Sind wirklich keine zwei Wochen vergangen, seit Donald Trump sein Amt als US-Präsident angetreten hat? Es komme ihm vor wie ein Monat, meinte ein Kollege am Montag. Im Eiltempo hat Trump ein Dekret nach dem anderen erlassen und dabei keine Rücksicht auf Verluste genommen. Er hat den Ausstieg aus dem TPP-Vertrag, den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko und eine Einreisesperre für Muslime aus sieben – ziemlich willkürlich ausgewählten – Ländern angeordnet.
Diese Massnahme hat für einen Aufschrei gesorgt und die Menschen auf die Strasse getrieben. Präsident Trump aber zeigte sich unbeeindruckt. Als die amtierende Justizministerin Sally Yates – ein Überbleibsel der Regierung Obama – das Einreiseverbot kritisierte, wurde sie gefeuert mit der Begründung, sie habe «das Justizministerium verraten, indem sie sich geweigert hat, die Rechtsverordnung zum Schutz der Bürger der Vereinigten Staaten umzusetzen».
Eine derartige Wortwahl in einer offiziellen Erklärung des Weissen Hauses ist beispiellos. Sie ist Ausdruck einer Bunkermentalität im Zentrum der Macht, die Menschen nach dem Prinzip beurteilt «Wer nicht für uns ist, ist gegen uns». Wer geglaubt hat, Donald Trump werde sich im Amt mässigen, sieht sich eines Schlechteren belehrt. Nichts an seiner Präsidentschaft ist normal.
Als Urheber von Trumps Hauruck-Politik wird sein Chefstratege Steve Bannon ausgemacht. Gemeinsam mit seinem engen Vertrauten Stephen Miller, der ebenfalls einen hohen Beraterjob im Weissen Haus ergattert hat, gibt er die Richtung vor. Bannon und Miller haben Trumps populistisch-protektionistische Antrittsrede verfasst. Gemeinsam haben sie laut Politico einen Aktionsplan für Trumps erste Wochen im Amt und die erlassenen Dekrete entworfen.
Steve Bannon gilt als der heimliche Herrscher im Weissen Haus. Die «New York Times» bezeichnet ihn als «De-Facto-Präsident». Auf Twitter trendet seit dem Wochenende der Hashtag #StopPresidentBannon. Der ehemalige Investmentbanker war Chef des «News»-Portals Breitbart und machte es zum Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung. Ihr Ziel ist die Bewahrung der durch den demografischen Wandel bedrohten weissen Vorherrschaft in den USA.
Im Wahlkampf stellte sich Bannon früh auf die Seite des Aussenseiters Donald Trump und verhalf ihm mit seinen Attacken auf das republikanische Establishment, das den Kontakt zum einfachen Volk verloren habe, zum Erfolg in der parteiinternen Vorwahl. Trump machte ihn darauf zum Wahlkampfleiter und nach dem Wahlsieg im November zum Chefstrategen. Er teilt mit Bannon die nationalistische, antiglobalistische Weltsicht und erachtet ihn als Garanten seiner Macht.
This is stone cold crazy. After a week of crazy. Who needs military advice or intell to make policy on ISIL, Syria, Afghanistan, DPRK? https://t.co/Mmyc139w3M
— Susan Rice (@AmbassadorRice) 29. Januar 2017
Wie weit der Präsident dabei geht, zeigt eine weitere Anordnung vom Samstag. Steve Bannon wurde als festes Mitglied in den Nationalen Sicherheitsrat aufgenommen, der die Aussen- und Sicherheitspolitik der USA massgeblich mitbestimmt. Der Generalstabschef und der Geheimdienstkoordinator hingegen dürfen nur noch auf Einladung an den Sitzungen teilnehmen. Barack Obamas nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice bezeichnete dies auf Twitter als «vollkommen verrückt».
Der Ausschluss der Fachpersonen in Sicherheitsfragen sorgte auch bei Republikanern für Stirnrunzeln. Robert Gates, der unter George W. Bush und Barack Obama als Verteidigungsminister amtierte, sprach von einem «grossen Fehler». «Ich mache mir Sorgen um den Sicherheitsrat», sagte der unverwüstliche Senator John McCain am Sonntag auf dem Fernsehsender CBS.
Das Einreiseverbot für Muslime stiess bei Trumps «Parteifreunden» ebenfalls auf Kritik. Selbst ein knallharter Konservativer wie Mitch McConnell, der Fraktionschef der Republikaner im Senat, wies darauf hin, dass man den Terrorismus nur mit den Muslimen bekämpfen könne, nicht gegen sie. Auch Charles und Robert Koch, die wichtigsten Geldgeber der Republikaner, distanzierten sich von Trumps Anordung. Die Einreisesperre sei falsch, sie werde «eher kontraproduktiv wirken».
Die milliardenschweren Koch-Brüder sind Geschäftsleute. Ihnen ist egal, woher jemand kommt, so lange die Kasse stimmt. Im letztjährigen Wahlkampf waren sie auf Distanz zu Donald Trump gegangen. Nun hoffen sie, die Regierungspolitik in ihrem Sinne beeinflussen zu können: Ja zu tieferen Steuern und weniger Regulierungen, Nein zu Handelsbarrieren und Strafzöllen. Die Kochs sind mächtig, doch bereits im Wahljahr hatten sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Wen erstaunt es da, dass schon nach wenigen Tagen über Szenarien nachgedacht wird, wie man Präsident Trump stoppen oder gar stürzen könnte. Im Vordergrund steht ein Impeachment, also eine Amtsenthebung durch den Kongress, doch dazu dürften die Republikaner zumindest auf absehbare Zeit nicht bereit sein. Auch besteht die Möglichkeit, dass Trump mit Berufung auf den 25. Verfassungszusatz von einer Mehrheit seiner Regierung für amtsunfähig erklärt wird.
Den radikalsten Weg zeigt die Rechtsprofessorin Rosa Brooks in einem Beitrag für «Foreign Policy» auf. Einen Militärputsch oder zumindest eine Befehlsverweigerung durch hohe Militärs. Bis vor kurzem habe sie ein solches Szenario in den Vereinigten Staaten für undenkbar gehalten, schreibt Brooks. Es sei furchterregend, meint Brooks, doch Militärs würden mit ihrem Eid schwören, die Verfassung zu beschützen und zu verteidigen, und nicht den Präsidenten.
Ein Militärputsch gegen Trump? Es sind definitiv keine normalen Zeiten. David Frum, ehemaliger Redenschreiber von George W. Bush und scharfer Trump-Kritiker, entwirft im Magazin «The Atlantic» ein dystopisches Szenario, wie sich die USA unter Präsident Trump in eine Autokratie verwandeln, nicht im Handstreich, sondern schleichend, nach ungarischem oder russischem Vorbild. Ähnliche Befürchtungen äussert Eliot A. Cohen, ein anderer Ex-Mitarbeiter der Bush-Regierung, in einem weiteren «Atlantic»-Beitrag.
Frum und Cohen bleiben typische amerikanische Optimisten. «Es ist nichts Grosses an dem Amerika, das Donald Trump zu schaffen glaubt. Aber am Ende wird es die Grösse Amerikas sein, die ihn aufhalten wird», lautet Cohens Fazit. Man möchte an die legendäre Fähigkeit der USA zur Selbsterneuerung glauben. Aber derzeit ist die Herrschaft von Donald Trump und Steve Bannon vor allem eines: ein Grund zum Fürchten.