Alle Kriege finden ein Ende, und meistens gehen der Einstellung der Kampfhandlungen Friedensgespräche voraus. Nichts deutet darauf hin, dass dies in der Ukraine anders sein wird.
Seit Moskaus Expeditionskorps in Bedrängnis geraten ist, möchte der Kreml gerne die Fronten einfrieren. Jene Kräfte im Westen, die Russlands Propaganda kritiklos übernehmen und weiterverbreiten, fordern deshalb einen Waffenstillstand, eine «diplomatische Lösung» und sofortige Gespräche. Über Waffenruhen zu sprechen, klingt immer gut.
Die Erfahrung hat den Ukrainern aber gezeigt, dass sich Moskau selten an einmal eingegangene Verpflichtungen hält. Im Budapester Memorandum von 1994 verpflichtete sich Russland zum Beispiel, die Grenzen der Ukraine zu respektieren und auf Gewalt zu verzichten.
Kiew übergab im Gegenzug seine noch aus der Sowjetzeit stammenden Atomwaffen an Russland. Heute klingen diese Abmachungen wie blanker Hohn.
Russland respektierte die ukrainischen Grenzen nicht und besetzte 2014 die ukrainische Krim und Teile des Donbass. Auch die Abkommen von Minsk 2014 und 2015 beendeten nicht den Krieg, den Moskau vom Zaun gebrochen hatte. Der Kreml stellte sich damals einfach auf den Standpunkt, dass er keine Vertragspartei der Minsker Abkommen sei und ohnehin keine Truppen im Donbass stationiert habe. Das waren glatte Lügen.
Vor diesem Hintergrund wird es schwierig, Kiew von den guten und ernsthaften Absichten des Kremls in künftigen Gesprächen zu überzeugen. Zumal Russland den Krieg gerade erst mit dem massenweisen Einsatz iranischer Kampfdrohnen eskaliert hat. Weitere Eskalationsschritte waren die russische Teilmobilisierung und die Annexion von vier ukrainischen Provinzen, welche die Russen nicht einmal vollständig kontrollieren.
Die Furcht vor einer weiteren Eskalation, einem Atomwaffeneinsatz, hat sich dagegen als pure Panikmache herausgestellt. Ende Oktober sagte Präsident Putin nämlich, es ergebe weder politisch noch militärisch Sinn, in der Ukraine Nuklearwaffen einzusetzen. Er stellte damit die ihm unterstellte Absicht, zur Atombombe greifen zu wollen, klar in Abrede.
Wer sich fremde Gebiete einverleibt, kann allerdings nicht gut Waffenstillstandslinien fordern, um die annektierten Territorien dahinter zu verstecken. Zumal sich das russische Expeditionskorps in der Ukraine in einem desolaten Zustand befindet und froh sein muss, wenn es die Fronten einigermassen stabilisieren kann.
Wie schwach die russische Position ist, zeigt die Reaktion auf den ukrainischen Angriff im Hafen von Sewastopol auf der Halbinsel Krim: Moskau verurteilte die Attacke auf Kriegsschiffe seiner Schwarzmeerflotte als Terrorakt und zog sich in der Folge aus dem Getreideabkommen mit der Uno und der Türkei zurück. Die Türken organisierten daraufhin einfach einen Schiffskonvoi, der ukrainisches Getreide aus dem Hafen von Odessa Richtung Istanbul transportierte. Die russische Schwarzmeerflotte war nicht in der Lage, dies zu verhindern, und kurze Zeit später versprach Moskau, sich wieder an das Abkommen zu halten.
Verhandlungen über eine Waffenruhe würden Moskau die dringend benötigte Zeit geben, sein Expeditionskorps in der Ukraine zu reorganisieren und die Truppenbestände aufzustocken. Russland hofft, dank neu mobilisierter Kräfte und iranischer Mittelstreckenraketen in ein paar Monaten eine grosse Gegenoffensive zu starten und damit die Initiative zurückzugewinnen.
Kiew ist sich dessen bewusst und möchte genau das verhindern. Bevor der Winter die Kämpfe erschwert, wollen die Ukrainer deshalb möglichst viel Territorium zurückerobern, darunter die südliche Provinzhauptstadt Cherson.
Friedensgespräche ergeben erst dann einen Sinn, wenn sich in Moskau die Einsicht durchgesetzt hat, dass der Krieg für Russland verloren ist. (aargauerzeitung.ch)
Weil in der Ukraine noch Soldaten aus einem anderen Land herumlatschen, die dazu nicht eingeladen worden – und demnach illegal – sind...