Flüchtlinge: Flüchtlingsstrom nach Deutschland hält trotz Grenzkontrollen an

Flüchtlinge: Flüchtlingsstrom nach Deutschland hält trotz Grenzkontrollen an

14.09.2015, 13:52

Ungeachtet der Grenzkontrollen hält der Flüchtlingsstrom Richtung Deutschland an. Die Behörden in Österreich zählten am Montagvormittag 7000 Menschen, die seit Mitternacht von Ungarn die Grenze bei Nickelsdorf passierten.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kündigte an, an der Grenze zu Ungarn wieder Kontrollen einzuführen. Die Regierung in Wien reagiere damit auf die anhaltende Flüchtlingswelle und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen durch Deutschland an seiner Grenze zu Österreich.

Aussenminister Sebastian Kurz sagte, Österreich sei das letzte attraktive Zielland für Flüchtlinge vor Deutschland. Wegen der eingeführten Grenzkontrollen Deutschlands würden nun binnen kürzester Zeit Zehntausende Flüchtlinge in Österreich bleiben statt wie bisher nur durchzureisen. Alleine am Sonntag seien laut Polizeiangaben 15'000 Menschen im Grenzort Nickelsdorf nahe der ungarischen Grenze angekommen.

Ungarn bringt Flüchtlinge direkt zur Grenze

Ungarn hat nach Angaben des UNHCR ganz offensichtlich damit begonnen, die von Serbien kommenden Flüchtlinge nicht mehr zu registrieren, sondern direkt in Zügen zur österreichischen Grenze zu bringen.

«Nach unseren Informationen bringen Spezialzüge die Flüchtlinge vom Grenzort Röszke direkt und ohne Halt zur österreichischen Grenze», sagte Erno Simon, der Repräsentant des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) für Zentraleuropa, am Montag der Nachrichtenagentur AFP.

Am Sonntag hätten UNHCR-Mitarbeiter drei dieser Züge mit mindestens 2000 Passagieren beobachtet, sagte Simon. Ungarische Polizisten hätten Flüchtlinge nachts aufgeweckt, um sie auf die Reise Richtung Österreich zu schicken. Von Seiten der ungarischen Regierung gab es dazu zunächst keinen Kommentar.

Nach der Einführung von Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze mussten vor allem die Autofahrer viel Geduld aufbringen müssen. Auf der A3 staute sich der Verkehr am Mittag bis Pocking bei Passau auf 14 Kilometern.

Auch die Slowakei nahm Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn und Österreich wieder auf. Wie das Innenministerium mitteilte, hat man sich mit der Polizei in Österreich, Ungarn und Tschechien koordiniert.

Gabriel spricht von einer Million Flüchtlingen

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel lud die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer für Dienstagabend zu einem Krisentreffen ein. Ebenfalls am Dienstag werde sich Merkel mit ihrem österreichischen Kollegen Werner Faymann in Berlin treffen. Danach kommt das Kabinett zu Beratungen über die Asyl- und Flüchtlingspolitik zusammen.

Laut Vizekanzler Sigmar Gabriel deutet «Vieles darauf hin», dass Deutschland in diesem Jahr nicht wie geschätzt 800'000 Menschen aufnehmen muss, «sondern eine Million». Entsprechend äusserte sich der SPD-Chef in einem Brief an seine Partei. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dagegen, es gebe zurzeit keinen Anlass, die Prognose zu verändern.

Die Regierung hatte am Sonntag angesichts des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen Grenzkontrollen im Grenzgebiet zu Österreich angeordnet. Der Zugverkehr aus dem Nachbarland war zunächst bis Montagmorgen gestoppt worden.

Auslöser war der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen nach München, wo allein am Wochenende rund 16'000 Menschen aus Ungarn und Österreich ankamen. Innerhalb der vergangenen zwei Wochen waren es dort 63'000 Flüchtlinge.

Hohe Erwartungen an EU-Innenminister

Hohe Erwartungen richteten sich an ein Sondertreffen der EU-Innenminister am Montagnachmittag in Brüssel. Dabei soll über eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge unter den EU-Staaten beraten werden. Diplomaten zufolge ist allerdings unklar, ob es Beschlüsse geben wird. Für die Schweiz nimmt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an dem Treffen teil.

Vor allem die osteuropäischen EU-Staaten wehren sich gegen den Plan eines verbindlichen Quotensystems. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte die Verteilung von 160'000 Flüchtlingen nach einem festen Verteilungsschlüssel vorgeschlagen. (sda/dpa/reu/afp)

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