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Pfuschen wir mit Abtreibungen und Suizid Gott ins Handwerk?

Beerdigung
Heute erhalten auch Gläubige eine kirchliche Beerdigung, die sich das Leben genommen haben.Bild: shutterstock.com
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Abtreibungen, Medis, Suizid: Pfuschen wir Gott ins Handwerk?

Der moderne Mensch glaubt an Biologie und Medizin und nicht an religiöse Dogmen.
27.01.2020, 14:41
Hugo Stamm
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Das Leben ist heilig, verkünden die monotheistischen Religionen. Der Hauptgrund aus Sicht der Geistlichen: Alles Leben stammt von Gott.

Dieses zentrale Dogma hat weitreichende Konsequenzen. Es besagt, dass niemand das Leben antasten oder sich in die Entstehung oder das Ende des Lebens einmischen darf.

Früher war dies eine Selbstverständlichkeit. Es fehlten die technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, um Gott ins Handwerk zu pfuschen. Die Wende kam mit der Produktion von Kondomen. Plötzlich hatten Paare die Möglichkeit, Sex zu geniessen, ohne Angst vor einer Schwangerschaft zu haben.

Ein katholischer Geistlicher zum Thema Suizid:

Keine Freude an der neuen Freiheit hatte die katholische Kirche. Sie erklärte den Gebrauch von Präservativen als Sünde. Aids hin oder her. Sex hatte dem Zeugungsakt zu dienen und nicht der Lust.

Der Geist ist willig, das Fleisch aber schwach

Bei dieser repressiven Politik spielten drei hauptsächliche Strategien und Interpretationen eine Rolle.

  1. Die Gläubigen sollten möglichst viele Kinder auf die Welt stellen und so zum Wachstum der Kirche beitragen. Dahinter steckte also ein Missionsgedanke.
  2. Die Kurie interpretierte das Ausleben der Lust als Verführung des Satans. Frei nach dem biblischen Motto: Der Geist ist willig, das Fleisch aber schwach.
  3. Die Geistlichen erkannten schon in grauer Vorzeit, dass die Sexualität der Konkurrent oder gar der Feind des religiösen Glaubens war. Sie spürten, dass sie die Gläubigen in der Kirche erfolgreich indoktrinieren konnten, doch ihr Einfluss endete bei der Schlafzimmertür.

Noch stärker in die Defensive gedrängt wurde die katholische Kirche nach der Lancierung der Verhütungspille. Der Weg zur Befriedigung der Lust war noch kürzer geworden. Also teilte die Pille im religiösen Sinn das gleiche Schicksal wie das Kondom.

Papst Franziskus vergleicht Abtreibung mit einem Auftragsmord

Am Schlimmsten ist für strenggläubige Christen aber die Abtreibung. Niemand darf das Leben nehmen ausser Gott. Radikale Christen ermordeten denn in den USA auch mal Ärzte, die Abtreibungen vorgenommen hatten.

Auch Suizid ist ein «Eingriff ins Leben». Die katholische Kirche hat Gläubige, die sich das Leben nahmen, bis in die Neuzeit nicht auf dem Friedhof begraben lassen. Deshalb geht die Freitodbegleitung aus christlicher Sicht erst recht nicht.

Künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft, die es auch Homosexuellen erlaubt, Kinder grosszuziehen, stürzten strenggläubige Christen ins Dilemma.

Mit der Entwicklung der Gentechnik wurde die Situation für die katholische Kirche – aber auch für die Freikirchen – noch komplizierter. Die Möglichkeiten, Gott ins Handwerk zu pfuschen, erreichten eine neue Dimension.

Nicht genug: Künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft, die es auch Homosexuellen erlaubt, Kinder grosszuziehen, stürzten strenggläubige Christen noch tiefer ins Dilemma.

Es ist aber ziemlich scheinheilig, wenn die katholische Kirche und die Freikirchen den Eingriff ins Leben als Akt gegen Gottes Schöpfung betrachten. Denn wir alle – auch die Gläubigen – greifen ständig ins Leben ein. Das Zauberwort heisst Medizin. Und zur Medizin gehört auch die Chirurgie.

Wo beginnt der Wille Gottes?

