Mai 1890 kam es schliesslich erstmals weltweit zu Demonstrationen für mehr Arbeiterrechte.

Die Zweite Internationale
Karl Marx begründete am 28. September 1864 mit der Internationalen Arbeiterassoziation den ersten Dachverband für die verschiedenen sozialistischen Parteien. Dieser löste sich schliesslich wegen internen Konflikten auf und wurde erst 1889 als Zweite Internationale neu gegründet. Diese Zerbrach schliesslich 1914 mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges, als sich viele nationale sozialistische Parteien den Kriegsbemühungen ihrer Nationen zuwandten. Seit 1951 bis heute übernimmt die Sozialistische Internationale die Rolle des Dachverbandes.

Wer hat frei am Tag der Arbeit?

In vielen Ländern gilt der Tag der Arbeit als gesetzlicher Feiertag. In der Schweiz ist nur der Nationalfeiertag am 1. August vom Bund aus als gesetzlicher Feiertag geregelt. Alle anderen werden von den Kantonen beurteilt. In welchen Kantonen der 1. Mai als gesetzlicher Feiertag gilt, erfährst du hier (für die Informationen über die Karte fahren):

In diesen Kantonen gilt der Feiertag:

quelle: admin.ch

Was ist 2023 zum 1. Mai in der Schweiz geplant?

Schweizweit sind an rund 50 Orten Veranstaltungen wie Demos, Feste und öffentliche Reden geplant. Das ist das Programm in den drei grössten Städten der Deutschschweiz:

Bern

In Bern, wo der 1. Mai kein Feiertag darstellt, planen die Gewerkschaften einen Umzug. Unter dem Motto «Mehr Lohn. Mehr Rente. Gleichstellung. Jetzt!» wird zur Besammlung ab 16 Uhr in der Kramgasse aufgerufen. Der Umzug endet auf dem Bundesplatz, wo um 17 Uhr diverse Reden geplant sind. Die Gewerkschaften wollen unter anderem aufmerksam machen auf die vom Parlament beschlossene BVG-Reform, gegen die sie das Referendum eingereicht haben.

Andere Pläne hat das «Revolutionäre 1. Mai Bündnis Bern»: Hier lautet die Parole etwas radikaler «Rolex für alle!». Kritisiert werden sollen damit unter anderem die Unternehmensgewinne während Krisen, die CS-Rettung durch den Staat, die Arbeitsbedingungen in der Pflege sowie die «Ungleichheiten und Gewalt zwischen Geschlechtern». Um 18 Uhr ist ein Demo-Umzug ab dem Bahnhofplatz vorgesehen.

Update
Dieser Artikel wurde in ähnlicher Form bereits im Mai 2021 publiziert. Anlässlich des 1. Mais 2023 wurde er überarbeitet und erneut veröffentlicht.

Basel

Etwas früher auf der Matte steht man in Basel. Die Basler SP und Gewerkschaften rufen zur Demo-Versammlung ab 10 Uhr auf dem De-Wette-Park auf. Der diesjährige 1. Mai stehe im Zeichen des feministischen Streiks: «Denn insbesondere Frauen brauchen endlich bessere Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung, gerechtere Renten und Wertschätzung, sei es bei der bezahlten oder unbezahlten Arbeit.» Ab dem Mittag ist ein Fest auf dem Kasernenplatz geplant.

Für Aufsehen in Basel sorgten Berichte im Vorfeld, wonach die Veranstaltenden den Schwarzen Block von ihrem Demo-Zug fernhalten wollen. Zu diesem Zweck haben linke Gruppierungen in Basel einen Demo-Codex, also eine Art Verhaltensanleitung, für den diesjährigen 1. Mai erarbeitet. Dies, nachdem es am 1. Mai 2022 zu Sachbeschädigungen und Personenverletzungen gekommen war, weil sich Angehörige des Schwarzen Blocks unter die Demonstrierenden mischten.

Zürich

In der grössten Schweizer Stadt findet jährlich auch die grösste Demonstration zum Tag der Arbeit statt. Auch beim Zürcher 1.-Mai-Komitee stehen die Aktivitäten rund um den Tag der Arbeit im Zeichen der Gleichstellung. Das Motto in diesem Jahr: «Jin Jiyan Azadî» – Frau, Leben, Freiheit. Damit drücke das Komitee «Solidarität mit den Kämpfer*innen im Iran aus und zeigt gleichzeitig eine internationale Perspektive für die feministische Bewegung auf.» Hauptrednerin ist die iranische Aktivistin Niloofar Rasooli.

