International
Wirtschaft

Coronavirus: Flugexperte rechnet mit Dumpingpreisen für Flüge

ARCHIVBILD ZUR MELDUNG, DASS DER BUNDESRAT SCHWEIZER AIRLINES MIT 1,3 MILLIARDEN FRANKEN HELFEN WILL - Parked planes of the airline Swiss at the airport in Duebendorf, Switzerland on Monday, 23 March  ...
Warten auf das Ende der Krise: Flugzeuge der Swiss auf dem Flugplatz Dübendorf.Bild: KEYSTONE

Ryanair-Chef rechnet mit Dumpingpreisen nach der Krise bei Swiss und Co.

In der Business-Class zu Economy-Preisen fliegen: Bereits jetzt zeichnet sich ein harter Preiskampf in der Luftfahrt ab. Doch ob die Kunden zugreifen, und ob die tiefen Preise Bestand haben, ist fraglich – aus mehreren Gründen.
06.05.2020, 07:4529.01.2021, 11:25
Benjamin Weinmann / CH Media
Mehr «International»

Für das «Enfant terrible» der Aviatikindustrie, Michael O’Leary, ist klar: Nach Corona wird das Fliegen noch billiger, als es schon war. Der Chef der irischen Billigairline Ryanair sagte kürzlich in einem Interview, dass er eine rasche Erholung des Marktes erwarte zwischen Juni und August. Der Grund dafür aus O’Learys Sicht: «Massives Preis-Dumping».

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

Der 59-Jährige glaubt, dass die Airlines mit Spottpreisen versuchen werden, ihre Kunden aus den eigenen vier Wänden zu locken, an die sich viele nach der Quarantäne gewohnt haben. Die tiefen Kerosinpreise dürften diese Offensive begünstigen, sagte O’Leary gegenüber Reuters.

Tatsächlich sind jetzt schon äusserst günstige Tarife auf den Online-Buchungsportalen zu finden. CH Media hat Stichproben gemacht (siehe Tabelle). So kostet ein Retour-Flug Mitte März 2021 von Zürich nach San Francisco rund 880 Franken. Ab Genf wirbt die Swiss mit Sondertarifen nach New York (ab 459 Franken), nach Dublin (106), Hurghada (245) oder Miami (566). Und nur mit Handgepäck fliegt man bereits ab 80 Franken nach Marrakesch, Lissabon oder London und zurück.

Bild

Die Reisen sind buchbar – aber finden sie auch statt?

Die Corona-Misere führt sogar dazu, dass Passagiere Sitze in den vorderen Klassen zum Economy-Preis buchen können. So macht der Onlinedienst für Luxusreisen «First Class and More» seine gut betuchte Klientel in einem Newsletter auf einmalige Angebote aufmerksam: Flüge ab Genf in die USA und Kanada gebe es bereits ab 1126 Euro in der Business Class. Und auch an anderen europäischen Flughäfen seien die Preise billig. So fliege man von Italien luxuriös nach Kuba ab 1276 Euro, und von Wien nach Toronto und Washington D.C. für 1500 Euro.

Fragt sich, wer jetzt bereit ist, einen Flug über Monate hinaus zu buchen. Denn die Coronakrise ist noch nicht überstanden. Die Airlines haben ihren üblichen Flugplan nach wie vor online, doch ist unklar, ob die Flüge zu den gebuchten Daten stattfinden werden. Die Swiss hat ihren Rumpfflugplan bis Ende Mai verlängert.

Ab Juni sind aber praktisch alle Destinationen frei buchbar. Doch aus Kundensicht es gibt zahlreiche Fragezeichen: Verschwinden die unterschiedlichen Einreisebestimmungen bald? Wie kulant bleiben die Airlines bei Umbuchungen? Gibt es künftig alle Fluggesellschaften noch? Wie komfortabel wird das Reisen, wenn Fiebermessen am Flughafen und Maskenpflicht an Bord drohen?

Zudem fragt sich, ob das Preisdumping tatsächlich Bestand hat. Denn in verschiedenen Ländern wird über Massnahmen in der Kabine diskutiert, welche das Social Distancing ermöglichen sollen. Dazu gehört, dass der Mittelsitz jeweils freigelassen wird. Auch die Lufthansa-Gruppe mit der Tochterairline Swiss hat dies bis vor kurzem praktiziert. Nur: Mit dieser Massnahme würden die Einnahmen der Airlines massiv beschnitten. Preiserhöhungen wären zwangsläufig die Folge.

