Der ehemalige Sicherheitsberater Michael Flynn hat sich schuldig bekannt, das FBI über seine Russland-Kontakte belogen zu haben. Sein Deal mit dem Sonderermittler Robert Mueller wirft hohe Wellen: Wird er Präsident Trump in den Abgrund reissen? Die Meinungen auf der watson-Redaktion gehen auseinander.
Es gebe keine Anzeichen für eine Zusammenarbeit mit den Russen, frohlockte Donald Trump, nachdem bekannt worden war, dass sich sein ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn offenbar mit dem Sonderermittler Robert Mueller geeinigt hatte und dabei nirgends von «Collusion» die Rede ist. Flynn bekennt bloss, das FBI angelogen zu haben.
Auf den ersten Blick scheint dies tatsächlich ein mageres Ergebnis zu sein. Doch Trump hat keinen Grund zur Freude, und es wird immer unwahrscheinlicher, dass er seine Amtszeit vollenden kann.
Vor rund einem Monat hat Robert Mueller informiert, dass er Anklage erheben wird gegen Trumps ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort und dessen rechte Hand Rick Gates. Gegen diese beiden ist der ehemalige FBI-Chef vorgegangen wie gegen die Mafia. Im Morgengrauen klopften Agenten an Manaforts Tür – und zwar nicht an die Haus-, sondern an die Schlafzimmertür – und verlangten die sofortige Herausgabe von Dokumenten. Die Anklage – sie soll gemäss Experten hieb- und stichfest sein – sieht vor, dass Manafort mit rund 15 Jahren Gefängnis rechnen muss.
Gleichzeitig gab Mueller fast beiläufig bekannt, dass ein gewisser George Papadopoulos, ein ehemaliges Mitglied des Wahlkampfteams von Trump, sich schuldig erklärt hatte, das FBI angelogen zu haben. Das ist eine Straftat. Über die Bedeutung, die Papadopoulos im Trump-Team hatte, wird gestritten – die Einschätzungen reichen von Botenjunge bis zu wichtigem aussenpolitischem Berater. Klar ist jedoch: Der Mann hat die Seite gewechselt und packt jetzt aus.
Vor einem Monat hat Mueller also nicht nur Anklage erhoben, er hat an das Trump-Lager eine ganz klare Botschaft gesandt: Ihr könnt wählen, entweder die Manafort- oder die Papadopoulos-Behandlung, entweder Anklage und mehrjährige Gefängnisstrafe oder Kooperation und relative milde Strafe.
Einer, der diese Botschaft verstanden hat, ist Michael Flynn – und er hat auch allen Grund dazu. Bereits jetzt gibt es mehr als genügend Anklagepunkte, um ihn für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu schicken. Flynn hat nicht nur hinter dem Rücken der Obama-Regierung mit den Russen verhandelt und damit gegen den so genannten Logan Act verstossen. Er hat von den Russen viel und von den Türken sehr viel Geld erhalten und dies nicht offengelegt.
Statt einer hohen kann Flynn nun mit einer milden Gefängnisstrafe rechnen, möglicherweise sechs Monate bedingt. Für ihn ist das, wie wenn Weihnachten und Geburtstag zusammenfallen würden. Doch er muss dafür einen Preis bezahlen. Mit anderen Worten: Er muss auspacken.
Im US-Justizsystem geht es gelegentlich zu wie auf einem Basar. Man kann mit der Strafbehörde feilschen: Ich gebe ein Vergehen zu, verrate meine Mittäter und kassiere dafür eine milde oder gar keine Strafe. Michael Flynn hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen solchen Deal abgeschlossen. Nur so lässt sich Muellers Milde erklären.
Das bedeutet auch: Flynn hat einen sehr guten Deal erhalten, nun muss er liefern. Mit anderen Worten: Der ehemalige Sicherheitsberater hat brisante Informationen und packt aus. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass auch Manafort dem Beispiel von Flynn folgen wird und sich ebenfalls einem kleinen Punkt der Anklage schuldig bekennt und dafür im Gegenzug weniger hart angefasst wird.
Trump hat einen Bestseller mit dem Titel «The Art of the Deal» geschrieben. An den Deals, die Mueller derzeit mit seinen ehemaligen Mitstreitern abschliesst, dürfte er gar keine Freude haben.
