Ob man bei der aktuellen Entwicklung schon von einer vierten Welle oder eher einer Zwischenwelle sprechen wolle, sei Ansichtssache, sagte Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte am Dienstag.
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Klar ist: Die Zahlen steigen seit mehreren Wochen wieder exponentiell an, aktuell liegen wir wieder auf etwa Niveau der dritten Welle im April.
Inzwischen haben auch die Hospitalisierungen angezogen. Im direkten Vergleich mit den bisherigen Wellen zeigt sich: Nachdem die Spitaleinweisungen in den ersten beiden Wellen im letzten Jahr jeweils exponentiell angestiegen sind (pinke Kurve), steigt sie aktuell verhältnismässig langsam an. Ähnlich verhielten sich die Hospitalisationen im März. Der fortschreitende Impfprozess dürfte sich hier positiv auswirken.
«Wir stehen schon mitten drin in der vierten Welle», meint hingegen Urs Martin, Gesundheitsdirektor des Kantons Thurgau. Dort sind die Spitaleintritte am Wochenende sprunghaft angestiegen: Von den 30 aktuell Hospitalisierten wurden 20 am vergangenen Wochenende eingeliefert. Je nach Entwicklung drohe laut Martin eine Überlastung der Thurgauer Spitäler. Auch Sven Staender, Chefarzt der Intensivstation Männedorf meinte diese Woche: «Es geht wieder los.»
Schweizweit sieht die Situation allerdings noch etwas weniger prekär aus. Zwar steigen die Hospitalisationen wieder leicht an, doch die Kapazitäten – und darauf scheint die gesamte Schweiz aktuell zu schauen – sind noch gross.
Aktuell liegen 572 Personen wegen Covid-19 im Spital. Sie belegen 2,6 Prozent aller Spitalbetten. 75,2 Prozent der Betten sind durch andere Patienten belegt – gut jedes fünfte Bett ist frei.
Auch die Intensivbelegung erhöht sich wieder: Inzwischen sind 16,6 Prozent aller IPS-Betten durch Covid-Patienten belegt. Knapp 60 Prozent sind hier restliche Patienten, jedes vierte Bett ist frei.
Die Situation ist also aktuell stabil. Doch Sorgen macht den Experten der Anstieg der letzten Wochen: Seit Anfang Juli haben sich die Spitaleintritte verzehnfacht. Wenn sich die Hospitalisationen innert eines Monats nochmals wie im vergangenen Monat verdreifachen, haben wir gemäss Taskforce-Chefin Tanja Stadler Zustände wie in der zweiten Welle.
Dabei gehe es nicht nur um die Kapazität an Intensivbetten, sondern auch darum, wie viel man dem Pflegepersonal wieder zumuten könne und dass andere Spitalbehandlungen wie im vergangenen Jahr wieder verschoben werden müssten.
Das kann man so nicht mehr sagen. Während Mitte April noch drei von vier Hospitalisierten über 50 Jahre alt war, ist es jetzt nur noch jeder Zweite.
Die andere Hälfte, die aktuell wegen Covid-19 ins Spital muss, ist noch keine 50 Jahre alt. Die höchste Inzidenz weisen allerdings noch immer die über 80-Jährigen aus. Sie bleiben trotz hoher Impfquote Risikogruppe. Entsprechend bilden sie auch die grösste Gruppe unter den Patienten, die trotz doppelter Impfung hospitalisiert werden mussten.
Und damit wären wir gleich beim zweiten Thema: Hospitalisiert werden aktuell fast ausschliesslich nicht vollständig Geimpfte. Detaillierte Daten dazu gibt es vom BAG bisher nicht, doch im wöchentlichen Bericht vom 12. August ist von insgesamt 103 Hospitalisationen trotz vollständiger Impfung zu lesen.
Erfasst wird der Impfstatus im Spital seit dem 27.01.2021. Seit diesem Datum wurden insgesamt 7285 Personen hospitalisiert in der Schweiz. Damit machen die Impfdurchbrüche nur einen sehr geringen Anteil aus. Allerdings ist diese Zusammenstellung mit Vorsicht zu interpretieren, schliesslich war Ende Januar noch kaum jemand geimpft. Für ein umfassenderes Bild müsste man die Daten der Impfdurchbrüche mit der damals aktuellen Impfquote in einer Altersgruppe vergleichen können.
Solche Daten liefern beispielsweise die meisten US-amerikanischen Bundesstaaten, hier in einer Grafik von «Vox» über die Situation im Juli. Und diese zeigen: Impfdurchbrüche sind nicht die Treiber der aktuellen Welle. Leider fehlen hier allerdings Angaben aus den aktuell stark betroffenen Südstaaten Texas und Florida.
Aktuell sind fast die Hälfte der positiv Getesteten zwischen 20 und 40 Jahren alt. Die 20- bis 29-Jährigen weisen dabei die höchste Inzidenz auf: In der letzten Woche wurden fast 400 Personen pro 100'000 Einwohner positiv getestet. Aktuell zeigt sich eine ähnliche Altersverteilung wie in der dritten Welle von diesem Frühling.
Auch unter Kindern gibt es wieder etwas mehr Fälle wie noch vor einigen Wochen – allerdings bewegen sich die Wochendurchschnitte (30,7 Infektionen pro Woche pro 100'000 Kinder bis 10 Jahre) noch nicht auf so hohem Niveau wie noch im Mai (78,4).
Trotzdem sind die steigenden Inzidenzen besorgniserregend, schliesslich kehrten (oder kehren) die Schüler und Schülerinnen in diesen Wochen in den Präsenzunterricht zurück. In Zürich beispielsweise haben sich die Fallzahlen unter den 10- bis 19-Jährigen seit Beginn der Sommerferien verdreifacht.
Seit dem 1. Juni sind in der Schweiz 101 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet worden. Davon gehörte eine Person der Altersklasse 30-39 an, zwei der Kategorie 40-49 und neun der Kategorie 50-59. Die restlichen Personen waren älter. Damit hat sich an der Altersverteilung der Todesfälle bisher nicht viel verändert – allerdings bewegen sich diese Zahlen (zum Glück) auf tiefem Niveau, weshalb wenige Einzelfälle direkt grosse Auswirkungen in der Statistik haben.
Doch die Experten des Bundes hielten am Dienstag vor den Medien fest: «Glücklicherweise sehen wir keine Anzeichen für einen Anstieg bei den Todesfällen.»
Etwa so stelle ich mir die Impfgegner vor.
Nun verwechseln auch Sie exponentiell mit explosionsartig. Die Zunahme der Hospitalisationen ist auch jetzt exponentiell. Sie bleiben abhängig von den Fallzahlen, wenn auch auf viel tieferem Niveau.
Gerade in der Grafik zur IPS-Belegung ist der exponentielle Anstige deutlich zu erkennen.
Das neue Mittel das wir haben, das Zertifikat, wird zu spärlich eingesetzt. Hat die Politik Angst vor der kommenden Abstimmung? Besser jetzt die Zertifikatspflicht ausweiten statt noch 3 Wochen zu warten und dann kurz vor der Abstimmung keine andere Wahl zu haben!