Dazu könnte auch eine weitere Konsolidierung beitragen: Je mehr Airlines verschwinden, desto mächtiger werden die Überlebenden. Der erste Swiss-Chef André Dosé warnte denn auch kürzlich im Branchenmagazin «Travel Inside» vor einer monopolähnlichen Stellung der Swiss in Zürich, die nach der Krise noch stärker werde.

Aviatikexpertin: «Preiskampf hat ungesundes Mass erreicht»

Die renommierte Aviatik-Expertin Marisa Garcia sagte kürzlich dieser Zeitung, dass die meisten Airlines mit einer Auslastung von 59 Prozent den Break-even erreichen. Dann können sie einen Flug in der Regel kostendeckend durchführen. «Ein Jahr lang sollte dies möglich sein, aber nicht für alle.»

epa06052711 Ryanair's CEO, Michael O'Leary, poses for photographers prior to the start of a press conference in Rome, Italy, 27 June 2017. Michael O'Leary said 'We are pleased to a ...
Ryanair-Chef O'Leary glaubt an einen Preiskampf.Bild: EPA/ANSA

Die Passagierausfälle müssten die Airlines laut Garcia mit dem Cargo-Geschäft versuchen wettzumachen. Höhere Preise würde sie denn auch begrüssen, «denn in der Vergangenheit hat der Preiskampf ein ungesundes Mass erreicht». Dennoch habe sie ihre Zweifel, ob die Tickets wirklich teurer würden. «Denn in der Panik, ihre Flüge möglichst gut zu füllen, werden viele mit Billigpreisen werben.» Ryanair-Chef O’Leary bekäme so recht.

Doch Garcia meldet diesbezüglich moralische Bedenken an: «Solche Lockangebote wären in den nächsten Monaten aber vor allem auch unverantwortlich aus gesellschaftspolitischer Sicht, solange noch kein Impfstoff gefunden worden ist.»

Mundschutz für Swiss-Passagiere, dafür weniger Abstand

Die Lufthansa und die Swiss empfehlen seit Anfang Woche das Tragen eines Mundschutzes an Bord für Passagiere. Wer keine Maske habe, soll einen Schal vor den Mund nehmen. Mit dieser Massnahme erachtet die Lufthansa-Gruppe es nicht mehr als nötig, den Mittelsitz freizulassen. Noch spielt dies keine allzu grosse Rolle, da keine der derzeitigen Flüge voll besetzt sind.

O’Leary bezeichnete die Mittelsitz-Massnahme übrigens als «verrückt», «hoffnungslos ineffektiv» und «nicht bezahlbar». Ryanair hat inzwischen den Abbau von 3000 Stellen angekündigt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
23 verrückt-kreative Wege, wie sich Leute vor Corona zu schützen versuchen
1 / 25
23 verrückt-kreative Wege, wie sich Leute vor Corona zu schützen versuchen
quelle: reddit
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So werden Passagierflugzeuge für Frachtflüge genutzt
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
56 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Knut Knallmann
06.05.2020 08:04registriert Oktober 2015
«Solche Lockangebote wären in den nächsten Monaten aber vor allem auch unverantwortlich aus gesellschaftspolitischer Sicht, solange noch kein Impfstoff gefunden worden ist.» Tja - Herzlich willkommen im Kapitalismus. Hier geht es nicht um Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, Moral oder sonst ein höheres Ziel. Es geht nur um die gute alte Kohle...
21151
Melden
Zum Kommentar
avatar
swisscheese
06.05.2020 08:36registriert September 2018
Lasst und die Airlines mit Milliardenkrediten unterstützen, damit sie möglichst billig möglichst viele Leute in engsten Kabinen rund um den Globus verteilen können. Momol, das ist zur Eindämmung der Pandemie das Beste! 🤦🏻‍♀️
14230
Melden
Zum Kommentar
avatar
w'ever
06.05.2020 10:10registriert Februar 2016
und vor einigen wochen prognostizierten einige experten und medien noch, dass nach dem fluglockdown die preise fürs fliegen wieder richtig teuer werden könnten.
662
Melden
Zum Kommentar
56
WHO verlängert Verhandlungen über weltweites Pandemie-Abkommen

Bei den Verhandlungen über ein internationales Abkommen zur Vorbeugung von Pandemien ist es am Donnerstag zu keinem Durchbruch gekommen. Die 194 WHO-Mitgliedstaaten beschlossen nach zehn Tagen der neunten Verhandlungsrunde in Genf, eine weitere Sitzung anzusetzen.

Zur Story