Immer diese Superlative: New York ist die tollste Stadt, die teuerste Stadt, die aufregendste Stadt – und glaubt man den Menschen hier – auch die mühsamste Stadt – um zu Daten. Geschweige denn, um einen ernsthaften Partner zu finden. Ich schrieb das als typisch amerikanische Übertreibung ab – bis ich eines Besseren belehrt wurde. Hier ein kleines Sammelsurium an Männern, denen du in New York bestimmt begegnen wirst.
«Ich bin Künstler», sagt er und plustert sich auf wie ein stolzer Gockel. Spätestens nach fünf Minuten ist klar, dass er in Wirklichkeit Bartender ist und sich so seinen Lebensunterhalt verdient. Seine Karriere als – hier Kreativ-Beruf einfügen – verfolgt er nur am Rande und dies leider nicht sonderlich erfolgreich. Um ihn zu daten, brauchst du dementsprechend viel Geduld. Sein kränkelndes Ego will stets gestärkt werden und zugleich musst du viel Verständnis für kurzfristige Absagen aufbringen («Ich muss an diesen superwichtigen Event, um zu networken!»).
Und nicht nur sein Selbstvertrauen schwächelt, sondern auch sein Bankkonto. Wenn ihr zusammen unterwegs seid, lungert er so lange vor der Bar rum, bis die Rechnung kommt und dann rauscht er ganz plötzlich aufs Klo ab. Natürlich muss nicht immer der Mann zahlen, aber fifty-fifty wäre schon nett.
«Fühlt sich das gut an? Was soll ich machen? Willst du, dass ich weitermache?» – fehlt nur, dass er dich fragt, wie es um die Beziehung zu deinen Eltern steht. Statt wie ein heisser One-Night-Stand fühlt sich die Nacht mit ihm eher wie eine Sitzung beim Therapeuten an. Viel zu lieb, nett und rücksichtsvoll ist er in seinem Bestreben, es dir recht zu machen. Von dieser Rücksichtnahme ist am nächsten Morgen nicht mehr viel zu spüren: Um 6 Uhr klingelt sein Wecker, damit er sich vor der Arbeit in seiner Meditations-Ecke, umgeben von Fotos indischer Gurus im Schneidersitz, niederlassen kann, um sich seinem Atem zu widmen.
Was wäre es schön, wenn er seiner körperlichen Hygiene ebenso viel Aufmerksamkeit widmen würde wie seiner Psychohygiene. Der Yogi mag zwar behaupten, dass sein Körper sein Tempel sei, aber was da in seinem langen Hipster-Bart kreucht und fleucht, möchte ich lieber nicht wissen. Vielleicht möchte er die lieben Tierchen einfach nicht umbringen. Er ist schliesslich Veganer. Und ja, seinen Hund (ein Pitbull-Mix, den er aus dem Tierheim gerettet hat) liebt er mit Sicherheit mehr als dich.
Du triffst ihn ein Mal – und hast ihn dann für immer am Hals, obwohl du nie was mit ihm hattest. In regelmässigen Abständen schreibt er dir inspirierende Nachrichten, wie «Na, wie geht’s?». Du antwortest erst Tage später und nicht minder einsilbig. Der Groschen fällt bei ihm dennoch nicht. Er will dich warmhalten, so scheint es. Aber er hat dich gar nie heissgemacht. Nach einem halben Jahr ringt er sich zur Frage durch «Werde ich dich je wiedersehen?». Du antwortest wahrheitsgetreu, ihr könntet Freunde sein, woraufhin er beleidigt abzieht – endlich. Du kannst dir aber sicher sein, dass er weiterhin alle deine Stories auf Instagram schaut.
New York ist riesig, New York ist anonym: die perfekte Spielwiese für Fremdgeher. Nebst den Polyamourösen, scheint es hier auch von dieser Sorte überdurchschnittlich viele zu geben. Was uns zur nächsten Kategorie bringt:
Klar, die gibt es überall. Aber nochmals: New York ist gigantisch und nicht nur der Alltag, sondern auch die Dating-Welt ist schnelllebiger als an manch anderen Orten. Dies führt dazu, dass sich viele so aufführen, als sei die Stadt ihr persönlicher Swingerklub. Hinzu kommt, dass man hier leicht dem Fehlglauben erliegt, dass da draussen der noch bessere, noch attraktivere Partner auf einen wartet. Und weil die Stadt riesig ist, ist es umso einfacher, sich bei den «aussortierten» potenziellen Partnern nie mehr zu melden. Die Wahrscheinlichkeit, dass man ihnen je wieder über den Weg läuft ist in der Tat (befreiend) klein.
Loyalität wird hier in der Tat nicht besonders gross geschrieben. Spass und die Lust am Ausprobieren aber umso mehr. Entweder ich kuschle mich also in den Hipster-Bart eines sensiblen Yogis oder ich suche weiter nach dem noch idealeren Partner ...