Donald Trump erlebt gerade gleichzeitig seine besten und schlechtesten Tage als Präsident. Das knappe Ja des US-Senats zur Steuerreform in der Nacht auf Samstag hat ihm einen dringend benötigten Erfolg beschert. Zuvor war es dem US-Präsidenten in seiner bald einjährigen Amtszeit nicht gelungen, auch nur ein wichtiges Gesetzeswerk durch den Kongress zu bringen.
Nun müssen sich Senat und Repräsentantenhaus noch auf einen Gesetzestext einigen, doch das dürfte mehr oder weniger Formsache sein. Trump dürfte es wie angestrebt noch vor Weihnachten mit seiner Unterschrift in Kraft setzen. Wirklich geniessen kann er die Adventszeit trotzdem nicht. In der Russland-Affäre gerät er immer stärker unter Druck.
Nach dem am Freitag publik gewordenen Vergleich zwischen dem ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn und Sonderermittler Robert Mueller liess der Präsident via Twitter verlauten: «Ich musste General Flynn feuern, weil er den Vizepräsidenten und das FBI belogen hat.» Flynn hatte seinen Posten am 13. Februar nach weniger als einem Monat räumen müssen.
I had to fire General Flynn because he lied to the Vice President and the FBI. He has pled guilty to those lies. It is a shame because his actions during the transition were lawful. There was nothing to hide!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 2. Dezember 2017
Trumps zahlreiche Gegner glaubten ihren Augen nicht zu trauen. Hatte sich der Präsident gerade um Kopf und Kragen getwittert? An einem Treffen im Weissen Haus mit James Comey am 14. Februar – einen Tag nach Flynns Entlassung – soll Trump den damaligen FBI-Direktor aufgefordert haben, die Ermittlungen gegen den Ex-General einzustellen.
Das verleiht seinem Tweet eine ungeheure Brisanz. Er wäre faktisch das Eingeständnis, dass Trump zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Comey wusste, dass Flynn das FBI belogen hatte. Seine Aufforderung, die Ermittlungen zu stoppen, könnten als Behinderung der Justiz aufgefasst werden. Donald Trump hätte faktisch versucht, eine Straftat zu vertuschen.
Ein solcher Vorwurf könnte ihn tatsächlich das Amt kosten. Im Weissen Haus soll gemäss US-Medien Panik herrschen. Trumps Anwalt John Dowd bemühte sich, seinen Boss aus der Schusslinie zu nehmen. Er habe den besagten Tweet verfasst, betonte Dowd. Experten bezweifeln jedoch, dass dies ohne das Wissen des Präsidenten möglich gewesen wäre.
Trump wehrte sich am Sonntag, natürlich via Twitter. Erst behauptet er, den später von ihm gefeuerten FBI-Chef niemals aufgefordert zu haben, die Ermittlungen gegen Flynn einzustellen – obwohl James Comey dies gegenüber dem Senat schriftlich bestätigt hat. Und schliesslich teilte er gegenüber dem FBI selber aus, dessen Ruf ramponiert sei – «so schlimm wie nie zuvor!»
Dies lässt Trump in einem schlechten Licht erscheinen. Aber bedeutet es auch, dass sein Ende nahe ist? Nein, denn noch fehlt die Smoking Gun, der unwiderlegbare Beweis für seine persönliche Beteiligung an der Russland-Affäre. Richard Nixon stürzte über Tonbänder, die seine Verwicklung in den Watergate-Skandal bewiesen. Im Fall von Trump steht Aussage gegen Aussage.
Michael Flynns Deal mit Robert Mueller ist auch kein Beweis, dass der frühere Sicherheitsberater über brisante Informationen verfügt. Laut US-Medien wollte er in erster Linie sich selbst und vor allem seinen Sohn vor Strafverfolgung retten. Es gibt keine Hinweise, dass es bei dem Deal um mehr geht als um die beiden ominösen Telefonate mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak.
Aus dem Schneider ist Trump trotzdem nicht, denn laut US-Medien soll Flynn den Auftrag dazu von Jared Kushner erhalten haben. Er ist kein Nobody wie George Papadopoulos, sondern der Schwiegersohn des Präsidenten. Es ist Donald Trump jedoch zuzutrauen, dass er im Notfall selbst den Ehemann von Tochter Ivanka opfern würde, um seine eigene Haut zu retten. Die Abgesänge auf ihn sind in jedem Fall verfrüht.