Es gab in den letzten Monaten kaum einen Sportanlass, an welchem Donato Schneebeli nicht teilnahm. Egal ob die Bike Days in Solothurn, der Basler Frauenlauf, der Verbier X Triathlon, die Ironmans in Rapperswil-Jona und Zürich, das Beachvolleyball-Turnier in Gstaad, das Eidgenössische Turnfest in Aarau, das Leichtathletik-Meeting in Zofingen, der Mountainbike-Weltcup in Lenzerheide oder die Frauen-Skirennen in St.Moritz.
Donato Schneebeli war mittendrin.
Auch beim Skisprung-Weltcup in Einsiedeln wird der 48-Jährige wieder alles geben – und trotzdem von kaum jemandem wahrgenommen werden. Denn Donato Schneebeli besucht die Anlässe als Freiwilliger, oder Volunteer, wie die emsigen Helfer heute heissen.
Wir können mit gutem Gewissen sagen: Donato Schneebeli ist der Super-Freiwillige der Schweiz. Hier spricht er über seine Motivation.
Donato Schneebeli, darf ich Sie Super-Freiwilligen der Schweiz nennen?
Donato Schneebeli: (lacht). Wenn Sie das wollen, klar.
Sie leisteten im letzten Jahr über 620 Stunden Freiwilligendienst, seit dem Jahr 2013 gar deren 3400. Pro Monat sind dies rund sechs Arbeitstage. Warum?
Ich liebe es, zu helfen und unterstütze gerne Leute. Ausserdem bin ich gerne aktiv und unterwegs. Nur zu Hause rumsitzen, das wäre nichts für mich, da wird mir schnell langweilig.
An dieser Stelle müssen wir sagen: Sie sind IV-Rentner. Wie kam das?
Ich bin seit Geburt gehörlos und habe auch körperliche Einschränkungen mit meinem rechten Bein. Ich suchte lange nach Arbeit, aber es ging einfach nicht. Seit 2005 erhalte ich eine IV-Rente.
Wie war das, taubstumm aufzuwachsen?
Wir wollen nicht als taubstumm bezeichnet werden. Das ist ein veralteter Begriff. Menschen wie ich sind gehörlos. Ich höre zwar nichts, aber ich kann ja kommunizieren, zum Beispiel mit der Gebärdensprache.
Gleich geht's weiter mit dem Interview, vorher ein kurzer Werbe-Hinweis:
Und nun zurück zum Super-Freiwilligen ...
Sorry, das wusste ich nicht. Wie war das, gehörlos aufzuwachsen?
Ist okay, so geht es vielen, die erstmals mit Gehörlosen in Kontakt kommen. Zu Ihrer Frage: Ich bin in Basel aufgewachsen und besuchte dort die Gehörlosenschule, danach ging es in die Realschule nach Hohenrain LU und in Zürich absolvierte ich eine Lehre als Technischer Zeichner. Arbeit zu finden war danach schwierig, ich war einige Jahre bei der Kiosk AG am Hauptsitz, aber es ging dann nicht mehr weiter.
Wann fing das an mit der Freiwilligenarbeit?
Ich leistete schon seit Jahren beim Gehörlosensportverband ehrenamtliche Arbeit. Irgendwann wollte ich mich mehr engagieren und stiess auf die Website der «swissvolunteers.ch». Dort wurden unter anderem Leute für das Eidgenössische Turnfest 2013 in Biel gesucht.
Wie verlief dieser Einsatz?
Es machte total Spass. Ich hatte es gut mit den anderen Freiwilligen und der Austausch war spannend. Der ganze Anlass lief gut – und es macht heute noch Freude, freiwillige Helferdienste zu leisten.
Sie sagen es: Es blieb nicht ihr letzter Einsatz.
Im Gegenteil, ich war richtig angefixt. In den nächsten zwei Monaten half ich auch am Ironman Zürich, am Gigathlon, am Eiger Ultra Trail in Grindelwald, am Schülertriathlon Regio Cup Zürich und am Seelandtriathlon Murten.
Wow, was für ein Start. Geht das für Sie als Gehörlosen problemlos oder haben Sie – wie heute zum Interview – einen Dolmetscher dabei?
Meistens bin ich ohne Dolmetschter unterwegs. Ich informiere die Veranstalter im Voraus, dass ich gehörlos bin, dass man langsam und hochdeutsch mit mir sprechen muss, damit ich Lippenlesen kann. Mittlerweile kennen mich die Leute auch oft schon und begrüssen mich mit: «Ah schau, da ist ja der Donato wieder!» (lacht).