Ab 10 Uhr findet die Besammlung für den 1.-Mai-Umzug am Helvetiaplatz statt. Die Demonstration unter dem Motto «Frauenarbeit ist mehr wert» wird vom Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich mit Unterstützung des 1.-Mai-Komitees organisiert.

Wo wird der 1. Mai ansonsten besonders gefeiert?

Besonders in sozialistischen Staaten ist der Tag der Arbeit wichtig. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der 90er-Jahre begingen die unterschiedlichen Sowjetrepubliken den Tag mit aufwändigen Märschen und Feiern.

An einer 1. Mai Parade anlaesslich der Konferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands marschieren Arbeiter mit Fahnen und Portraits von Lenin und Stalin ueber den Marx Engels-Platz in Ost-B ...
Eine undatierte Aufnahme eines 1.-Mai-Umzuges auf dem Marx-Engels-Platz in Ostberlin (DDR).Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

In Russland finden bis heute am 1. Mai umfangreiche Märsche und Militärparaden statt.

Some of about 7,000 Communist supporters with red flags and banners march along the bridge near the Kremlin in Moscow, Monday, May 1, 2000. Representatives of trade unions and Communists rallied to ma ...
Kommunisten marschieren in Moskau am Tag der Arbeit im Jahr 2000 auf.Bild: AP

Doch auch andern Orts wie zum Beispiel in Puerto Rico finden jährlich grosse Kundgebungen statt.

epa08396783 People participate from their cars during a demonstrations for the International Labor Day, in San Juan, Puerto Rico, 01 May 2020. Several demonstrations commemorated this Friday the Inter ...
Wegen der weltweiten Corona-Pandemie wurde der 1.Mai-Umzug in San Juan 2020 kurzerhand in Autos durchgeführt. Bild: EPA

In der Schweiz gehört die Kundgebung in Zürich zu den grössten Anlässen am Tag der Arbeit. Der Umzug am Morgen des ersten Mai wird von einem mehrtägigen Fest begleitet.

Menschen bewegen sich im Demonstrationszug durch Zuerich am Montag, 1. Mai 2017, am Tag der Arbeit. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Der Marsch am 1. Mai in Zürich 2017.Bild: KEYSTONE

Warum wird am Tag der Arbeit protestiert?

Wie die Geschichte des Feiertages zeigt, geht dieser auf Demonstrationen im 19. Jahrhundert in den USA zurück. Seither standen viele diese Kundgebungen stets im Sinne der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Gewerkschaften steckten tief in den Organisationsorganen.

Die weltweiten sozialistischen Bewegungen weisen aber immer wieder auf drastische Unterschiede hin, die ja bereits zu einem Zusammenbruch der Dachorganisation geführt hatten. So stehen hinter den Kundgebungen am Ersten Mai auch heute ganz unterschiedliche Ideologien und Ideen.

Mit Material der sda

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Frauenstreik 1991
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Frauenstreik 1991
Plakat zum landesweiten Frauenstreik vom 14. Juni 1991 mit dem Motto: «Wenn Frau will, steht alles still». Das Sujet stammt von Grafikerin Agnes Weber. (bild: schweizerisches nationalmuseum / asl)
quelle: schweizerisches nationalmuseum / asl
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136 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jake Peralta
01.05.2021 14:46registriert Dezember 2014
Die wichtigste Frage bleibt m.E. unbeantwortet:
Warum wird am 01. Mai randaliert und geprügelt?
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MartinZH
01.05.2021 10:42registriert Mai 2019
Für einen vollständigen geschichtlichen Abriss sollte man die Situation in Deutschland nicht selektiv darstellen – und "unangenehme Tatsachen" einfach nicht thematisieren.

Im Okt. 1890 beschliesst die SPD, den 1. Mai zum Tag der Arbeiterbewegung zu machen. Fortan kommt es alljährlich zu Streiks und Demonstrationen.

Als "Tag der nationalen Arbeit" führen die Nationalsozialisten den 1. Mai kurz nach der Machtübernahme 1933 als Feiertag (nach 1919) wieder ein – bei voller Lohnfortzahlung. Es ist der Versuch, den Kampftag für die eigene Propaganda zu nutzen, die Arbeiterbewegung zu vereinnahmen.
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Luca89
01.05.2021 09:39registriert Februar 2020
Immer wieder erstaunlich, dass das Konterfeil von Che oder auch mal Hammer und Sichel im Zusammenhang mit dem ersten Mai frisch fröhlich gezeigt und zelebriert werden, obwohl sie mindestens historische gleich viel Leid wie Hakenkreuze verursacht haben. Komplett verklärte linke Sozialromantik!
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