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Die Gewerkschaft Unia kritisiert Self-Checkout-Kassen

ARCHIV – ZUR STUDIE DER UNIA UEBER DIE AUSWIRKUNGEN VON SELF-CHECKOUT UND SELF-SCANNING AUF ARBEITSBEDINGUNGEN UND STRESS STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Self checkout at Coo ...
4000 Self-Scanning-Kassen betreiben Migros und Coop.Bild: KEYSTONE

Die Leiden der Verkäufer beim Self-Checkout – und was Coop und Migros dazu sagen

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Viele Schweizer benutzen in der Migros und im Coop mit Vorliebe den Self-Checkout. Den Angestellten sei es aber leid, dort «Polizei zu spielen». So die Erkenntnisse einer neuen Studie. 
11.10.2018, 17:1715.10.2018, 10:52

Die Schweizer fahren auf Self-Checkout-Kassen ab. Fast jeder Dritte scannt seine Einkäufe bereits selber ein. Doch jetzt zeigt eine neue Studie, dass die Angestellten wegen dem neuen System offenbar leiden. 

Im Auftrag der Gewerkschaft Unia haben Forscher der Universität Bern Verkaufspersonal zum Self-Checkout befragt. Ihr Fazit ist vernichtend. Hier die wichtigsten Aussagen:

  • Die Einführung der Self-Scanning-Systeme bringe eine Fülle neuer Aufgaben mit sich. Die Mitarbeiter müssten «Polizist spielen», schreibt die Unia. Dies habe mit dem eigentlichen Beruf eines Verkäufers nicht mehr viel zu tun.
  • Die Angestellten hätten ihren Job eigentlich für den Kontakt mit den Kunden gewählt. Das Personal an den Selbstbedienungskassen müsse nun aber immer mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit bewältigen. Der Kontakt mit ihren Mitmenschen falle in ihrer Arbeit immer mehr weg. 
  • Die Detailhandelsangestellten berichten von einem höheren Konfliktpotenzial an den Self-Scanning-Kassen. Vor allem die Frauen seien vermehrt dem «aggressiven und unangemessenen Verhalten der Kundschaft» exponiert. Die Mitarbeiter fühlten sich als «Inventar» oder gar als «Teil der Maschine». 
  • Die Angst der Angestellten um ihre Stelle werde geschürt. Sie befürchten, dass auch die Schweizer Detailhändler vollautomatisierte Supermärkte anstreben. 
  • Das lange Stehen an den Self-Scanning-Kassen führe zudem zu starken körperlichen Belastungen. 
  • Das Multitasking habe sich mit den neuen Systemen verschärft. Das bringe vermehrt Stress mit sich.
  • Die Detailhandelsangestellten berichten, es fehle an adäquater Schulung des Personals für die neue Aufgabe sowie die Funktionsweisen der neuen Technologien.
  • Ebenfalls vielerorts prekär sind laut Unia die Arbeitsbedingungen mit Stundenlohn, hohen Anforderungen an die Flexibilität und fehlenden Berufsperspektiven.

Die Folgen der Digitalisierung der Kassensysteme seien für die Angestellten «gravierend», schreibt die Gewerkschaft in einer Mitteilung zur Studie. Sie fordert deshalb unter anderem höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Der Einsatz der Kassensysteme dürfe keinesfalls zu Stellenabbau führen, die Digitalisierung müsse dem Personal zugutekommen. 

Migros und Coop wollen Studie prüfen 

Migros-Sprecher Patrick Stöpper sagt auf Aufrage: «Die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeiter werden regelmässig intern geprüft und dort angepasst, wo es nötig ist.» Dafür arbeite der Detailhändler «eng mit internen und externen Sozialpartnern» zusammen. Auf die konkreten Vorwürfe der Unia will die Migros nicht eingehen. Nur so viel: «Wir werden die einzelnen Punkte der Studie prüfen. Sollte tatsächlich Handlungsbedarf bestehen, werden wir diesen angehen», sagt Stöpper. 

Bei Coop tönt es ähnlich: «Die Ergebnisse unserer eigenen national durchgeführten Mitarbeiterumfragen ergeben ein anderes Bild als die veröffentlichte Studie», schreibt Sprecherin Alena Kress.» Viele Mitarbeitende schätzten die Abwechslung, die die Self-Service-Kassen bieten. «Ausserdem stellen wir seit der Einführung der Self-Checkout-Kassen auch nicht vermehrt negatives Kundenverhalten fest.» Dennoch will auch Coop die Ergebnisse der Studie prüfen.

Zu beachten ist: Die Wissenschaftler des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung der Universität Bern haben innerhalb der Studie lediglich zehn Personen befragt und die Probanden wurden teils von der Unia vermittelt.

Laut Co-Autorin Tina Büchler sagt eine solche Untersuchung mit wenigen Probanden jedoch nicht weniger aus als eine breit angelegte Studie: «Die Fallgeschichten zeigen strukturelle Tatsachen auf. Es ist kein Zufall, dass vor allem Frauen und Teilzeitmitarbeitende zu Wort kommen.» Ausserdem seien sie auf die Hilfe der Unia angewiesen gewesen, da in den Läden oft ein «Klima der Kontrolle» herrsche: «Da ist es kaum möglich, Personen direkt in den Läden anzusprechen.» 

Self-Scanning-Boom
Die Schweiz ist seit einigen Jahren im Self-Scanning-Boom. Schweizweit stellen die Grossverteiler Coop und Migros zusammengenommen in ihren Filialen über 4000 Self-Scanning-Kassen, an denen zwischen 20 und 40 Prozent des Umsatzes generiert werden, schrieb die «Aargauer Zeitung» kürzlich.

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101 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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John_Doe
11.10.2018 17:31registriert August 2014
‚innerhalb der Studie lediglich zehn Personen befragt und die Probanden wurden teils von der Unia vermittelt.‘
Wenn das gleich zu Beginn des Artikels erwähnt worden wäre, hätte ich mit die Lektüre sparen können...
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Blue_Toastbrot
11.10.2018 17:24registriert November 2014
Also bitte. Eine Studie, deren Ergebnisse auf Aussagen von 10 Personen bestehen kann ich einfach nicht ernst nehmen.
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bcZcity
11.10.2018 17:26registriert November 2016
"Die Angestellten hätten ihren Job eigentlich für den Kontakt mit den Kunden gewählt."

Ja klar, nicht wegen der Kohle. Man will wegen Kundenkontakt an die Kasse sitzen oder Regale auffüllen? Wie weltfremd ist die Unia? Habe schon ein paar Jahre im Verkauf gearbeitet und wenn Du KEIN Verkäufer sondern nur Kassierer bist, dann ist der Job so oder so die Hölle.

"Ebenfalls vielerorts prekär die Arbeitsbedingungen mit Stundenlohn, hohen Anforderungen an die Flexibilität und fehlenden Berufsperspektiven."

Willkommen im Detailhandel, wo eben auch viele weniger gut ausgebildete Menschen Arbeiten!
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