Haben Sie eigentlich Vor- oder Nachteile, als Gehörloser im Einsatz zu sein?
Hmm, nein, das glaube ich nicht. Natürlich muss ich dem OK oder meinen Helferkollegen jeweils kurz meine Situation erklären. Aber danach läuft alles.
Gibt es Anlässe, an welchen Sie immer wieder sind?
Ja, einige. Beispielsweise die Ironmans in Rapperswil-Jona und Zürich oder beim Beachvolleyball in Gstaad. Aber auch sonst gibt es im Sportbereich diverse, bei denen ich mehrmals mithelfe.
Und gibt es auch so einen Event, an dem Sie gerne einmal dabei wären, zum Beispiel Olympische Spiele oder so?
Nein, einen Traumevent habe ich nicht. Die Grösse oder Wichtigkeit des Anlasses ist mir weniger wichtig. Natürlich gibt es gute Erlebnisse. Ich war jetzt gerade als Linienrichter an einem Badmintonturnier für Hörende in Holland. Das war gut, aber Auslandeinsätze sind sonst nicht die Regel.
Es fällt auf, dass Sie bei vielen Sportevents dabei sind. Treiben Sie selbst Sport?
Leider geht das nicht mit meinen körperlichen Beschwerden. Aber ja: Sport ist meine Leidenschaft. Am liebsten mag ich Futsal. Da bin ich auch schon seit über zehn Jahren im Schweizer Gehörlosensportverband tätig. Vom 9. bis 16. November fand beispielsweise in Winterthur die Gehörlosen-WM statt, bei welcher ich schon bei der Planung sehr involviert war.
Was gibt Ihnen Freiwilligenarbeit für ein Gefühl?
Nach der Arbeit bin ich vor allem mal k.o. (lacht). Aber ich bin vor allem auch glücklich und zufrieden. Dieses Gefühl übernimmt dann sehr bald.
Was ist das Beste, das Ihnen passiert ist an einem Anlass?
Uff, da gibt es vieles. Eigentlich fast alles. Ich habe sehr viel Schönes erlebt, da fällt es mir schwer etwas herauszupicken.
Machten Sie auch mal schlechte Erfahrungen?
Nein, zum Glück war das noch nie der Fall. Es wird immer auf uns geschaut. Alles ist gut. Ich glaube, den Teilnehmern ist auch bewusst, dass es ohne uns nicht geht und schätzen unsere Arbeit.
Ich nehme an, das Wir-Gefühl in einer Helfergruppe ist auch spannend.
Definitiv. Die Zusammenarbeit verläuft meist gut und bei mehrtägigen Anlässen wächst etwas zusammen. Wir helfen einander, es entstehen Freundschaften und es ist immer wieder ein schönes Gefühl, gemeinsam etwas zu erreichen.
Trotzdem scheint die Bereitschaft für Freiwilligenarbeit allgemein abzunehmen. Fällt Ihnen da was auf?
In den letzten Jahren habe ich nicht das Gefühl, dass sich das verändert hat. Klar: Junge Leute sind selten dabei. Meist melden sich ältere Menschen oder auch Rentner. Aber das ist für mich völlig okay. Diese Leute können sich die Zeit besser einteilen.
Sie haben also Verständnis dafür, wenn jemand nicht helfen will?
Ja, das soll jeder selbst entscheiden. Ich kann auch mehrere Tage helfen, ohne dass ich Ferien nehmen muss oder meine sonst schon knappe Freizeit opfere. Ich verstehe vollkommen, wenn jemand nicht seine Ferien «vergeuden» will, um so einen Einsatz zu leisten. Bisher gab es auch immer genügend Leute, die halfen.
Ist das wirklich so?
Klar sagen das OK oder unsere Ressortleiter, dass sie mehr Leute benötigen. Aber am Ende ging es bisher immer doch irgendwie.
Wie überzeugen Sie jemanden, auch einmal einen Freiwilligeneinsatz zu leisten?
Eine gute Frage (lacht). Ich renne niemandem nach. Ich erzähle gerne, was ich mache, und frage, ob sie auch mal Lust haben. Aber wenn die Person nein sagt, akzeptiere ich das. Ich will niemanden zwingen.
Und wie lange wird der Schweizer Super-Freiwillige selbst noch seine Hilfe offerieren?
Ich hoffe noch lange. Zu Hause herumsitzen, das würde mich langweilen. Mir machen die Einsätze total Spass. Und natürlich wünsche ich mir, dass sich ganz viele Leute als freiwillige Helfer engagieren.