Konkret: Früher starben Patienten selbst bei einfacheren Krankheiten. Eine Lungenentzündung, die sich heute mit ein paar Tabletten kurieren lässt, führte damals oft zum Tod. Aus der Sicht der Gläubigen war selbst der Tod von Kleinkindern der Wille Gottes.

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Es ist denn auch kein Zufall, dass Ärzte als Götter in Weiss bezeichnet werden. Götter, die das Leben verlängern. Und damit womöglich den Willen Gottes durchkreuzen. Zumindest aus christlicher Optik.

Der Mensch greift schon lang in den Zyklus des Lebens ein. Auch Päpste vertrauen bei Krankheiten lieber den Ärzten als Gott. Deshalb ist es höchste Zeit, vom Dogma Abstand zu nehmen, wonach Gott das Leben gibt und nimmt.

Medizin, nicht religiöse Dogmen

Der moderne Mensch glaubt an Biologie und Medizin und nicht an religiöse Dogmen. Diese sind ihm egal, wenn es um seine Sexualität, seine Gesundheit und das Ende der irdischen Existenz geht.

Aufgeklärte Menschen haben sich von gewissen sektenhaften religiösen Prinzipien emanzipiert und die Sterblichkeitsrate kräftig nach oben gedrückt. Auch die Lebensfreude.

Lass dir helfen!

Du glaubst, du kannst eine persönliche Krise nicht selbst bewältigen? Das musst du auch nicht. Lass dir helfen.
In der Schweiz gibt es zahlreiche Stellen, die rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen da sind – vertraulich und kostenlos.

Die Dargebotene Hand: Tel 143, www.143.ch
Beratung + Hilfe 147 für Jugendliche: Tel 147, www.147.ch
Reden kann retten: www.reden-kann-retten.ch

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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347 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Händlmair
25.01.2020 08:44registriert Oktober 2017
Ein ägyptisches Rezept aus der Zeit um 1525 v. Chr. lautete: „Man gebe zerriebene Akazienblätter mit Honig vermischt auf eine Mullbinde, die man sich in die Vagina einführe.“ Diese Art von Tampon könnte durchaus eine Wirkung gehabt haben, da der Saft der Akazien Milchsäure enthält, die ein wirksames Spermizid ist.

So modern ist Verhütung auch wieder nicht.

Gemäss altem Testament beginnt das Leben erst mit dem Atmen, Ruach (Lebenshauch) und Atemseele.

Der Mensch ist Paradox. Er will das ungeborene Leben unbedingt schützen, macht aber nichts um Waffengewalt und Kriege zu verhindern.
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Beteigeuze
26.01.2020 11:53registriert August 2017
Zum Thema Sterbehilfe

Vor einigen Jahren ist in Italien ein bekannter DJ schwer verunglückt. Vom Hals ab gelähmt, blind, künstliche Beatmung, kaum noch Sprachvermögen und zusätzlich noch bestialische Schmerzen die nicht einzudämmen waren.

Als er es nicht mehr aushielt, bat er seinen Freundeskreis ihn nach Holland zu bringen, wo er dann von seinen furchbaren Leiden erlöst werden sollte.

Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt.

Aber jetzt kommts. Eine Buchautorin die im Auftrag vom Vatikan schreibt brachte es tatsächlich fertig, diesen DJ als FEIGLING zu bezeichnen.

Christl. Barmherzigkeit ??
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petrolleis
25.01.2020 15:17registriert August 2017
Die oberste moralische Instanz... ohne jegliche moral... lächerlich... auflösen den verein und die billionen an die armen verteilen.
Falls es Jesus mal gab, würde er sich beim anblick der kath. Kirche, im Grabe drehen... diese Scheinheiligkeit ist nicht zu übertreffen.
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Valentina statt Valentinstag
Ich hatte eigentlich ein Date ausgemacht. Aber dann kam es anders.

Es war ja Valentinstag. Nicht, dass ich mir etwas aus Valentinstagen mache. Aber, wir erinnern uns: Ich war mit dieser hübschen Yogafrau zum Baden verabredet, nicht so entspanntes Rumschwaddern im Spermabad, wir wissen alle, wo das ist, ich muss das hier nicht explizit erwähnen, aber wir wären ja (leider) eh nicht dorthin gegangen, sondern in den See. Knappe 6 Grad. Eisig kalt, aber vielleicht gerade deshalb ultra hot.

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