Die isländische Bevölkerung steht momentan unter Schock, nachdem Tonaufnahmen eines privaten Gesprächs von Parlamentsabgeordneten veröffentlicht wurden. Wie BBC berichtet, hat sich eine Gruppe von sechs Personen, darunter Ex-Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson, in einer Bar in der Hauptstadt Reykjavik getroffen und sich über die schwerbehinderte Freyja Haraldsdottir lustig gemacht.
Haraldsdottir ist eine ehemalige Parlamentarierin und setzt sich für die Rechte von Behinderten ein. Die Aktivistin leidet an der Glasknochenkrankheit und kann sich nur liegend dank ihrem elektrischen Rollstuhl fortbewegen.
Ein Gast in der Bar konnte seinen Ohren nicht trauen, als er am 20. November den Politikern zuhörte – und nahm das mehr als dreistündige Gespräch mit seinem Mobiltelefon auf. Die Konversation glich einer Hassrede und war geprägt von Kraftausdrücken und sexistischen Äusserungen.
Besonders brisant: Die Personen zogen auf äusserst primitive Weise über Haraldsdottir her und bezeichneten sie mehrmals als «Schlampe». Doch damit noch nicht genug: Ein Mann imitierte die behinderte Frau und machte dazu Geräusche eines Seehundes, wie iceland monitor berichtet.
Die isländische Bevölkerung ist nach dem Bekanntwerden der beleidigenden Aufnahmen wütend. Am Sonntag versammelten sich rund 1000 Personen vor dem Parlament und forderten die Rücktritte der Politiker.
Vier der sechs Involvierten haben zwischenzeitlich eine Entschuldigung verfasst und der Presse zukommen lassen. «Es war keine Absicht, jemanden zu verletzen. Es ist klar, dass die Konversation unentschuldbar ist», zitiert BBC aus dem Schreiben. Und weiter: «Wir werden uns darauf konzentrieren, daraus zu lernen.»
Gunnlaugsson hat sich zudem telefonisch bei Haraldsdottir gemeldet. Jedoch verkündete sie auf Facebook, dass sie die Entschuldigung nicht akzeptiere: «Es gibt 1001 Möglichkeiten, Meinungsverschiedenheiten auszudrücken – aber nicht indem man sich über den Körper und das Aussehen einer Frau lustig macht.»
Für Bryndis Snaebjornsdottir, Vorsitzende der Behindertenorganisation Throskahjalp, sind die Politiker nicht mehr tragbar: «Alle Abgeordneten, die dort waren, sollten das Parlament verlassen». Bislang hat noch keiner einen Rücktritt angekündigt. (vom)